So sieht ein autonomes Fahrzeug seine Umwelt. © Cityscape Dataset

Wann lenkt der Computer?

Zur technischen Dimension des autonomen Fahrens

9 Kommentare

Während das Auto sicher ans Ziel fährt, drehen die Insassen in den Lounge-Chairs gemütlich die Sitze zu den Mitfahrern, unterhalten sich, schreiben E-Mails oder lesen ein Buch. Solche Versprechen mit Bildern erster Prototypen der Automobile der Zukunft werden derzeit von der Autoindustrie und Entwicklern wie Elon Musk verbreitet.

Schon bald sollen wir uns im Auto bequem und sicher zurücklehnen können und die freie Zeit für sinnvollere Beschäftigungen nutzen als die Aufmerksamkeit ständig auf die Straße richten zu müssen. Zugleich verstören uns Nachrichten von Unfällen, in die autonome Fahrzeuge verwickelt sind. Sie schüren Zweifel an der Reife der Technologie und werfen legitime Fragen auf: Wie weit ist die wissenschaftliche und technische Entwicklung auf dem Weg zum autonomen Fahren tatsächlich? Stehen wir kurz vor der flächendeckenden Einführung oder bleibt das alles Zukunftsmusik?

„Der Stadtverkehr ist für autonome PKW, die eine normale Geschwindigkeit haben, kaum zu bewältigen.”

(Prof. Oliver Bendel)

Was gibt es schon?

Wer heutzutage ein neues Auto kauft, kann bereits verschiedenste Fahrerassistenzsysteme und teilautomatisierte Funktionen dazukaufen: Einparkhilfen, Tempomaten oder Abstandshalter. Sogar ein Fahrassistent für Staus oder Notbremsungen ist bereits erhältlich. In all diesen Fällen liegt die Verantwortung über das Fahrzeug jedoch weiterhin beim Menschen. Die Steuerung wird nur in definierten Situationen vom Fahrzeug übernommen.

Als autonome Fahrzeuge gelten Autos mit solchen Assistenzsystemen allerdings noch nicht. Sie gelten nach der international gängigen Definition als „teilautomatisiert“ – erreichen also erst die dritte von sechs möglichen Stufen auf dem Weg zum vollständig autonom fahrenden Automobil. Erwartet wird, dass die nächste Stufe, also das sogenannte „hochautomatisierte“ Fahrzeug, ab etwa 2020 marktreif ist. Diese Fahrzeuge sollen mit Autopiloten selbstständig auf Autobahnen fahren können. „Damit kann man die Spur und Abstand halten und ab und zu andere Autos überholen. Der Fahrer bleibt aber in der Verantwortung und darf sich nicht ablenken lassen“, sagt Prof. Raul Rojas, Leiter des Dahlem Center for Intelligent Systems an der FU Berlin.

Die 6 Schritte zum autonomen Fahren

Die Entwicklung des selbstfahrenden Autos wird von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Politikern in sechs Stufen eingeteilt. Diese Unterteilung beschreibt sowohl, welche Aufgaben das System selbst wahrnimmt, als auch, welche Anforderungen an den Fahrer gestellt werden. Während die erste Stufe als „Driver only“ beschrieben wird, ist erst bei der letzten Stufe – dem autonomen Fahren – keinerlei menschliches Eingreifen mehr erforderlich.

Erprobt werden derzeit auch Assistenzsysteme bei LKWs. Dabei wird eine LKW-Kolonne über Funk gekoppelt („Platooning“). Während im ersten LKW ein menschlicher Fahrer das Tempo vorgibt, folgen die anderen LKWs automatisch mit identischer Geschwindigkeit und konstantem Abstand. Im vergangenen Jahr haben sechs LKW-Hersteller diese Technik in einer Sternfahrt quer durch Europa nach Rotterdam demonstriert.

