Im Artikel „Brauchen wir einen Einstellungswechsel?“ schließen sich Prof. Dr. Jörg Niewöhner von der Humboldt-Universität zu Berlin und Dr. Thomas Kirchhoff von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft einer ähnlichen Sichtweise an: Biodiversitätsschutz muss vom Menschen ausgehen – aus einer anthropozentrischen Perspektive, die sowohl instrumentelle als auch nicht-instrumentelle Werte von Natur berücksichtigt. Im westlichen Verständnis ist die Natur eine Ressource, die wir frei nutzen können. „Unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaftsform beruhen darauf, der Natur mehr zu entziehen, als sich regenerieren kann. Darauf fußt der Biodiversitätsverlust, den wir heute sehen“, sagt Niewöhner.
Biodiversität wird durch Umweltrecht, Bauplanungsrecht und sogar durch das Verfassungsrecht als Staatsziel garantiert und geschützt. Bisher aber nur als Rechtsobjekt. Das heißt: „Die Natur oder Tiere haben keine eigenen Rechte, die sie selbst oder Vertreter*innen für sie einklagen könnten“, sagt Prof. Dr. Jens Kersten von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er fordert daher eine „ökologische Revolution unserer Verfassungsordnung“, denn die bisherige Rechtsordnung im Bereich Ökologie sei zu statisch und werde den ökologischen Veränderungen nicht gerecht.
Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft schaut besonders auf die bevorstehende Biodiversitätskonferenz. Dort wird entschieden, ob internationale Datenbanken mit genetischen Informationen über Pflanzen, Tiere und Mikroben weiterhin frei zugänglich bleiben. Einige Länder des globalen Südens fordern Zugangshürden, da die verfügbaren Daten auf den Ressourcen der Länder basieren. Dr. Jens Freitag, Leiter der Geschäftsstelle des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung argumentiert: „Nur mit einem freien Zugang lassen sich globale Ziele wie die Gesundheitsvorsorge, Ernährungssicherheit und der Schutz der biologischen Vielfalt erreichen.“ Man braucht also eine Lösung, die beides berücksichtigt: sowohl den freien Austausch von Daten für die Wissenschaftsgemeinschaft als auch die Gerechtigkeit gegenüber den Völkern, denen diese Daten zu verdanken sind.
Auch Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sieht gespannt auf die Konferenz. Auf vorherigen Konferenzen beschlossene Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt wurden aus seiner Sicht nicht so umgesetzt wie erhofft: „Wir haben momentan wahrscheinlich noch viel höhere Aussterberaten als uns bekannt ist“, sagt Settele. Deshalb ist es herausfordernd, Schutzmaßnahmen umzusetzen. Settele betont aber, die Ziele der 15. Biodiversitätskonferenz gingen in die richtige Richtung. Auf der höchsten politischen Ebene fehle es jedoch immer noch an Engagement.