Bekannte Werkzeuge nutzen
Die Zielkonflikte in der Ernährungssicherung und im Schutz von Biodiversität sind zahlreich. Doch wie kann beides gelingen? Die beiden Wissenschaftler*innen sind sich einig: Das Ziel muss sein, möglichst hohe Erträge pro Fläche zu gewinnen, bei gleichzeitig minimalen Umweltauswirkungen. Rasche: „Es ist in den meisten Fällen besser, wenig Fläche intensiv zu nutzen, als mehr Fläche extensiv.“ Extensive Landwirtschaft umfasst auch den Ökolandbau. Auf Flächen, die ökologisch bewirtschaftet werden, gibt es zwar eine höhere Artenvielfalt, doch gleichzeitig ist der Ertrag pro Fläche geringer. „Das dient auf lokaler Ebene dem Artenschutz, doch es könnte global dazu führen, dass wir mehr importieren müssen und dadurch etwa Ökosysteme in den Tropen zerstört werden“, merkt Zabel an. Trotzdem hält er viele Elemente aus dem Ökolandbau für sinnvoll, die er mit technischen Mitteln kombinieren würde. „Der Grabenkampf zwischen Ökologie- und Technologiebefürworter*innen bringt uns hier nicht weiter. Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft kann durch verschiedene Methoden erreicht werden und wir brauchen das Beste aus verschiedenen Systemen.“
Dafür wünschen sich die beiden Forschenden auch eine differenzierte Debatte zur Risikobewertung der sogenannten grünen Gentechnik, auch mit der Genschere Crispr CAS. Das Erzeugen neuer Sorten mit dieser Technik ist in der EU seit 2018 verboten. Laut Livia Rasche bietet sie aber ein „enormes Anpassungspotential“. So sei es etwa möglich, die Erträge pro Fläche zu steigern und schnell an neue, ans Klima angepasste Sorten zu gelangen. Eine Studie der LMU München, an der auch Florian Zabel beteiligt war, kam zu dem Ergebnis, dass in Zukunft aufgrund der raschen Klimaveränderungen auf bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen neue Sorten benötigt werden.
Ohne Umstellung der Ernährung geht es nicht
Beide Wissenschaftler*innen betonen, dass diese Konzepte wahrscheinlich nur ausreichen werden, wenn wir unseren Umgang mit Lebensmitteln ändern. „Wir müssen weniger Lebensmitteln wegschmeißen, und zwar nicht nur individuell, sondern vor allem entlang der Wertschöpfungsketten“, sagt Florian Zabel. In Deutschland entstehen jedes Jahr bis zu 10 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle, die von Forschenden als vermeidbar eingestuft werden. Der zweite wichtige Punkt ist der Konsum tierischer Produkte. „80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird entweder für den Anbau von Tierfutter genutzt oder als Weideland“, so Zabel. „Hier haben wir den größten Hebel!“
Livia Rasche plädiert dafür, gerade in den westlichen Ländern tatsächlich nur so viele Kalorien zu essen, wie wir benötigen. Der durchschnittliche Kalorienverbrauch pro Kopf lag in Europa im Jahr 2019 bei knapp 3500 Kalorien – die Planetary Health Diet sieht dagegen nur einen durchschnittlichen pro Kopf Konsum von 2500 Kalorien vor. Für diese umweltverträgliche Ernährung müsste in Deutschland der Konsum von Fleisch und Zucker halbiert und der von Gemüse und Hülsenfrüchten verdoppelt werden. Rasche hat in einer Studie untersucht, welche Ernährung am besten für den Erhalt von Biodiversität ist und fasst zusammen: „Was für unseren Körper gesund ist, ist auch für den Planeten gut.“