Warum ist es so herausfordernd, Maßnahmen zum Schutz von Biodiversität umzusetzen?
Das Artensterben betrifft große Zeiträume: Als Orientierung, ob eine Art als ausgestorben gilt, wird mitunter ein Zeitraum von Jahrzehnten herangezogen. Die aktuellen Aussterberaten sind somit veraltete Zahlen und entsprechen nicht der gegenwärtigen Situation. Das liegt in der Methodik begründet, daran lässt sich nicht viel ändern. Wir haben momentan wahrscheinlich noch viel höhere Aussterberaten als uns bekannt ist. Gleichzeitig macht dieser Zeitverzögerungseffekt es schwierig zu verfolgen, ob Maßnahmen erfolgreich sind. Es dauert, bis Systeme entsprechend reagieren.
Die Zusammenhänge in der Biodiversität sind sehr komplex. Was birgt das für Schwierigkeiten?
Im Gegensatz zum Klimawandel sind in der Biodiversitätskrise Kipppunkte sehr schwer festzustellen. Darunter versteht man Punkte, an denen irreversible Schäden für die Biodiversität und Ökosysteme entstehen – beispielsweise, wenn Arten aussterben. Diese Kipppunkte stellt man häufig erst fest, wenn es bereits zu spät ist. Das hat große Auswirkungen auf einzelne Arten und Ökosysteme. Eine weitere Schwierigkeit ist, wie Maßnahmen für den Biodiversitätsschutz finanziert werden können. Das wird auch bei der UN-Biodiversitätskonferenz zentral sein. Es braucht ein globales Finanzierungssystem. Naturschutzgebiete brauchen ein entsprechendes Management durch Personal. Das kostet Geld. Und nicht zuletzt: Artenvielfalt kann auch bedrohen, indem große Tierherden beispielsweise Agrarflächen zerstören. Die lokale Bevölkerung muss von dem Erhalt der Arten leben können. Auch das sollte mitgedacht werden. Deshalb ist der Dialog mit den betroffenen Menschen so wichtig. Aber das kostet eben Geld und vor allem Zeit.
Wie schätzen Sie die Zielsetzungen der 15. UN-Biodiversitätskonferenz ein, die im Dezember in Montreal stattfindet?
Das wird je nach Ziel unterschiedlich sein. Allgemein gehen die Ziele aber schon in die richtige Richtung. Sie sind sehr ambitioniert. Ich schätze, dass die Umsetzung voraussichtlich länger dauern wird, als man sich wünschen würde – wie bereits bei den Aichi-Zielen. Bei den bisherigen Zielen war es so, dass wir nur Teilziele erreicht haben. Ich vermute, dass dies auch bei den zukünftigen Zielen wieder der Fall sein wird. Dennoch sind Ziele wichtig – sie treiben uns an. Und diese Ziele in einem Konsensdokument festzuhalten, dass alle Regierungen unterzeichnen, ist eine wichtige Orientierung, um den Schutz von Biodiversität umzusetzen. Verschiedene zivilgesellschaftliche Akteur*innen können damit staatliche Handlungen einfordern und kontrollieren.
Was kommt Ihnen im öffentlichen und politischen Diskurs zu Biodiversität zu kurz?
Auf der höchsten politischen Ebene fehlt es immer noch an Engagement. Das sieht man daran, dass sich bei der UN-Biodiversitätskonferenz im Gegensatz zur gerade zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Ägypten keine Staatschefs angemeldet haben. Das macht deutlich, dass Biodiversität noch nicht hoch genug auf der politischen Agenda steht. National sind wir aber schon auf einem guten Weg beim Biodiversitätsschutz. Das Thema Insekten ist mittlerweile etwa viel präsenter bei den Menschen in Deutschland. Allgemein haben viele in den letzten Jahren verstanden, dass Naturschutz wichtig ist, gerade auch für uns Menschen selbst.