„Je früher und je häufiger Cannabis konsumiert wird, desto wahrscheinlicher ist eine Abhängigkeit.“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Christoph Möller

Wieso konsumieren Kinder und Jugendliche Cannabis?

Um verstehen zu können, warum Jugendliche Cannabis konsumieren, muss man sich die Grundproblematiken anschauen. Viele Jugendliche suchen im Konsum von Cannabis Entspannung, Anerkennung und die Möglichkeit, den Alltag zu vergessen. Dazu kommt, dass Cannabis konsumiert wird, weil es verfügbar ist und der Konsum als ein bestimmter Lifestyle beworben wird. Aktuell beobachten wir beispielsweise, dass die Debatte um die Legalisierung von Cannabis zu einer Zunahme des Cannabiskonsums unter Kindern und Jugendlichen führt. Gleichzeitig besteht beim Konsum von Cannabis die Gefahr, dass Jugendliche eine Sucht entwickeln.

Wie stark ist das Suchtpotential bei Jugendlichen?

Das Suchtpotential besteht insbesondere im psychischen und weniger im körperlichen Bereich. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass die Gehirn- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist. Die negativen Folgen des Cannabiskonsums bei Jugendlichen sind daher höher als bei Erwachsenen. Durch den Konsum von Cannabis kann diese Entwicklung gehindert werden und das Risiko, später süchtig zu werden, steigt. Je früher und je häufiger Cannabis konsumiert wird, desto wahrscheinlicher ist eine Abhängigkeit im fortschreitenden Alter. Dabei ist das Abhängigkeitsrisiko bei Personen die erstmalig Cannabis konsumieren bei 1 zu 10, bei täglichem Konsum liegt es bei 1 zu 3.

„Im körperlichen Bereich kann der Cannabiskonsum zu einer Zunahme von Lungen- oder Herz- und Kreislaufproblemen führen.“

Welche Schäden kann der Konsum von Cannabis verursachen?

Wenn Jugendliche regelmäßig oder sogar täglich konsumieren und sich somit immer weiter aus ihrem bestehenden Leben zurückziehen, leiden Erinnerungsvermögen und IQ darunter. Des Weiteren können Jugendliche auch Psychosen entwickeln. Im körperlichen Bereich kann der Cannabiskonsum zu einer Zunahme von Lungen- oder Herz- und Kreislaufproblemen führen. Auch die Todesrate ist bei Langzeitkonsumenten erhöht.

Wie sollte eine Cannabisabhängigkeit behandelt werden?

Wichtig ist es zu verstehen, dass bei den Süchtigen in der Regel eine Grunderkrankung vorliegt. Dabei gehen wir davon aus, dass die Droge im Sinne einer Selbstregulation, also eines Selbstheilungsprozesses, von den Jugendlichen eingesetzt wird. Das bedeutet wiederum, dass die Behandlung der Grundstörung im Fokus der Therapie steht. Mithilfe gruppen-, einzel- oder familientherapeutischer Angebote sollen die Jugendlichen behandelt werden. Weitere wichtige Bestandteile der Therapie sind die Sinnvermittlung sowie die Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben, in Schule, Ausbildung und alle weiteren jugendtypischen Aufgaben. Gemeinsam mit der Universität Hamburg haben wir eine Studie durchgeführt und alle Patienten eines Jahrgangs bei der Aufnahme, bei der Entlassung sowie ein Jahr nach der Entlassung untersucht. Bei 70 Prozent der Jugendlichen konnten wir erfolgreiche Verläufe vermerken – das sind sehr gute Ergebnisse.

„Ich spreche mich gegen eine Kriminalisierung und Marginalisierung von Konsumenten aus.“

Wie nehmen Sie die aktuelle Debatte zu Cannabis wahr und wie stehen Sie dazu?

Die Debatte um Cannabis findet derzeit auf der politischen Bühne statt. Doch richtig wäre es, eine medizinische Perspektive einzunehmen und bei der Zulassung von Cannabis als Medikament auf entsprechende Studien und Nachweise zu achten. Bei der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis genügt schon ein Blick ins Ausland um sich der möglichen Folgen einer Legalisierung von Cannabis bewusst zu werden: In Colorado hat die Freigabe von Cannabis zu einem Anstieg der Konsumentenzahl geführt.

In Deutschland haben wir Gesetze, die bei einem Eigengebrauch von etwa 6 bis 10 Gramm von einer Strafverfolgung absehen können. Ich spreche mich gegen eine Kriminalisierung und Marginalisierung von Konsumenten aus. Aber ich glaube auch, dass wir hier bestehende Gesetze haben, die entweder beibehalten oder ausgebaut werden können, ohne dass Cannabis direkt legalisiert werden muss.

„Ich plädiere dafür, dass wir die Debatte um die Legalisierung von Cannabis zum Anlass nehmen um eine kritische Denkwende bei den legalen Drogen Tabak und Alkohol anzustoßen.“

Befürworter der Cannabislegalisierung argumentieren oft, dass die legalen Drogen Alkohol und Tabak weitaus größere Schäden verursachen als die illegale Droge Cannabis. Was sagen Sie dazu?

Aus Sicht eines Kinder- und Jugendpsychiaters sind Alkohol und Tabak auch problematische Drogen. Beim Alkohol haben wir Todesfälle von über 70.000 und beim Rauchen sind es immer noch über 110.000 Personen, die an den Folgen des längerfristigen Konsums jährlich sterben. Das Problem ist dabei insbesondere, dass wir uns in Deutschland über EU-Richtlinien hinwegsetzen und weiterhin für den Konsum von Tabak und Alkohol werben. Falls es zu einer Legalisierung von Cannabis kommt, dann hätten wir neben Tabak- und Alkohol- möglicherweise auch Cannabiswerbung. Die Frage ist daher: Brauchen wir eine weitere legale Droge? Ich plädiere dafür, dass wir die Debatte um die Legalisierung von Cannabis zum Anlass nehmen, um eine kritische Denkwende bei den legalen Drogen Tabak und Alkohol anzustoßen. Cannabis sollte in diesem Zuge nicht legalisiert werden.

 

Zur Person

Prof. Dr. Christoph Möller ist Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult in Hannover und Honorar-Professor an der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Wenn Sie auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Problemen mit Cannabis sind, finden Sie unter https://cannabis-selbsthilfe.org finden Sie eine große Datenbank an Kliniken, Beratungsstellen und Angeboten.

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