Kann es Gerechtigkeit bei der Endlagersuche geben? Und wenn ja, wie müsste das Verfahren gestaltet werden, um die größtmögliche Gerechtigkeit zu gewährleisten?
Die Gemeinde und Region, die als Endlagerstandort ausgewählt wird, wird auf jeden Fall eine Last tragen, die alle anderen nicht tragen müssen. Das ist ungerecht, sollte aber auch Anerkennung finden. Der Staat wird dafür viel Geld ausgeben – zur Förderung der Gemeinde, der Region. Denkbar ist auch, dass es eine besondere Würdigung geben könnte, also dass die besondere Leistung dieser Gemeinde, dieser Region im gesellschaftlichen Diskurs oder bei Feierlichkeiten besonders hervorgehoben wird. Der Anspruch, dass es eine größtmögliche Gerechtigkeit gibt, ist, glaube ich, verfehlt. Es geht um Ausgleich und Anerkennung und das wird immer hinter den Erwartungen einzelner zurückbleiben müssen.
Kann das im Standortauswahlgesetz festgelegte Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung dazu beitragen, dass der Suchprozess und die letztendliche Festlegung auf einen Standort gerecht ablaufen?
Ich denke ja. Es gibt eben dieses neue Standortauswahlverfahren, was unter anderem wissenschaftsbasiert, transparent und partizipativ sein soll, um zu zeigen und nachvollziehbar zu machen, wie die Entscheidung zustande gekommen ist. Dass es eben keine politische Entscheidung ist, wie das der Entscheidung für Gorleben seinerzeit nachgesagt wurde, sondern dass unter den Augen und unter Beteiligung der Öffentlichkeit diese Entscheidung erarbeitet wird, indem eine Vielzahl von objektiven Kriterien akkurat angewendet wird. Außerdem ist im Standortauswahlgesetz vorgesehen, dass die Standortgemeinde und Standortregion, die es dann potenziell wird, frühzeitig an der Erarbeitung einer Potenzialanalyse und von Konzepten zur Förderung der Region beteiligt wird. Die Region soll trotz Endlager eine Entwicklungsperspektive haben.
Sie haben einen Sammelband mit interdisziplinären Beiträgen zum Thema Emotionen bei der Realisierung eines Endlagers herausgegeben. Welche Emotionen spielen bei der Realisierung eines Endlagers eine Rolle und was bedeutet das für die Endlagersuche?
Wut und Angst oder zumindest Furcht stehen im Vordergrund. Freude werden nur die spüren, an denen der Kelch, Standortgemeinde zu werden, vorbeigegangen ist. Wichtig ist, solche negativen Empfindungen nicht wegzureden. Früher hieß es: „Nun seid mal vernünftig. Wir sind die Fachleute. Wir haben alles geprüft. Vertraut uns.” Das hat die Menschen nicht beruhigen können. Hier kommt es darauf an, geschickter, nämlich angemessen, zu reagieren. Eine Emotion kann nicht durch Appelle an die Vernunft sondern nur durch andere Emotionen vertrieben und ersetzt werden, sagen Fachleute. Das könnten Emotionen sein, die auch über Geschichten transportiert werden und damit vielleicht für Verständnis und auch Vertrauen in die neue Standortsuche werben.