Wie werden autonome Fahrzeuge unseren Alltag und unsere Stadt verändern?

Eine Zukunft voller autonomer Fahrzeuge

Zu den Visionen des autonomen Fahrens: Wie wird sich unsere Mobilität, unser Alltag und unsere Stadt verändern?

Während uns das Auto sicher und selbstständig von A nach B bringt, können wir entspannen und uns anderen Dingen widmen. Dieses Bild wird in der Diskussion um eine Zukunft mit autonomen Fahrzeugen oft vermittelt. Was wäre aber, wenn autonome Autos auch elektrisch fahren und daneben noch Carsharing in den Städten das Bild beherrscht? Könnte das die neue Form des öffentlichen Nahverkehrs werden? Und kennen wir dann Lärm- und Abgasbelästigung nur noch aus den Erzählungen der Alten?

„Die Vision ist, dass man durch die Elektrifizierung autonomer Fahrzeuge auf fossile Energieträger weitgehend verzichten kann und dass man wesentlich effektiver und effizienter Personen vor allem in Ballungsräumen transportieren kann.“

(Prof. Ortwin Renn)

Was ist realistisch?

Die Einführung von autonomen Fahrzeugen würde den Verkehr deutlich effizienter machen. „Werden die Fahrzeuge vernetzt und auf lange Sicht autonom unterwegs sein, werden die Unfälle rapide sinken und der Verkehrsfluss wird gleichmäßiger sein“, so der Soziologe und Mobilitätsforscher Dr. habil. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin. Allein in Deutschland entsprach die Strecke aller Staus 2016 dem 34-fachen des Erdumfangs. Autonome Fahrzeuge würden hingegen kaum Staus verursachen, wie neueste Studien vermuten lassen. Und zwar dank der Vernetzung untereinander und der jeweiligen computerbasierten rationalen Entscheidung der Fahrzeuge. Allerdings ist unklar, ob es in der Übergangszeit nicht doch zu mehr Staus auf den Straßen kommen könnte.

Auch Emissionen und den Energieverbrauch könnten autonome Fahrzeuge durch die defensive Fahrweise des Computers und den gleichmäßigen Verkehrsfluss deutlich reduzieren. Zudem werden autonome Fahrzeuge elektromobil sein. „Die Vision ist, dass man zum einen durch die Elektrifizierung autonomer Fahrzeuge auf fossile Energieträger weitgehend verzichten kann und dass man zum anderen wesentlich effektiver und effizienter Personen vor allem in Ballungsräumen transportieren kann“, so Prof. Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam.

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„In den innovativen kollektiven Verkehrsangeboten wie dem Carsharing und neuen Fahrzeugformaten zwischen Taxi und Standardbus liegen enorme Chancen des autonomen Fahrens.“

(Dr. habil Weert Canzler)

Autos für alle?

Auch ein zweites ständiges Ärgernis des Autofahrens ließe sich mit autonom fahrenden Fahrzeugen verbessern: Die oftmals leidige Suche nach einem Parkplatz. Autonome Fahrzeuge könnten diese selbstständig übernehmen. Bei Bedarf ließe sich das Fahrzeug in Zukunft zu jedem Zeitpunkt per App wieder heranrufen. Ein Traum für wohl jeden Autofahrer.

Doch weshalb sollte dieses intelligente Fahrzeug eigentlich von nur einer Person genutzt werden? In Städten wie Berlin oder Hamburg steht der Großteil der Fahrzeuge oft ungenutzt herum. Insbesondere „in den innovativen kollektiven Verkehrsangeboten wie dem Carsharing und neuen Fahrzeugformaten zwischen Taxi und Standardbus liegen enorme Chancen des autonomen Fahrens“, so Weert Canzler. Und auch für Prof. Raul Rojas, Leiter des Dahlem Center for Intelligent Systems an der FU Berlin, lässt sich die Idee des autonomen Fahrens mit dem Modell des Carsharings verbinden: „Autonome Fahrzeuge sind eigentlich Taxis, die Personen auf einer Strecke bewegen und bis zu 24 Stunden am Tag unterwegs sind“.

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Digitalunternehmen als neue Autobauer?

Diese Vision verfolgen Digitalunternehmen wie Tesla, Google oder Uber. Ihr Ziel ist es nicht, Autos zu produzieren und in möglichst großer Stückzahl zu verkaufen, sondern ihnen geht es um Mobilität und damit um gefahrene Kilometer. Wie groß die dafür genutzte Flotte ist, ist dabei weniger relevant. Dabei denken sie in neuen Dimensionen, frei von allem Etablierten und wollen so den gesamten Transportsektor revolutionieren. Für sie ist die zusätzliche Zeit interessant, um neue Service-Dienstleistungen anzubieten. Eine Studie vom Fraunhofer IAO zeigt, dass dieses Marktvolumen alleine in Deutschland mehrere Milliarden Euro im nächsten Jahrzehnt betragen könnte. Die deutschen Automobilbauer dürften die Vision der Digitalunternehmen von Mobilität wohl eher fürchten, gefährdet sie doch ihre Absatzzahlen und damit den Gewinn.

Kombiniert mit neuen Verkehrskonzepten wie dem Carsharing haben autonome Fahrzeuge auch das Potential, unsere Städte im großen Stil zu verändern. „Das sind Anwendungen, die verkehrspolitisch und stadtplanerisch sehr interessant sind“, so Weert Canzler. Gibt es in Berlin zur Zeit etwa 1,3 Millionen Fahrzeuge, würde bei integrierten Verkehrskonzepten bereits ein Flotte von 200.000 Fahrzeuge ausreichen. Die neuen Freiflächen durch wegfallende Parkplätze und deutlich weniger Verkehr könnten anderweitig genutzt werden. „In der Stadt der Zukunft sind die Straßen frei von geparkten Autos und es gibt mehr Platz für Passanten und zusätzliche Spuren für Fahrräder“, ist sich Raul Rojas sicher.

„Die Einführung von autonomen Fahrzeugen wird eine der wichtigsten strukturellen Transformationen der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts sein.“

(Prof. Raul Rojas)

Eine neue Stadt?

Welche Auswirkungen das Zukunftsszenario von autonomen Fahrzeugen und Carsharing hat, macht Prof. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz deutlich: „Wenn man es in den Städten zulassen würde, müsste man diese umbauen wie vor einem halben Jahrhundert. Wir müssten sie wieder an die Maschinen anpassen.“ Auch Raul Rojas hebt die Bedeutung für die Städte hervor: „Die Einführung von autonomen Fahrzeugen wird eine der wichtigsten strukturellen Transformationen der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts sein. Dadurch werden die Städte so tief wie in den ersten 50 Jahren des 20. Jahrhundert verändert werden, aber in eine Richtung, die mehr Lebensqualität in den Megapolis verspricht.“ Weniger Lärm und bessere Luft, lebenswertere Städte – das klingt verlockend! Doch werden wir in dieser Zukunft jemals landen?

 

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