So sieht ein autonomes Fahrzeug seine Umwelt. © Cityscape Dataset

Wann lenkt der Computer?

Zur technischen Dimension des autonomen Fahrens

Während das Auto sicher ans Ziel fährt, drehen die Insassen in den Lounge-Chairs gemütlich die Sitze zu den Mitfahrern, unterhalten sich, schreiben E-Mails oder lesen ein Buch. Solche Versprechen mit Bildern erster Prototypen der Automobile der Zukunft werden derzeit von der Autoindustrie und Entwicklern wie Elon Musk verbreitet.

Schon bald sollen wir uns im Auto bequem und sicher zurücklehnen können und die freie Zeit für sinnvollere Beschäftigungen nutzen als die Aufmerksamkeit ständig auf die Straße richten zu müssen. Zugleich verstören uns Nachrichten von Unfällen, in die autonome Fahrzeuge verwickelt sind. Sie schüren Zweifel an der Reife der Technologie und werfen legitime Fragen auf: Wie weit ist die wissenschaftliche und technische Entwicklung auf dem Weg zum autonomen Fahren tatsächlich? Stehen wir kurz vor der flächendeckenden Einführung oder bleibt das alles Zukunftsmusik?

„Der Stadtverkehr ist für autonome PKW, die eine normale Geschwindigkeit haben, kaum zu bewältigen.”

(Prof. Oliver Bendel)

Was gibt es schon?

Wer heutzutage ein neues Auto kauft, kann bereits verschiedenste Fahrerassistenzsysteme und teilautomatisierte Funktionen dazukaufen: Einparkhilfen, Tempomaten oder Abstandshalter. Sogar ein Fahrassistent für Staus oder Notbremsungen ist bereits erhältlich. In all diesen Fällen liegt die Verantwortung über das Fahrzeug jedoch weiterhin beim Menschen. Die Steuerung wird nur in definierten Situationen vom Fahrzeug übernommen.

Als autonome Fahrzeuge gelten Autos mit solchen Assistenzsystemen allerdings noch nicht. Sie gelten nach der international gängigen Definition als „teilautomatisiert“ – erreichen also erst die dritte von sechs möglichen Stufen auf dem Weg zum vollständig autonom fahrenden Automobil. Erwartet wird, dass die nächste Stufe, also das sogenannte „hochautomatisierte“ Fahrzeug, ab etwa 2020 marktreif ist. Diese Fahrzeuge sollen mit Autopiloten selbstständig auf Autobahnen fahren können. „Damit kann man die Spur und Abstand halten und ab und zu andere Autos überholen. Der Fahrer bleibt aber in der Verantwortung und darf sich nicht ablenken lassen“, sagt Prof. Raul Rojas, Leiter des Dahlem Center for Intelligent Systems an der FU Berlin.

Die 6 Schritte zum autonomen Fahren

Die Entwicklung des selbstfahrenden Autos wird von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Politikern in sechs Stufen eingeteilt. Diese Unterteilung beschreibt sowohl, welche Aufgaben das System selbst wahrnimmt, als auch, welche Anforderungen an den Fahrer gestellt werden. Während die erste Stufe als „Driver only“ beschrieben wird, ist erst bei der letzten Stufe – dem autonomen Fahren – keinerlei menschliches Eingreifen mehr erforderlich.

Erprobt werden derzeit auch Assistenzsysteme bei LKWs. Dabei wird eine LKW-Kolonne über Funk gekoppelt („Platooning“). Während im ersten LKW ein menschlicher Fahrer das Tempo vorgibt, folgen die anderen LKWs automatisch mit identischer Geschwindigkeit und konstantem Abstand. Im vergangenen Jahr haben sechs LKW-Hersteller diese Technik in einer Sternfahrt quer durch Europa nach Rotterdam demonstriert.

Als „vollautomatisierte“ Fahrzeuge werden derzeit bereits sogenannte „People Mover“ erprobt – kleine Busse, die zwar recht langsam, aber vollautomatisch Personen transportieren können. Die Deutsche Bahn testet im bayerischen Bad Birnbach seit Anfang Mai 2017 ein solches Transportmittel im öffentlichen Verkehr. Zuvor waren in einer geschlossenen Umgebung in Berlin erste Feldversuche unternommen worden.

„Das Hauptproblem im regulären Stadtverkehr sind andere Verkehrsteilnehmer, die sich nicht immer regelkonform verhalten.“

(Prof. Raul Rojas)

In Deutschland werden wir allerdings im regulären Stadtverkehr in naher Zukunft noch keine Autos mit Autopilot oder komplett autonom fahren sehen. „Der Stadtverkehr ist für autonome PKW, die eine normale Geschwindigkeit haben, kaum zu bewältigen. Sie müssten zu viele Objekte und Situationen analysieren und priorisieren. Es käme immer wieder einfach zum Stillstand des Fahrzeugs oder – durch Fehlinterpretationen – zu einem Unfall”, sagt Prof. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Dabei wird auch an der Realisierung des autonomen Fahren im Stadtverkehr bereits intensiv geforscht. In Braunschweig beispielsweise fährt bereits seit 2010 ein Auto des Instituts für Regelungstechnik dank verschiedenster Kameras, Laserscanner und Radarsensoren autonom durch die Stadt und ist bereits 22.000 Kilometer unfallfrei gefahren. Ein Fahrer sitzt nur zur Sicherheit hinter dem Lenkrad.