Als „vollautomatisierte“ Fahrzeuge werden derzeit bereits sogenannte „People Mover“ erprobt – kleine Busse, die zwar recht langsam, aber vollautomatisch Personen transportieren können. Die Deutsche Bahn testet im bayerischen Bad Birnbach seit Anfang Mai 2017 ein solches Transportmittel im öffentlichen Verkehr. Zuvor waren in einer geschlossenen Umgebung in Berlin erste Feldversuche unternommen worden.

„Das Hauptproblem im regulären Stadtverkehr sind andere Verkehrsteilnehmer, die sich nicht immer regelkonform verhalten.“

(Prof. Raul Rojas)

In Deutschland werden wir allerdings im regulären Stadtverkehr in naher Zukunft noch keine Autos mit Autopilot oder komplett autonom fahren sehen. „Der Stadtverkehr ist für autonome PKW, die eine normale Geschwindigkeit haben, kaum zu bewältigen. Sie müssten zu viele Objekte und Situationen analysieren und priorisieren. Es käme immer wieder einfach zum Stillstand des Fahrzeugs oder – durch Fehlinterpretationen – zu einem Unfall”, sagt Prof. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Dabei wird auch an der Realisierung des autonomen Fahren im Stadtverkehr bereits intensiv geforscht. In Braunschweig beispielsweise fährt bereits seit 2010 ein Auto des Instituts für Regelungstechnik dank verschiedenster Kameras, Laserscanner und Radarsensoren autonom durch die Stadt und ist bereits 22.000 Kilometer unfallfrei gefahren. Ein Fahrer sitzt nur zur Sicherheit hinter dem Lenkrad.

Wie arbeitet die Technik beim autonomen Fahren?

Kameras, Laserscanner und Radarsensoren bilden bisher wichtige Grundlagen für das autonome Fahren. Sie erfassen die Umgebung des Fahrzeugs; Computer simulieren diese anhand von GPS-Daten und durch Abgleich mit digitalen Straßenkarten. Die Computer ermitteln das bestmögliche Fahrverhalten für das Fahrzeug und sollen auf Veränderungen in der Umgebung innerhalb von Millisekunden reagieren können. Allerdings weist Oliver Bendel darauf hin, dass gerade in der Umweltsensitivität ein Risiko bestehen kann: „Die Sensoren können auf vielfältige Weise getäuscht werden.” Und: Auch wenn die Sensoren bereits in der Lage sind, Hindernisse wahrzunehmen und darauf kurzfristig zu reagieren, kommen diese schon bei schlechten Witterungsbedingungen und im unübersichtlichen Stadtverkehr schnell an ihre Grenzen. „Das Hauptproblem im regulären Stadtverkehr sind andere Verkehrsteilnehmer, die sich nicht immer regelkonform verhalten. Ihre Absichten müssen erkannt werden und genau das ist für Computer sehr schwierig“, so Raul Rojas.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Vernetzte Autos

Für automatisierte und autonome Fahrzeuge ist die Vernetzung und Kommunikation des Fahrzeugs mit anderen Verkehrsteilnehmern besonders wichtig. So sollen nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Brücken oder Tunnel Informationen, wie zum Beispiel ein Stauende oder ein Hindernis, an andere Fahrzeuge weitergeben. Durch die fortschreitende Vernetzung entstehen aber zusätzliche Daten- und Informationsströme. Daher ist bei der Entwicklung dieser Technologien der Datenschutz von besonderer Bedeutung.

Ingenieure können zudem nicht jede erdenkliche Situation im Alltag programmieren. Das bedeutet, dass die eingesetzten Computer und Algorithmen viel schlauer werden müssen. Die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz versucht, Computern mit „maschinellem Lernen” beizubringen, wie sie Objekte richtig einordnen und die richtigen Strategien entwickeln können. Im Forschungsprojekt Cityscapes Dataset wurden 25.000 Bilder von zufälligen Verkehrssituationen in Städten ausgewählt. Der Computer sollte darauf 30 verschiedene Objektgruppen wie Fußgänger, Radfahrer, Verkehrsschilder oder Ampeln voneinander unterscheiden. Dabei funktionierte der sich selbst programmierende Algorithmus nach Angabe der Forscher so gut, dass selbst Fußgänger entdeckt wurden, die mit menschlichem Auge kaum sichtbar waren, weil sie nahezu komplett hinter parkenden Fahrzeugen verborgen waren.

