Foto: David Ausserhofer

Warum Akzeptanz nicht ausschlaggebend ist

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Dr. h.c. Ortwin Renn

Wie ist die grundsätzliche Akzeptanz gegenüber der Technologie des autonomen Fahrens? Wie wird sich die Haltung mit der Zeit verändern? Welche Rolle spielen Kommunikation und Partizipation bei diesem Prozess?
 
Wir sehen heute schon, dass sich die Einstellung gegenüber dem autonomen Fahren von Jahr zu Jahr zum Positiven verändert und zunehmend zu verbesserter Akzeptanz führt. Von daher ist auch in Zukunft zu erwarten, dass autonomes Fahren nicht an der Akzeptanz der Fahrer und Fahrerinnen scheitern wird. Gerade für die Prämienfahrzeuge aus Deutschland wird aber auch in Zukunft eine Nachfrage nach selbstgesteuerten Fahrzeugen eine Herausforderung, weil sie ein besonderes Fahrgefühl verkörpern und dieses für viel Geld auf den Markt bringen. Hier sind innovative Lösungen gefragt. Dies kann durch Hybridlösungen erfolgen oder aber durch spezielle Fahrzeugreihen, die auch weiterhin überwiegend von Hand gesteuert sind. Um Menschen auf innovative Neuerungen einzustimmen, spielen Kommunikation und Partizipation grundsätzlich immer eine wichtige Rolle. Da es sich aber bei der Anschaffung von autonomen Fahrzeugen im Wesentlichen um Individualentscheidungen handeln wird, ist eine flächendeckende Partizipation nicht unbedingt erforderlich. Allerdings werden große Anforderungen an die Kommunikation gestellt, um die Menschen darauf einzustellen, dass auch Maschinen und Software nicht fehlerfrei sind und dadurch auch Unfälle geschehen werden.

 

„Das Neue am autonomen Fahren ist, dass Dilemma-Situationen von vornherein gelöst werden müssen.“

Wie relevant sind die in der öffentlichen Diskussion viel zitierten ethischen Fragen und Dilemma-Szenarien für die Akzeptanz und für die tatsächliche Entwicklung der Technologie?

Ethische Probleme ergeben sich eher bei der Frage der Nutzung der Daten, der Einflussnahme von Software auf menschliche Entscheidungen und der Frage der Priorität von menschlichem und computergesteuertem Verhalten in Krisensituationen. Das Neue am autonomen Fahren ist, dass Dilemma-Situationen von vornherein gelöst werden müssen. Das immer wieder zitierte Beispiel, bei der eine Zwangskollision entweder mit zwei älteren Menschen oder einem Kleinkind unausweichlich ist, erscheinen mir aber reichlich künstlich und angesichts der wirklichen Herausforderungen der autonomen Fahrpraxis wenig relevant zu sein. Wenn unausweichliche Dilemma-Situationen vorprogrammiert werden müssen, dann ist wohl die beste Lösung, auf eine randomisierte, durch Zufallsgenerator bestimmte Lösung des Konfliktes auszuweichen.

 

„Wir brauchen eine offene und informierte Debatte über die Chancen und Risiken des autonomen Fahrens.“

Wird der Nutzen des autonomen Fahrens aus ihrer Sicht verkürzt dargestellt? Geht es tatsächlich um das E-Mail-Schreiben auf der Autobahn, oder doch eher um ein neues Modell der Mobilität, das auch z.B. große Effekte auf die Themen Energie und Stadtentwicklung hat?

Mit dem autonomen Fahren wird natürlich ein neues Zeitfenster geschaffen, in dem Personen ihre Zeit, die sie bislang in Fahrzeugen verbracht haben, mit anderen Tätigkeiten ausführen können. Obwohl die meisten angeben, sie wollten dies vor allem für Freizeitaktivitäten wie Lesen und Musikhören nutzen, zeigen die Daten von Zugreisenden, dass zunehmend Reisezeit für Arbeiten mit dem Computer genutzt wird. Es ist also eher damit zu rechnen, dass die Arbeitswelt auch während des Transportes zum Arbeitsplatz ihr Recht einfordern wird. Die große Vision des autonomen Fahrens ist aber sicherlich, dass man zum einen durch die Elektrifizierung autonomer Fahrzeuge auf fossile Energieträger weitgehend verzichten kann und man zum anderen wesentlich effektiver und effizienter Personen vor allem in Ballungsgebieten transportieren kann.

Brauchen wir eine ehrlichere Debatte in der Öffentlichkeit über die Entwicklung und die Implikationen des autonomen Fahrens in Deutschland?

Wir brauchen in jedem Falle eine offene und informierte Debatte über die Chancen und Risiken des autonomen Fahrens. Zurzeit verläuft die Debatte vor allem in Richtung auf Technik, rechtliche Rahmenbedingungen und ein wenig ethische Reflexion. Das ist zu wenig, um die ganze Bandbreite der Bedeutung des autonomen Fahrens zu reflektieren.

Zur Person

Der Soziologe Prof. Dr. Dr. h.c. Ortwin Renn ist wissenschaftlicher Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam und Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung an der Universität Stuttgart. In seiner Forschung widmet er sich vor allem der Wahrnehmung von Technologien und Risiken in der Gesellschaft.

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