Wie arbeitet die Technik beim autonomen Fahren?

Kameras, Laserscanner und Radarsensoren bilden bisher wichtige Grundlagen für das autonome Fahren. Sie erfassen die Umgebung des Fahrzeugs; Computer simulieren diese anhand von GPS-Daten und durch Abgleich mit digitalen Straßenkarten. Die Computer ermitteln das bestmögliche Fahrverhalten für das Fahrzeug und sollen auf Veränderungen in der Umgebung innerhalb von Millisekunden reagieren können. Allerdings weist Oliver Bendel darauf hin, dass gerade in der Umweltsensitivität ein Risiko bestehen kann: „Die Sensoren können auf vielfältige Weise getäuscht werden.” Und: Auch wenn die Sensoren bereits in der Lage sind, Hindernisse wahrzunehmen und darauf kurzfristig zu reagieren, kommen diese schon bei schlechten Witterungsbedingungen und im unübersichtlichen Stadtverkehr schnell an ihre Grenzen. „Das Hauptproblem im regulären Stadtverkehr sind andere Verkehrsteilnehmer, die sich nicht immer regelkonform verhalten. Ihre Absichten müssen erkannt werden und genau das ist für Computer sehr schwierig“, so Raul Rojas.

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Vernetzte Autos

Für automatisierte und autonome Fahrzeuge ist die Vernetzung und Kommunikation des Fahrzeugs mit anderen Verkehrsteilnehmern besonders wichtig. So sollen nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Brücken oder Tunnel Informationen, wie zum Beispiel ein Stauende oder ein Hindernis, an andere Fahrzeuge weitergeben. Durch die fortschreitende Vernetzung entstehen aber zusätzliche Daten- und Informationsströme. Daher ist bei der Entwicklung dieser Technologien der Datenschutz von besonderer Bedeutung.

Ingenieure können zudem nicht jede erdenkliche Situation im Alltag programmieren. Das bedeutet, dass die eingesetzten Computer und Algorithmen viel schlauer werden müssen. Die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz versucht, Computern mit „maschinellem Lernen” beizubringen, wie sie Objekte richtig einordnen und die richtigen Strategien entwickeln können. Im Forschungsprojekt Cityscapes Dataset wurden 25.000 Bilder von zufälligen Verkehrssituationen in Städten ausgewählt. Der Computer sollte darauf 30 verschiedene Objektgruppen wie Fußgänger, Radfahrer, Verkehrsschilder oder Ampeln voneinander unterscheiden. Dabei funktionierte der sich selbst programmierende Algorithmus nach Angabe der Forscher so gut, dass selbst Fußgänger entdeckt wurden, die mit menschlichem Auge kaum sichtbar waren, weil sie nahezu komplett hinter parkenden Fahrzeugen verborgen waren.

„Es sollte gar keinen ausschließlich autonomen Verkehr geben. Er lässt sich kaum in die Praxis umsetzen. Es wird immer Hybride brauchen.”

(Prof. Oliver Bendel)

Vom Labor auf die Teststrecke

Die technischen Lösungen alleine reichen für einen Durchbruch des autonomen Fahrens noch nicht aus. Um sicherzugehen, dass ein autonomes Fahrzeug tatsächlich in jeder Situation die beste Fahrstrategie wählt, muss die Technologie in Testfahrten über Millionen von Kilometern erprobt werden. Genau hier ist ein Großteil der eingesetzten Techniken noch am Beginn der Erprobung. Einige Wissenschaftler warnen deshalb vor einer verfrühten Euphorie. Oliver Bendel ist der Ansicht: „Es sollte gar keinen ausschließlich autonomen Verkehr geben. Er lässt sich kaum in die Praxis umsetzen. Es wird immer Hybride brauchen.” Andere plädieren dafür, autonome Fahrzeuge – selbst wenn die Technik soweit erprobt ist – nur in geschlossenen Gebieten oder auf separaten Fahrspuren fahren zu lassen. Also zum Beispiel zuerst auf Flughäfen oder Firmengeländen. Die Revolution, die uns bevorsteht, ist also momentan vor allem eine theoretische. Die technischen Herausforderungen sind dabei aber nur eines von vielen Problemen in der Realisierung des autonomen Fahrens im Straßenverkehr, die überwunden werden müssen.

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Aktualisierung

Am 18. März 2018 kam es in Arizona zu einem Unfall eines überwacht automatisiert fahrenden Autos mit einer Fußgängerin, welche später ihren Verletzungen erlag. Eine Einschätzung der Unfallursachen und zu den Konsequenzen sowie weitere Hintrergründe finden sich in Expertenstatements des Science Media Centers.

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