„Es sollte gar keinen ausschließlich autonomen Verkehr geben. Er lässt sich kaum in die Praxis umsetzen. Es wird immer Hybride brauchen.”

(Prof. Oliver Bendel)

Vom Labor auf die Teststrecke

Die technischen Lösungen alleine reichen für einen Durchbruch des autonomen Fahrens noch nicht aus. Um sicherzugehen, dass ein autonomes Fahrzeug tatsächlich in jeder Situation die beste Fahrstrategie wählt, muss die Technologie in Testfahrten über Millionen von Kilometern erprobt werden. Genau hier ist ein Großteil der eingesetzten Techniken noch am Beginn der Erprobung. Einige Wissenschaftler warnen deshalb vor einer verfrühten Euphorie. Oliver Bendel ist der Ansicht: „Es sollte gar keinen ausschließlich autonomen Verkehr geben. Er lässt sich kaum in die Praxis umsetzen. Es wird immer Hybride brauchen.” Andere plädieren dafür, autonome Fahrzeuge – selbst wenn die Technik soweit erprobt ist – nur in geschlossenen Gebieten oder auf separaten Fahrspuren fahren zu lassen. Also zum Beispiel zuerst auf Flughäfen oder Firmengeländen. Die Revolution, die uns bevorsteht, ist also momentan vor allem eine theoretische. Die technischen Herausforderungen sind dabei aber nur eines von vielen Problemen in der Realisierung des autonomen Fahrens im Straßenverkehr, die überwunden werden müssen.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Aktualisierung

Am 18. März 2018 kam es in Arizona zu einem Unfall eines überwacht automatisiert fahrenden Autos mit einer Fußgängerin, welche später ihren Verletzungen erlag. Eine Einschätzung der Unfallursachen und zu den Konsequenzen sowie weitere Hintrergründe finden sich in Expertenstatements des Science Media Centers.

Debattiere mit!

Deine Emailadresse wird nicht veröffentlicht.

9 Kommentare

  • Marcel S.

    26.05.2017, 7:47 Uhr

    Was geht…die Debatte.org
    Nein, ich behalte lieber die Kontrolle

    • Peter Enis

      26.05.2017, 7:58 Uhr

      Hoidio Marcel
      ich bin wie Aktiver S auch ganz ihrer Meinung. Es ist schön noch solche Mneschen
      zuhaben. Mit Verstand und Gehirn gehen sie in die Welt und das finde ich gut.
      Gruß Peter Enis

  • Aktiver S.

    26.05.2017, 7:51 Uhr

    Moin moin ihr aktiven Debattierer,
    Ich stimme da voll und ganz Marcel S. !!!
    Ich bin auch nicht so der Freund von automatischen Fahren

    • Marcel S.

      26.05.2017, 7:57 Uhr

      Kommentar gelöscht. Bitte verzichten Sie auf fremdenfeindliche Äußerungen. [Die Redaktion]

  • ingrid Ullmann-Bammer

    01.06.2017, 14:35 Uhr

    Eine neue Generation wird nur selbstfahrende Elektro-Autos kennen und fahren. Bisher haben die Mensch-Lenker Unfälle verursacht und ich bin überzeugt, dass das selbstfahrende Auto ganz sicherlich weniger Unfälle verursachen wird. 1984 habe ich mich mit dieser neuen Welt beschäftigt. Aus Utopie wurde Gegenwart. Eine neue Art zu denken ist notwendig, denn es muss viel verändert werden. Schade, dass die Menschen nicht fähig sind Lösungen zu finden, denn es gibt sie.

