Foto: Matt Greenslade

Über intelligente Autos und die Vorteile des autonomen Fahrens

Ein Gespräch mit Chris Boos

Sie arbeiten mit Künstlicher Intelligenz und neuronalen Netzen für autonome Fahrzeuge. Wie funktioniert diese Technik?

Das autonome Fahren ist eigentlich sehr simpel. Es funktioniert wie der Joystick bei einem Computerspiel: Vorwärts ist Gas geben, Rückwärts bremsen und links und rechts ist steuern. Das Auto bekommt von den Kameras, Radarsensoren und den anderen Sensoren einen Input geliefert und als Output hat man Lenkrad, Gaspedal oder die Bremse. Alles dazwischen regelt das neuronale Netz. Hier laufen Datenströme über mathematische Funktionen. Im Straßenverkehr gibt es unendlich viele Situationen, keine Situation ist gleich. Deswegen arbeitet man nicht mit exakten Situationen, sondern mit Mustern. Letztendlich wird in den unstrukturierten Daten ein Muster erkannt und mit diesem Muster wird eine wünschenswerte Reaktion an den Outputstellen erzeugt.


Was sind zurzeit noch die größten technischen Herausforderungen in der Entwicklung des autonomen Fahrens? Wo liegen die Grenzen der Technik?

Die Grenzen der Technik liegen häufig dort, wo die Sensoren widersprüchliche Erkenntnisse liefern oder Übergänge schlecht zu erkennen sind: Ein weißer Laster gegen die grelle Sonne zum Beispiel. Das sind Situationen, die auch für Menschen nicht einfach sind. Wenn man es schafft, den Sehsinn des Menschen gut nachzubauen, ergeben sich eben auch die gleichen Probleme. Insgesamt ist man technisch aber schon sehr weit. Beim autonomen Fahren kommen ganz verschiedene Technologien zusammen und unter ihnen spielen die KI-Technologien eine entscheidende Rolle. Die technisch größte Herausforderung ist: Wie viel Computerkapazität können oder wollen wir in ein Auto einbauen?

„Ich finde die Diskussion um die Unfälle von autonomen Fahrzeugen etwas eigentümlich. Die Forschung setzt sich immer das Ziel, autonome Fahrzeuge zu entwickeln, die nie einen Unfall verursachen. Aber wenn autonome Fahrzeuge auch nur zehn Prozent besser wären als Menschen, wäre das doch schon ein Erfolg!“

Überrascht es Sie, dass es in der Erprobung von autonomen Fahrzeugen noch so viele Unfälle gibt?

Ich finde die Diskussion um die Unfälle von autonomen Fahrzeugen etwas eigentümlich. Im Verhältnis zum Menschen machen autonome Fahrzeuge erstaunlich wenige Unfälle – leider wird immer dann auf die Sicherheit geachtet, wenn etwas passiert ist. Dank der eingebauten Technik fahren autonome Fahrzeuge schon heute besser als Menschen. Allerdings ist es in der Tat schwieriger, weil hier andere Verkehrsteilnehmer irrational agieren. Aber das ist für Menschen genauso der Fall. Die Forschung setzt sich immer das Ziel, autonome Fahrzeuge zu entwickeln, die nie einen Unfall verursachen. Aber wenn autonome Fahrzeuge auch nur zehn Prozent besser wären als Menschen, wäre das doch schon ein Erfolg! Dann müssten zehn Prozent weniger Menschen sterben.

 

Was sind die ausschlaggebenden Faktoren, die über die Akzeptanz des autonomen Fahrens in unserer Gesellschaft entscheiden?

Es besteht immer die Gefahr, dass Technik gehackt wird. Deswegen müssen wir tatsächlich mehr in die Sicherheit der Infrastruktur investieren. Ich glaube aber nicht, dass das Hacken wirklich einen Einfluss auf die gesellschaftliche Akzeptanz des autonomen Fahrens hat. Genauso wenig wie die Frage nach dem Spaß am Fahren, der verloren geht. Mir wird ohnehin zu viel über diese Akzeptanz-Probleme gesprochen. Das Ganze ist eine ökonomische Entscheidung. Wenn sich die Kosten pro gefahrenen Kilometer für eine Person um 90 Prozent verringern, dann werden die Leute diese Möglichkeit wählen – obwohl sie Spaß am eigenen Fahren haben. Durch das autonome Fahren würde der Verkehr sicherer, es gäbe weniger Staus und weniger Luftverschmutzung und die Ressourcen könnten viel besser genutzt werden. Außerdem hätte man in den Städten mehr Platz. Es gibt eigentlich sehr wenig, das gegen das autonome Fahren spricht.

„Mir wird ohnehin zu viel über diese Akzeptanz-Probleme gesprochen. Das Ganze ist eine ökonomische Entscheidung. Wenn sich die Kosten pro gefahrenen Kilometer für eine Person um 90 Prozent verringern, dann werden die Leute diese Möglichkeit wählen – obwohl sie Spaß am eigenen Fahren haben.“

Was läuft falsch in der Debatte über das autonome Fahren?

Ich glaube, wir führen eine völlig falsche Debatte über das autonome Fahren. Die Diskussion, die über ethische Autos geführt wird, bringt nichts. Es gibt ja auch keinen ethischen Fahrer. Der Fahrer, der hinter dem Steuer sitzt, erhält zuerst einmal sich selbst, bevor er darüber nachdenkt, ob er eine alte Frau oder ein Kind überfährt. Er denkt nicht nach, sondern reagiert rein instinktiv. Ich denke, wir sollten uns die Zahlen und Statistiken anschauen und dann tatsächlich die Kunden wählen lassen, ob sie autonome Fahrzeuge nutzen wollen oder nicht – inklusive aller Vor- und Nachteile.

Zur Person

Chris Boos ist Gründer und Geschäftsführer von Arago, einem der führenden IT-Unternehmen für künstliche Intelligenz. Seit der Gründung 1995 arbeitet er mit seiner international agierenden Firma daran, intelligente Technologien in den menschlichen Alltag zu integrieren.

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