„Die Gesundheit der Bienen ist eine geteilte Verantwortlichkeit“

Ein Gespräch mit Dr. Christian Maus

Sie arbeiten im Bee Care Center der Firma Bayer. Was ist die Aufgabe des Centers und woher rührt die Motivation?

Unser Bee Care Center, das mittlerweile seit fünf Jahren besteht, befasst sich mit allen Themen, die mit der Bienengesundheit sowie mit Bestäubern und Bestäubung, insbesondere in einem landwirtschaftlichen Kontext, zu tun haben. Unsere Tätigkeitsschwerpunkte liegen hierbei auf der wissenschaftlichen Forschung sowie auf dem Dialog mit der Öffentlichkeit.

Denn Bienen und andere Bestäuber sind in vielerlei Hinsicht von Bedeutung für Bayer: Sie sind für unsere Kunden, die Landwirte, unverzichtbar. Daher ist uns sehr daran gelegen, dass die Produkte, die wir vertreiben, mit der Tätigkeit der Bestäuber im Einklang stehen. Dazu greifen wir auch selbst auf die Aktivitäten von Bestäubern zurück, um unsere Produkte zu erzeugen, zum Beispiel in unserer Saatgutproduktion. Und schließlich stellt unser Bereich Tiergesundheit bereits seit über 30 Jahren Medikamente für Bienen her. Wir haben also aus verschiedensten Beweggründen ein vitales Interesse an den Bestäubern und ihrer Gesundheit.

„Wir sind nach wie vor von der Bienensicherheit der Neonicotinoide – sofern sie entsprechend den Anwendungsbestimmungen verwendet werden – überzeugt.“

Wie versuchen Sie im Bee Care Center einen Beitrag zur Gesundheit der Bienen zu leisten? An was genau forschen Sie momentan?

Wir betreiben im Moment etwa 30 wissenschaftliche Projekte. Die Projekte sind global aufgestellt und decken ein breites Spektrum ab, da auch die Thematik der Bienengesundheit breit gefächert und vielgestaltig ist. Dabei sind drei Schwerpunkte besonders relevant: Die Gesundheit der Honigbiene und Bekämpfung von Bienenkrankheiten und Schädlingen, die Ernährung der Bienen und Biodiversität der Bestäuber und schließlich der bienensichere Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Optimierung der Bestäubung von Kulturpflanzen. Mit diesen Projekten versuchen wir, unseren Beitrag dazu zu leisten, konkrete Verbesserungen für die Situation der Bestäuber und die Bestäubung von Kulturpflanzen herbeizuführen.

Die Pflanzenschutzmittel, die die Firma Bayer produziert stehen immer wieder in der Kritik, schädlich für Bienen und andere Insekten zu sein. Welche Studienergebnisse gibt es dazu?

Wie alle Pflanzenschutzmittel werden auch unsere Produkte sorgfältig und aufwendig auf ihre Umwelt- und Bienensicherheit getestet, daher gehen wir grundsätzlich davon aus, dass unsere Mittel sicher sind. In den letzten Jahren sind Bedenken hinsichtlich der Bienensicherheit der Neonicotinoide, einer wichtigen Klasse von Insektiziden, die teilweise von Bayer hergestellt werden, aufgekommen. Diese Bedenken beruhen allerdings hauptsächlich auf den Ergebnissen von Laborstudien oder anderen Studien, in denen Bienen unter unrealistischen Bedingungen und meist auch gegenüber massiv überhöhten, unrealistischen Konzentrationen der Mittel exponiert wurden. Dass Insektizide unter solchen künstlichen Bedingungen gegenüber Insekten Effekte hervorrufen können, ist nicht weiter erstaunlich.

Dies bedeutet allerdings nicht notwendigerweise, dass es auch unter realistischen Feldbedingungen zu tatsächlichen Schadeffekten käme. Dies wird unter anderem belegt durch zahlreiche Feldstudien, die unter realistischen Expositionsbedingungen durchgeführt wurden. In keiner dieser Studien, in der ein realistisches Expositionszenario in einem wissenschaftlich sinnvollem Testaufbau geprüft worden war, wurden Schadeffekte der Produkte auf Bienenvölker festgestellt. Ebenso wurde in den zahlreichen unabhängigen Monitoringstudien, die bisher in zahlreichen Ländern durchgeführt worden waren, keine systematische Korrelation zwischen dem Einsatz von Neonicotinoiden und einer geschwächten Bienengesundheit oder erhöhter Bienensterblichkeit festgestellt. Daher sind wir nach wie vor von der Bienensicherheit der Neonicotinoide – sofern sie entsprechend den Anwendungsbestimmungen verwendet werden –überzeugt.

