Foto: Jochen Schneider

„Es geht darum, Wissen an die Bevölkerung zu vermitteln.“

Ein Interview mit Sabine Jansen von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.

Was bedeutet der Anstieg an Demenzerkrankungen für die Gesellschaft?

Das ist eine große Herausforderung. Zum einen für die betroffenen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, die sich kümmern wollen, sollen oder müssen. Zum anderen aber auch für das Sozialversicherungssystem, also für die Pflegeversicherung und möglicherweise auch für die Sozialhilfe, weil viele alte Menschen ja die stationäre Pflege möglicherweise gar nicht bezahlen können und die Pflegeversicherung gedeckelt ist. Außerdem haben wir immer weniger Menschen, die in der Pflege arbeiten. Das heißt, es wird zunehmend eine Lücke klaffen zwischen denen, die die Pflege brauchen und denen, die diese geben können.

„Wichtig ist, wie die Kommunikation und der Umgang mit Menschen mit Demenz gelingen kann.”

Wie reagieren Sie als Deutsche Alzheimer Gesellschaft darauf?

Wir begrüßen, dass jetzt darüber diskutiert wird, dass man bessere Rahmenbedingungen für die Pflege schaffen muss. Wir haben hohe Abwanderungsraten bei Pflegeberufen. Das ist der eine Strang an dem man tätig werden muss, das haben glaube ich mittlerweile einige relevante Akteure erkannt.

Das zweite ist, dass man die Angehörigen in der Pflege stärken muss. Es gibt ja inzwischen auch Ansätze zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Der dritte Bereich, in dem wir uns engagieren müssen ist die Aufklärung. Es geht darum, Wissen an die Bevölkerung zu vermitteln.

Wie kann das funktionieren?

Ein Beispiel ist unsere Aufklärungsinitiative „Demenz Partner“, die seit über einem Jahr vom Gesundheitsministerium gefördert wird. Dabei geht es darum, Menschen über Demenzen aufzuklären und zwar wirklich jeden Menschen, der etwas wissen will. Wir bieten 90-minütige Kurse an, in denen man das Basiswissen lernt. Viele Angehörige und auch Betroffene leiden darunter, dass sie isoliert werden. Sie trauen sich nicht mehr in die Öffentlichkeit, vereinsamen und ziehen sich zurück. Auch, weil beispielsweise Freunde oder Nachbarn nicht genau wissen, wie sie mit diesen Verhaltensänderungen umgehen sollen und von daher den Kontakt abbrechen.

Die Idee hinter dieser Kampagne ist, dass viele Menschen ein kleines Basiswissen darüber haben, welche Erkrankungen das eigentlich sind und welche Symptome es gibt. Wichtig ist auch, wie die Kommunikation und der Umgang mit Menschen mit Demenz gelingen kann. Wie kann ich mich verhalten? Wie kann ich meine Sprache anpassen, damit ich verstanden werde? Wie geht es den Angehörigen? Oft gibt es eine Scheu, man will sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen.

Wir versprechen uns davon mehr Sicherheit im Umgang und weniger Isolation für die Betroffenen, das würde auch die Pflegesituation stärken.

„Ganz wichtig ist, dass Menschen mit Demenz am Leben teilhaben können.”

Wie gehen Betroffene und Angehörige mit dem ausbleibenden Erfolg der Forschung an Therapien um?

Wir bekommen mit, dass mit den in der Presse veröffentlichten Forschungsansätzen immer viel Hoffnung verknüpft ist. Die Leute interessieren sich und nehmen gerne auch an Studien teil und dann ist natürlich die Enttäuschung groß, wenn der Erfolg ausbleibt. Oftmals werden ja auch schon Erfolge kommuniziert, wenn irgendwelche Versuche an Mäusen erfolgreich waren, das heißt natürlich noch lange nicht, dass daraus eine Therapie an Menschen erwächst. Bis dahin sind noch viele Schritte erforderlich.

Wir als Vertreter der Angehörigen und Betroffenen ziehen daraus die Konsequenz, dass wir uns immer noch und wahrscheinlich auch noch für viel längere Zeit um die Versorgung und ein gutes Leben mit Demenz kümmern müssen. Nicht auf eine ferne Forschung zu warten, die hoffentlich auch irgendwann kommt, sondern dafür zu sorgen, dass es den Menschen im Hier und Jetzt gut geht. Sie sollen die bestmögliche Behandlung, die verfügbar ist, bekommen, aber ganz wichtig ist, dass sie am Leben teilhaben können.

Zur Person

Sabine Jansen ist Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Als Selbsthilfeorganisation setzt sich die Gesellschaft bundesweit für die Verbesserung der Situation der Demenzkranken und deren Familien ein.

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