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Dr. Jörg Mönig

„Ich finde es vernünftig, wie Deutschland vorgegangen ist”

Ein Gespräch mit Dr. Jörg Mönig

Was sind denn die Anforderungen an einen Atomendlager-Standort in Deutschland?

Die sind im deutschen Standortauswahlgesetz gut beschrieben. Dort sind Ausschlusskriterien aufgelistet, von denen keines auf die Gebiete zutreffen darf. Dazu gehören unter anderem Vulkanismus, Erdbeben, eine großräumige Hebungsrate und das Alter des Grundwassers. Zusätzlich gibt es noch Mindestanforderungen, die beispielsweise aussagen, dass eine gewisse Dicke der Gesteinsschichten, in denen die radioaktiven Abfälle eingelagert werden sollen, gegeben sein muss. Wenn Gebiete also keines der Ausschlusskriterien und gleichzeitig alle Mindestanforderungen erfüllen, kommen sie generell erst einmal für die Endlagerung in Frage. Außerdem gibt es bestimmte Gesteinsarten, die besonders geeignet für die Isolation der radioaktiven Abfälle sind.

Welche Voraussetzungen muss ein Gestein erfüllen, um für die Lagerung von Atommüll in Frage zu kommen?

Für die Endlagerung und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle im Untergrund müssen einige Voraussetzungen vorliegen. Die radioaktiven Stoffe sind teilweise sehr langlebig – manche haben Halbwertszeiten von mehreren Millionen von Jahren. Zunächst muss natürlich sichergestellt werden, dass diese radioaktiven Substanzen (Radionuklide) durch eine Isolierung nicht in die belebte Umwelt freigesetzt werden. Deshalb kam die Idee auf, den Bau eines Endlagers in einer Tiefe von 600 bis 900 Meter durchzuführen.

„Durch den Einschluss in den richtigen Wirtsgesteinen im tiefen geologischen Untergrund ist der Atommüll relativ weit von der Biosphäre, also der Umwelt, entfernt.“

Um die Substanzen dort dauerhaft sicher zu lagern, braucht man Gesteine, die möglichst dicht sind, sodass dort kein bzw. nur wenig Grundwasser durchfließt. Außerdem muss man für den Transport und die Einlagerung der radioaktiven Abfälle ein Bergwerk im Untergrund errichten können. Diese Phase umfasst bei allen Endlagerprojekten mehrere Jahrzehnte. Deshalb müssen auch eine Bergwerksicherheit und bestimmte geologische Randbedingungen gegeben sein. Am Ende dieser Überlegungen ist man nun zu den Gesteinsarten und -formationen gekommen, die man weltweit in Betracht zieht: Salz-, Ton- und Kristallingestein.

Wieso wurden diese Gesteinsarten gewählt? 

Salz- und Tongestein sind sehr dicht. Salzgesteinsformationen enthalten praktisch kein Wasser und sind wasserundurchlässig. Für Tongesteine gilt das in ähnlicher Weise, allerdings ist in Ton selbst etwas Wasser enthalten, das aber nicht am hydrogeologischen Wasserkreislauf außerhalb des Tongesteins beteiligt ist. Kristallingestein ist ebenfalls ein sehr dichtes und somit wasserundurchlässiges Gestein. Jedoch hat es im Vergleich zu Salz- und Tongestein den Nachteil, dass dort Klüfte, also Risse, die durch Spannungsumlagerungen entstehen, auftreten können. Durch diese Klüfte könnte dann möglicherweise Wasser durchfließen, was es zu vermeiden gilt. Zu Beginn der Endlagerforschung lag der Fokus bei der Endlagersuche in Deutschland aber primär auf Gebieten mit Salzstein.

Wieso hat man sich denn in der Vergangenheit zunächst auf Salzsteinformationen in Deutschland konzentriert?

Das ist vor dem geschichtlichen Hintergrund gut zu erklären. Die Frage nach einer sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle hat die Verantwortlichen bereits relativ früh beschäftigt. In den USA hat man sich bereits in den 50er Jahren dazu entschieden, Kernenergie zu nutzen. Dort hat die National Academy of Science schon 1957 einen Bericht zur Entsorgung radioaktiver Abfälle veröffentlicht und Steinsalz als ein hervorragendes Medium für die Endlagerung radioaktiver Abfälle empfohlen, weil es absolut dicht ist und praktisch kein Wasser enthält. Dazu kommt, dass Steinsalz an vielen Stellen in den USA vorhanden ist. Aus diesen Gründen hat sich die USA zu Beginn der Endlagerforschung ausschließlich auf eine Lagerung in Steinsalz konzentriert. Als Deutschland Anfang der 60er Jahre Kernenergie für die Elektrizitätserzeugung in Betracht zog, hat man sich dort ebenfalls Gedanken über eine langfristige und sichere Entsorgung gemacht.