„Neue und intelligente Anwendungstechniken und Behandlungskonzepte können in Zukunft dazu beitragen, die Exposition von Bestäubern gegenüber Pflanzenschutzmaßnahmen zu minimieren.“

Kann es wirksame Alternativen zu den bisher gebräuchlichen Pflanzenschutzmitteln geben?

Wir sind ständig bestrebt, unser Produktportfolio zu erneuern und neuartige Pflanzenschutzmittel zu entwickeln. Bei diesen Neuentwicklungen spielt die Bienenfreundlichkeit immer früher im Entwicklungsprozess eine immer wichtigere Rolle. Obwohl es vielversprechende neue Produkte gibt, muss auch gesagt werden, dass es derzeit keine Lösungen gibt, die das gegenwärtige Spektrum an Mitteln, die ja auch schon intensiv und umfangreich auf ihre Umweltsicherheit geprüft worden waren, vollumfänglich ersetzen könnte. Wo einzelne Produkte weggefallen sind (wie z.B. die Neonicotinoid-Saatbeizen in manchen Kulturen), wird beobachtet, dass die Landwirte zu weniger innovativen Mitteln (z.B. mehrfache Sprayanwendungen von Insektiziden) zurückgreifen müssen, wobei sich dann die Frage stellt, ob die allgemeine Umweltbilanz sich dadurch verbessert.

Zukünftige Innovationen für einen noch bienenfreundlicheren Pflanzenschutz sind übrigens nicht notwendigerweise auf den Bereich neuer Produkte beschränkt. Auch neue und intelligente Anwendungstechniken und Behandlungskonzepte, zum Beispiel im Bereich der Digitalen Landwirtschaft, können in Zukunft dazu beitragen, die Exposition von Bestäubern gegenüber Pflanzenschutzmaßnahmen zu minimieren.

„Leider ist die Diskussion zum Thema allzu oft emotional und von ideologischen und politischen Argumenten sowie Eigeninteressen geprägt.“

Glauben Sie, dass ein konstruktiver Dialog zwischen Industrie, Landwirtschaft und Umweltverbänden zu dem Thema Bienengesundheit möglich ist? Wie können ihrer Meinung nach gemeinsam verträgliche Lösungen gefunden werden?

Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher konstruktiver Dialog nicht nur möglich, sondern auch absolut notwendig ist. Die Gesundheit der Bienen ist eine geteilte Verantwortlichkeit der verschiedenen involvierten Interessengruppen, und wir können nur dann nachhaltige Lösungen finden, wenn hier alle zusammenarbeiten. Die Identifikation von verträglichen Lösungen setzt aber voraus, dass die Beteiligten zusammenkommen und die vorhandenen Daten und Datenlücken konstruktiv und ohne ideologische Scheuklappen diskutieren. Hierbei ist es wichtig, sich nicht auf einzelne Faktoren allein zu fokussieren, sondern die verschiedenen Einflussfaktoren in ihrer Gesamtheit abzuschätzen, und eventuelle Lösungsmaßnahmen auf ihren Nutzen, aber auch auf ihre möglichen negativen Konsequenzen hin zu analysieren und gegeneinander auszubalancieren. Am Ende muss es darum gehen, ein Gleichgewicht zwischen Pflanzenschutz, Bestäuberschutz und Naturschutz zu erzielen, wenn wir eine nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion wollen.

Inwieweit findet in Deutschland eine gesamtheitliche und ausgewogene Diskussion über das Bienensterben und deren Hintergründe statt?

Leider ist die Diskussion zum Thema allzu oft emotional und von ideologischen und politischen Argumenten sowie Eigeninteressen geprägt. Allerdings sehen wir in letzter Zeit auch vermehrt positive und ausgewogenere Ansätze, die sich wohl darauf zurückführen lassen, dass immer mehr Interessenvertreter erkennen, dass sich die bestehenden Probleme nicht durch Polarisierung und Konfrontation lösen lassen, und wir hoffen, dass sich zugunsten inhaltlicher Lösungen solche ausgewogeneren Sichtweisen immer mehr durchsetzen werden.

Zur Person

Der Biologe Dr. Christian Maus ist Global Lead Scientist bei der Bayer AG. In dieser Funktion beschäftigt er sich mit Themen, die mit dem Schutz von Bienen und anderen Bestäubern im Zusammenhang mit Pflanzenschutz und Landwirtschaft zu tun haben.

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