Welche Entwicklungen gab es bisher in der Forschung an Therapien gegen Alzheimer?
Vor vielen Jahren war der erste große Ansatz die aktive Immunisierung. Man dachte, dass Beta-Amyloid verantwortlich ist für die Neurodegeneration. Daher hat man diese Moleküle genommen, einfach etwas angehängt, was eine besondere Immunantwort im Körper erzeugt und damit den Organismus immunisiert. Das Ergebnis war, dass etwa 13 Prozent der Patienten an einer neuronalen Entzündung erkrankt und verstorben sind. Diese aktive Immunisierung triggert das körpereigene Immunsystem zur Antikörperbildung und zur aktiven Bekämpfung von beispielsweise bakteriellen Giften oder Viren. Der Ansatz wurde daher schnell fallen gelassen.
Die passive Immunisierung war der nächste Schritt. Das ist die Herstellung von Antikörpern, die die Toxine erkennen und dann dem Patienten injiziert werden. Man hat wirksame Antikörper entwickelt, um die Beta-Amyloide wegzufangen. Da hat man aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der in diesem Fall die Blut-Hirn-Schranke ist. Das ist quasi der Schutz des Nervensystems vor dem Einfluss von toxischen Substanzen. Die Antikörper, die entwickelt und injiziert worden sind, sind dadurch nur zu 0,1 bis 0,3 Prozent in das Hirn gelangt. Die Menge, die einem Menschen injizieren werden müsste, wäre exorbitant hoch. Auch diese Studien sind zwar insgesamt fehlgeschlagen, konnten aber auch gewisse Wirksamkeit in bestimmten Patientengruppen zeigen.
Auch Sie forschen an Antikörpern gegen Beta-Amyloid. Was ist an diesen Antikörpern so besonders?
Wir haben uns in den letzten 20 Jahren damit beschäftigt, welche dieser Beta-Amyloid-Peptide besonders aggressiv zur Aggregation und zur Bildung sogenannter löslicher toxischer Oligomere führen. Das sind Verklumpungen, die nicht abgelagert, sondern löslich sind. Diese speziellen Peptide sind besonders giftig und führen zum Neuronensterben. Die Frage war, ob es unter den Beta-Amyloid-Molekülen welche gibt, die besonders die Bildung von Oligomeren hervorrufen. Diese haben wir gesucht und auch gefunden. Sie werden durch ein bestimmtes Enzym gebildet. Gerade hat unser Unternehmen Probiodrug AG Inhibitoren des Enzyms hergestellt und in Patientenstudien geführt. Moleküle also, die diese Bildung verhindern und die sehr vielversprechende Ergebnisse erzielt haben.
Eine weitere Alternative ist wiederum die passive Immunisierung zur Entsorgung dieser besonders aggregationsfreudigen Beta-Amyloid-Spezies. Wir machen also Antikörper, die genau diese gebildeten Peptide erkennen und sie aus der Lösung im Hirn entfernen. Dadurch werden im Prinzip die „Samenkörner“, die für den Beginn der Verklumpung verantwortlich sind, weggenommen. Zwar kommen hier auch nur 0,1 bis 0,5 Prozent der Antikörper durch die Blut-Hirn-Schranke, aber das Verhältnis zwischen Antikörper und diesen besonders aggregationsfreudigen Beta-Amyloid-Spezies ist jetzt deutlich besser. Diese spezifischen Antikörper haben ein besseres Bindeverhältnis zu den Verklumpungen im Hirn und sie beseitigen die toxischen Spezies, die damit auch nicht mehr in der Lage sind, die Verklumpung der anderen Beta-Amyloid-Peptide voranzutreiben.