Wäre es denn wünschenswert, wenn das Thema Cannabis weniger moralpolitisch behandelt werden würde?
Die Frage, ob Cannabis in Deutschland liberalisiert werden sollte, stellt sich aus der moralpolitischen Perspektive nicht. Es lässt sich aber schon sagen: Je weniger wertgeladen ein Diskurs ist, desto einfacher wäre eine deliberative Politik im Sinne einer möglichst guten Problemlösung. Eine Veränderung des status quo ist in Anbetracht der aktuellen Diskussion eher dann zu erwarten, wenn die moralischen Argumente in der Diskussion hinter andere Argumente zurücktreten würden.
Kann auch die Gesellschaft den Diskurs verändern? Immerhin kommen Konsumenten im Alltag immer häufiger mit Produkten, die CBD enthalten, in Kontakt.
Wir beobachten, dass ein gesellschaftlicher Wertewandel und eine Modernisierung oftmals zentraler Antrieb für einen moralpolitischen Wandel sind. Das gilt erst mal allgemein für viele der angesprochenen Politikfelder. Nach meiner Einschätzung haben wir in Deutschland sogar einen relativ breiten gesellschaftlichen Konsens Cannabis weniger restriktiv zu regulieren. Die Frage ist aber, wie man das Thema als Gesellschaft an die Politik artikuliert und ob es gelingt, es auf die politische Agenda zu setzen.
Welche Rolle hat die Wissenschaft bei moralpolitischen Themen? Könnte nicht gerade durch Studienergebnisse eine Entemotionalisierung der Diskussion herbeigeführt werden?
Das ist eine extrem spannende Frage. Denn die Idealvorstellung ist eine evidenzbasierte Politik – und da könnten wissenschaftliche Erkenntnisse enorm viel zu beitragen. Das Problem ist, dass Evidenz oftmals gar nicht so eindeutig ist und die Erkenntnisse sehr komplex sind. Demgegenüber möchte die Politik stets klare, leicht verständliche Botschaften haben. Das kann die Wissenschaft jedoch nur in den seltensten Fällen bieten. Für den Expertendiskurs liefert die Wissenschaft daher sicherlich wichtige Grundlagen, im allgemeinen Diskurs werden wissenschaftliche Erkenntnisse aber regelmäßig instrumentalisiert. Daher können wissenschaftliche Erkenntnisse zwar eine Mobilisierungsfunktion haben, aber die gesellschaftlichen Positionen verändert sie nur in den seltensten Fällen.