„Da Deutschland schon damals eine lange Geschichte und somit Erfahrung in Hinblick auf den Salzbergbau hatte und es auch hier Salzvorkommen gibt, hat Deutschland dann, wie die USA, zunächst ausschließlich auf die Option Salz gesetzt.“

Würden Sie es als Fehlentscheidung betrachten, dass man sich in Deutschland zunächst ausschließlich auf eine Untersuchung der Salzsteinformationen beschränkt hat?

Nein, ich kann das durchaus nachvollziehen, die Gründe sprechen meiner Meinung nach für sich. Ab Ende der 90er Jahre hat man im Rahmen von Forschungsarbeiten dann auch die anderen Gesteine als Option in Deutschland in Betracht gezogen. Ich war selbst seit 1987 an diesen Forschungsarbeiten beteiligt. Da man in der Schweiz damals Tongestein und in den umliegenden, skandinavischen Ländern Kristallingestein für die Endlagerung in Betracht gezogen hat, untersuchte man ab Ende der 90er Jahre auch in Deutschland diese Gesteine.

„Ich finde es vernünftig, wie Deutschland vorgegangen ist. Wir haben in Deutschland das Glück, dass wir alle drei Gesteine zur Auswahl haben und dann ist es sinnvoll, nach der besten Option zu suchen.“

Gibt es abgesehen von den Steinformationen und der Gebietsbeschaffenheit noch andere Gründe, weshalb bestimmte Standorte nicht in Frage kommen?  

Ja, ein potenzielles Gebiet braucht zunächst einmal eine gewisse Fläche, um für eine Endlagerung in Frage zu kommen. In Deutschland wäre ein Endlagerbergwerk je nach Wirtsgestein bis zu zwölf Quadratkilometer groß. Man würde ein Endlager auch nicht an den Randbereichen einer Gebirgsformation bauen, weil dort üblicherweise öfter geologische Störungen als in den zentralen Bereichen vorkommen und die Gesteine nicht ganz so homogen sind.

Welche geologischen Störungen können es in Deutschland sein? 

Vulkanismus und Erdbeben kommen in Deutschland glücklicherweise eher selten vor. Wenn man allerdings heute ein Endlager in beispielsweise 900 Meter Tiefe anlegt, dann heißt das nicht, dass das in der fernen Zukunft auch immer bei 900 Metern unter der Erdoberfläche bleibt. Die Erde bewegt sich stetig, es gibt also Hebungen und Senkungen. Hebungen würden dazu führen, dass ein Endlager weiter Richtung Erdoberfläche rückt. Durch Erosionsprozesse in diesen Gebieten wird mit der Zeit die geologische Oberfläche abgetragen. Das kann dazu führen, dass der Abstand des Endlagers zur Erdoberfläche geringer wird. Daher gibt es Ausschlusskriterien in Deutschland, die besagen, dass ein Gebiet, bei dem die Hebungsrate größer als 1 Millimeter pro Jahr ist, für den Bau eines Endlagers ausscheidet. Nun klingt 1 Millimeter zunächst nicht viel – wenn wir allerdings an 1 Million Jahre denken, dann bedeutet das eine Hebung in diesem Zeitraum von einem Kilometer. Dann wäre es also denkbar, dass das Endlager, dass wir heute in einer Tiefe von 900 Metern anlegen, in 1 Million Jahre an der Erdoberfläche ist – das will man verhindern.

Aus welchem Grund wird der Salzstock Gorleben nach dem Zwischenbericht der BGE nicht weiter als potenzielles Endlager in Betracht gezogen?

Das Standortauswahlgesetz legt die Mindestanforderungen sowie die Ausschlusskriterien für den Bau eines Endlagers in Deutschland fest. Dies war die Grundlage für die Identifizierung der BGE von Gebieten, die für ein Endlager nicht in Frage kommen. Nachdem man diese Kriterien flächendeckend auf Deutschland angewandt hat, blieben entsprechende Gebiete übrig. Diese Flächen wiederum wurden mit den geowissenschaftlichen Abwägungskriterien bewertet, um daraus dann die Teilgebiete zu finden, die momentan für eine Endlagerung in Frage kommen.

„Für das Gebiet in Gorleben hat man anhand dieser geowissenschaftlichen Abwägungskriterien festgestellt, dass das Deckgebirge bzw. die Tonformation oberhalb des Salzstockes nicht durchgängig vorhanden sind, sondern Lücken aufweisen. Das war das aus meiner Sicht wichtigste Argument der BGE.“

Unter anderem aus diesem Grund hat die BGE entschieden, dass Gorleben nicht als günstiges Teilgebiet zu bewerten ist.

