Foto: Kai R. Joachim

Warum Computer die Autofahrer nicht komplett ersetzen

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Oliver Bendel

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden auf dem Weg zu vollständig autonom fahrenden Fahrzeugen in Deutschland?

Meiner Ansicht nach sollte es gar keinen ausschließlich autonomen Verkehr geben, und dieser lässt sich auch kaum in die Praxis umsetzen. Es wird immer Hybride brauchen, wir sollten immer eingreifen können. Fahren in den Städten ist stets auch Kommunizieren. Ein Blick, ein Wink, schon weiß man Bescheid. Ein Auto, das nicht wie ein Mensch kommunizieren kann, erhöht in Mischgebieten mit Fußgängern und Fahrradfahrern die Unfallgefahr. Und was ist, wenn ich spontan meine Meinung in Bezug auf das Ziel ändere? Wenn ich jemanden mitnehmen will, der am Straßenrand den Daumen hochhält? Ich muss auf jeden Fall eingreifen können, aus einfachen praktischen Gründen. Auch aus psychologischen Gründen ist es wichtig, dass ich ein Lenkrad herumreißen oder auf die Bremse treten kann.

„Es braucht dazu mehr öffentliche Veranstaltungen, mehr Informationen aus Wirtschaft und Politik.“

Brauchen wir eine ehrlichere Debatte in der Öffentlichkeit über die Entwicklung und die Implikationen des autonomen Fahrens in Deutschland?

Man müsste der Gesellschaft deutlicher vor Augen führen, was autonomes Fahren in der Realität bedeutet. Wenn man es in den Städten zulassen würde, müsste man diese umbauen wie vor einem halben Jahrhundert. Wir müssten sie wieder an die Maschinen anpassen. Meiner Ansicht nach sollten aber Fußgänger und Fahrradfahrer den Vorrang haben. Natürlich gibt es Tricks, mit denen man autonomes Fahren in Ballungsgebieten ermöglichen kann: Man verringert bei Shuttles die Geschwindigkeit stark, man benutzt virtuelle oder spezielle Spuren. Natürlich könnte man noch weiter gehen, Straßen mit Straßen überdachen, Tunnel bauen etc. Aber wollen wir das? Es braucht dazu mehr öffentliche Veranstaltungen, mehr Informationen aus Wirtschaft und Politik.

Wird der Nutzen des autonomen Fahrens aus Ihrer Sicht verkürzt dargestellt? Geht es tatsächlich um das E-Mail-Schreiben auf der Autobahn, oder doch eher um ein neues Modell der Mobilität, das auch z.B. große Effekte auf die Themen Energie und Stadtentwicklung hat?

Es geht vor allem um das Geschäft. Autobauer verdienen mit automatisiertem Fahren, an den Autos und an der Infrastruktur. Trotzdem bin ich persönlich stark an hoch- und vollautomatisiertem Fahren und autonomen Autos interessiert. Gerne würde ich mich auf der Autobahn einmal ausklinken, um am Computer zu arbeiten oder Filme anzusehen. Ich bin nicht gegen autonome Autos, ganz im Gegenteil. Ich will nur, dass diese ihre Grenzen kennen.

Die Ökobilanz des voll- und hochautomatisierten Fahrens haben wir in einer Abschlussarbeit untersuchen lassen. Die Ergebnisse sind durchaus widersprüchlich. Autonome LKW, die sehr dicht hintereinander in Kolonne fahren, können natürlich Benzin sparen. Aber wenn ich meinen autonomen PKW über Kilometer hinweg zu mir rufen kann, nur damit ich es bequem habe, könnte das die Bilanz trüben. Hier wünsche ich mir mehr Studien zu diesem Thema.

„Es erstaunt, dass plötzlich das autonome Auto der Heilsbringer sein soll.“

Wie ist die grundsätzliche Akzeptanz gegenüber der Technologie des autonomen Fahrens?

Die Menschen, mit denen ich über das automatisierte Fahren spreche, sind mehrheitlich skeptisch, vor allem dann, wenn es um hoch- und vollautomatisiertes bzw. autonomes Fahren geht. Sie fragen sich: Wird das Fahren noch Spaß machen? Was bleibt uns Menschen am Ende übrig? Manche glauben daran, dass sich die Zahl der Verkehrsopfer senken lässt. In der Tat ist es ein Skandal, wie viele Tote und Verletzte wir auf den Straßen zulassen. Es erstaunt aber, dass plötzlich das autonome Auto der Heilsbringer sein soll. Auf Autobahnen könnten die Unfälle abnehmen, in den Städten aber zunehmen. Ich rate auch dazu, nicht rein statistisch zu argumentieren. Der Einzelfall wird am Ende entscheidend sein, die konkrete Tötung eines bestimmten Menschen durch eine bestimmte Maschine. Darüber wird man diskutieren. Statistiken bleiben abstrakt.

Zur Person

Prof. Dr. Oliver Bendel lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit den Schwerpunkten E-Learning, Wissensmanagement, Wirtschafts-, Informations- und Maschinenethik.

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