Wie erfolgen diese Übertragungen?
Durch Umweltveränderungen und insbesondere durch Entwaldung kommt es zu Veränderungen der Artengemeinschaften. Wir bringen Arten miteinander in Kontakt, die sich unter natürlichen Bedingungen niemals begegnet wären. So gelangen beispielsweise infizierte Flughunde in Gebiete, in denen sie Kontakte zu Vieh oder anderen domestizierten Tieren haben und übertragen Krankheitserreger, die für sie selbst ungefährlich sind, für den Menschen oder bestimmte Nutztiere aber nicht.
Weil der Flughund das bessere Immunsystem hat?
Er hat wie alle anderen Wildtiere auch ein auf sein Ökosystem angepasstes Immunsystem. In einem intakten Ökosystem lebt eine natürlich zusammengesetzte Artengemeinschaft mit einer hohen Vielfalt an Arten und Mikroben. Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Pilze und deren Wirte haben sich über Jahrtausende einander angepasst. Die Wirtstiere haben deshalb ein abwehrbereites Immunsystem und können mit den Krankheitserregern umgehen.
Sie erforschen zurzeit in Panama, welche Auswirkungen die Störung von Ökosystemen auf die Gesundheit von einzelnen Wildtieren hat. Wie gehen Sie dabei vor?
Wir untersuchen die Gesundheit und die Populationsentwicklung von Nagern, Beuteltieren und Fledermäusen in vier verschiedenen Lebensräumen: Einmal im unberührten Regenwald, ihrem eigentlichen Zuhause. Dann auf Inseln im Panamakanal, wo die Fläche des Lebensraumes zwar begrenzt ist, es aber keinen Zugang zu Menschen, Nutztieren und Haustieren gibt. Drittens in Waldfragmenten in der Agrarlandschaft – also Wäldern, die von Nutz- und Haustieren umgeben sind. Und zum Vierten schauen wir die Entwicklung dieser Arten in einem kommerzialisierten Wald, in Teakholzplantagen, an. Wir wollen wissen, wie sich die Gesundheit der Tiere in diesen unterschiedlich stark gestörten Ökosystemen unterscheidet.
Gibt es bereits ein Zwischenergebnis?
Die Artengemeinschaften verändern sich, sensitive Arten verschwinden. Mit zunehmender Störung reduziert sich die Vielfalt. Wir konnten zeigen, dass Umweltzerstörung die Infektionswahrscheinlichkeit von Wildtieren mit Krankheiten fördert. Hinweise darauf liefern Vireninfektionen, aber auch Darmbakterien. Wie beim Menschen steuert das Darmmikrobiom der Nager und Fledermäuse ihren Stoffwechsel, ihre Vitaminaufnahme und ist wichtig für ihr Wohlbefinden und ihre Immunabwehr. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass auch Rückinfektionen auftreten können und diese Erreger potenziell auch Menschen gefährden können.
Wie kommt es zum Verlust einzelner Arten?
Das Aussterben läuft nach bestimmten Regeln ab: Zuerst gehen die Populationszahlen jener Arten zurück, die wir als Spezialisten bezeichnen. Sie reagieren besonders sensitiv auf Störungen und können sich den veränderten Umweltbedingungen nicht anpassen. Gleichzeitig besetzen so genannte Generalisten die freiwerdenden ökologischen Nischen. Generalisten sind resilienter, anpassungsfähiger, können sich dadurch stark vermehren und in den gestörten Lebensräumen mit Nutz-, Haustieren und dem Menschen in Kontakt kommen. In Deutschland gehören Wildschweine zu diesen Gewinnern von Störungen. Dabei können sie Pathogene, für die sie selber eine angepasste Immunabwehr haben, auf andere Arten übertragen, die für uns Menschen, aber auch für andere Arten gefährlich werden können.