Können dann nach der endgültigen Wahl eines Endlager-Standortes weitere Herausforderungen auftreten? Welche könnten das sein? 

Die Herausforderungen sind ähnlich wie bei dem Bau eines jeden Bergwerks. Obwohl man im Vorhinein sehr vieles mit indirekten, geophysikalischen Methoden erkunden kann, kennt man das Gelände vor Ort zunächst nicht komplett. Wenn man vor Ort dann allerdings ein Loch in das Gebirge bohrt, können noch einmal Überraschungen auftreten. Nun sind die Erkundungsmethoden heute aufgrund von intensiven Forschungsarbeiten um einiges besser als noch vor ein paar Jahrzehnten. Deshalb würde es mich wundern, wenn beim Bau des Endlagers selbst große Probleme auftreten, die man im Vorfeld nicht gesehen hat. Lokal kann es aber immer kleine Schwierigkeiten geben. Die Voraussetzung und Hauptanforderung nach der Standortauswahl ist dann zunächst der Bau eines sicheren Bergwerkes. Das ist aufgrund der praktischen Erfahrung für den Bau in Salz- und Kristallingestein gut prognostizierbar und umsetzbar. Beim Tongestein muss man ein Bergwerk gewissermaßen mit Stützbeton sichern, aber auch dort hat man aus dem Tunnelbau in Tonformationen sehr viel Erfahrung in Deutschland.

Welche Sicherheitsmaßnahmen müssen bei dem Bau eines Endlagers beachtet werden?

Dabei gelten dieselben Anforderungen wie an der Erdoberfläche momentan auch. Wenn Brennelemente aus einem Kernkraftwerk entnommen werden, müssen diese erst einmal im Kraftwerk umgelagert werden. Dann müssen sie in einen Transportbehälter überführt werden, um sie anschließend in ein Zwischenlager zu bringen. Die Strahlenschutzanforderungen müssen beim Umgang mit den Endlagerbehältern selbstverständlich im selben Maße eingehalten werden. Die radioaktiven Abfälle in den Transportbehältern, die momentan im Zwischenlager untergebracht sind, müssen noch einmal in Endlagerbehälter umgepackt werden. Dazu müssen diese Transportbehälter noch einmal an der Erdoberfläche geöffnet werden, um die Brennelemente zu entnehmen und zerlegen zu können. Dabei werden die einzelnen Brennstäbe aus den Brennelementen herausgezogen und die Brennstäbe anschließend in den Endlagerbehältern gelagert. So wird das Volumen dieser Behälter besser ausgenutzt. Die Behälter werden dann in das Endlager gebracht. Dabei sollte die Strahlung, der die Mitarbeiter bei der Umlagerung ausgesetzt sind, so gering wie möglich sein.

Gibt es Alternativen zu einer Endlagerung unter der Erde?

„Für mich ist es keine Alternative, die radioaktiven Abfälle an der Erdoberfläche zu bewahren, weil ich sicher bin, dass man die geologischen Prozesse unter der Erde für einen langen Zeitraum viel genauer prognostizieren kann als die gesellschaftlichen Prozesse an der Erdoberfläche.“

Wer garantiert uns, dass in 100 Jahren der Gesellschaft noch wichtig ist, dass die Abfälle in den Bauten auch sicher gelagert werden? Vielleicht gibt es dann auch gar nicht mehr unser jetziges Gesellschaftssystem. Die Lagerung der radioaktiven Abfälle in den Tiefen des Meeres oder im Weltall sind meines Erachtens nach und laut dem internationalen Verständnis ebenfalls keine sicheren Entsorgungsmöglichkeiten. Das klingt erst einmal ganz nett, den Atommüll von der Erde wegzuschießen. Wenn eine startende Rakete allerdings explodiert und dabei Strahlung freigesetzt wird, wäre das ein Desaster. Bei der Entsorgung der radioaktiven Substanzen im Meer würden die Endlagerbehälter mit ziemlich hoher Sicherheit irgendwann kaputt gehen. Dann würden die Radionuklide im Wasser einfach verdünnt werden. Die Weltmeere sind zwar groß, jedoch wollen wir möglichst überhaupt keine Radionuklide in die Umwelt mehr freisetzen. Außerdem könnte es durchaus sein, dass die radioaktiven Substanzen über die Nahrungskette dann wieder an die Erdoberfläche gelangen. Ich halte diese Ideen daher nicht für realistisch – und diese Ansicht vertritt man auch auf internationaler Ebene.

 

Zur Person

Dr. Jörg Mönig ist Leiter des Bereichs Endlagerung an der Global Research for Safety (GRS) – Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Er wirkte unter anderem in den Stilllegungsverfahren für das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben und das Bergwerk Asse mit.

 

Dr. Jörg Mönig
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