    • Schwerer Ausnahmefehler

      18.07.2017, 14:22 Uhr

      Können Sie mir bitte auch kurz die zugehörigen Probleme nennen, zu denen ihrer Meinung nach Lösungen exisiteren.
      Ist es ein Problem, dass Sie als Fahrer während der Fahrt keine Zeitung lesen können?
      Gibt es zu viele LKW-Fahrer?
      Für mich nicht ganz nachvollziehbar bleibt die Tatsache, dass wir alle tagtäglich Produkte von Microsoft verwenden und trotzdem glauben, Software mache nie Fehler. Und selbst der Umstand, dass ein autonomes Fahrsystem einen LKW für eine weisse Fahrbahn hielt, lässt uns nicht nervös werden. Das sind ja nur Kinderkrankheiten oder Fake News.
      Autonomes Fahren wird kommen. Keine Frage. Aber sollte nicht lieber als Vorstufe erst einmal dafür gesorgt werden, dass Höchstgeschwindigkeiten eingehalten werden., oder sollten wir nicht evtl. auch ein allgemeines Tempolimit einführen? Das wäre eine Lösung zu einem Problem: Reduktion der Anzahl der Verkehrstoten. Ist doch schon mal was. Aber das wird schwierig in Autodeutschland. Diese Forderung ist nicht gerade sexy. Das ist ja ein Eingriff in die persönliche Freiheit der Riesen-SUV- und Sportwagen-Fahrer, in denen man scheinbar nur alleine oder höchstens zu zweit sitzen darf. Stattdessen entwickeln wir lieber noch ein Fahrassisstenzsystem. Hauptsache wir können weiterhin schnell fahren. [Wegen vulgärer Sprache gelöscht. Die Redaktion]

      Und wenn Sie, verhehrte Frau Ullmann-Bammer mit Nennung der Jahreszahl 1984 auf den gleichnamigen Roman anspielen, fehlt mir momentan die Erinnerung daran, dass es in dem Roman um Roboter ging. Ich frag mal Siri, die soll Alexa fragen, um was es in der Dystopie eigentlich geht.
      Alexa, verschick den Mist und mach das Licht aus! Ich will schlafen und von einer schöneren Zeit träumen. Nein, das solltest du nicht schreiben….ach egal.

  • Hans-Peter Schmalzl

    13.06.2017, 9:50 Uhr

    Wenn das autonome Fahren kommt, und man das Auto in der letzten Stufe sogar per App anfordern kann und es holt dich ab, dann werden viele kein eigenes Auto mehr benötigen. Zudem wird ein Auto länger ausgenutzt, als heute. Das heißt, wir werden in 15-20 Jahren viel weniger Autos benötigen und auch produzieren,als heute und es werden etliche Arbeitsplätze wegfallen. Man denke z.b. auch an die über 50000 Taxifahrer, allein in Deutschland. Die gibt es dann nicht mehr. Oder, wenn man in der letzten Stufe keinen Führerschein mehr benötigt wird. Dann können die Fahrschulen zu machen. Das ganze kann Mann dann noch beliebig erweitern. Aber irgendwann werden uns eh dann alle Roboter ersetzen.

    • Alexander Termer

      18.07.2017, 23:27 Uhr

      die Bundesregierung will nix von irgerdwelchen Problemen hören
      Den die Wahrheit tut denen weh!!!!

  • Alexander Termer

    18.07.2017, 23:31 Uhr

    Und der „Bedingungsloses“ Einkommen wird eh viel zu gering sein, das es nicht mal ausreicht, um seine Familie zu ernähren!!!!! wenn man bedenkt das viele Arbeitsplätze wegfallen nur wegen Maschinen!!!!

    nur so nebenbei

Mehr zu dem Thema

  • 0
  • 2
  • 1