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Jugenddroge Cannabis?

Über Zahlen, den Umgang mit Cannabis und Prävention

Cannabis ist die beliebteste illegale Droge in Deutschland. Das gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche. Und die Tendenz ist sogar steigend: Laut des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung haben fast sieben Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert – 2011 waren es noch unter fünf Prozent der Jugendlichen.

„Die negativen Folgen des Cannabiskonsums sind bei Jugendlichen höher als bei Erwachsenen.”

Prof. Dr. Christoph Möller, Jugendkrankenhaus auf der Bult

Zwar ist der Anteil der Cannabiskonsumenten in der Altersgruppe der 18 bis 25-Jährigen, die in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, mit 16,8 Prozent noch größer, doch „die negativen Folgen des Cannabiskonsums sind bei Jugendlichen höher als bei Erwachsenen”, sagt Prof. Dr. Christoph Möller, Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult in Hannover.

„Der entscheidende Punkt ist, dass die Gehirn- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist”, so Möller. Denn neben einer Einschränkung der Gehirnleistung, verdoppelt sich beim Cannabiskonsum auch das Risiko eine Angststörung zu entwickeln, wenn Jugendliche vor dem 16. Lebensjahr mit dem Cannabiskonsum beginnen. Und auch das Risiko einer Cannabisabhängigkeit steigt: Von allen Cannabiskonsumenten entwickeln ungefähr neun Prozent eine Abhängigkeit. Beginnt der Konsum in der Adoleszenz, steigt die Rate auf 17 Prozent und erhöht sich sogar auf 50 Prozent, wenn täglich konsumiert wird, so eine Studie vom Bundesgesundheitsministerium.

„Viele Jugendliche konsumieren Cannabis, weil sie sich dadurch abgrenzen wollen und gegen ihr Elternhaus aufbegehren.”

Dr. Bernd Werse, Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt

Warum Cannabis ungeachtet der erheblichen gesundheitlichen Risiken als Droge auch unter Jugendlichen so beliebt ist, begründet der Soziologe Dr. Bernd Werse mit dem Image von Cannabis als Droge: „Viele Jugendliche konsumieren Cannabis, weil sie sich dadurch abgrenzen wollen und gegen ihr Elternhaus aufbegehren.” Der Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt hat sich intensiv damit befasst, was die Motivation des Cannabiskonsums unter Jugendlichen ausmacht, und historische Parallelen gezogen. In den 1930er Jahren häuften sich in den USA rassistisch untermalte Anti-Cannabis-Kampagnen gegen die Bevölkerungsschichten, bei denen der Konsum besonders verbreitet war – mexikanische Einwanderer und die vornehmlich schwarze Bevölkerung aus der Jazz-Szene. Die Hippie-Bewegung griff den Cannabiskonsum in den 1960er Jahren wieder auf und setze damit die „Tradition“ des Konsums in stigmatisierten Bevölkerungsschichten fort. Das Konsumieren von Cannabis wurde zunehmend zum Symbol für Rebellion und das Aufbegehren der Jüngeren gegen die Elterngeneration. „Dieses Moment des Aufbegehrens hat sich bis heute weitertransportiert. Dabei spielt es eine besondere Rolle, dass Cannabis verboten ist“, sagt Werse.

Auch Christoph Möller ist der Meinung, dass der durch Cannabis vermittelte Lifestyle ein Grund für den Cannabiskonsum unter Jugendlichen sein kann. Er sieht zusätzlich, dass vor allem bei Suchtpatienten spezifische Gründe, wie beispielsweise fehlende Aufmerksamkeit im Elternhaus, der Auslöser für den Konsum von Cannabis sein können: „Wir gehen davon aus, dass die Droge im Sinne einer Selbstregulation, also eines Selbstheilungsprozesses, von den Jugendlichen eingesetzt wird”, sagt Möller. „Im Konsum von Cannabis suchen viele Jugendliche nach Entspannung, Anerkennung und der Möglichkeit, den Alltag zu vergessen.”

„Um ein Bewusstsein für die Risiken des Cannabiskonsums zu schaffen, brauchen wir einfach mehr Maßnahmen, die ganz unterschiedliche Gruppen von Cannabiskonsumenten ansprechen.”

Dr. Peter Tossmann, delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung GmbH

Doch der Konsum von Cannabis sorgt eben nicht nur für temporäre Entspannung, sondern kann auch insbesondere bei Jugendlichen zu gesundheitlichen Risiken führen. Aus diesem Grund ist gerade bei ihnen Präventionsarbeit besonders wichtig. Dr. Peter Tossmann, Psychologischer Psychotherapeut und Geschäftsführer der delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung GmbH, sagt: „Die Präventionsarbeit steht für mich genau an der Schnittstelle zwischen Beratung und Behandlung. Denn um ein Bewusstsein für die Risiken des Cannabiskonsums zu schaffen, brauchen wir einfach mehr Maßnahmen, die ganz unterschiedliche Gruppen von Cannabiskonsumenten ansprechen.”

Dabei werden üblicherweise zwischen drei unterschiedlichen Arten der Prävention unterschieden: Während die universelle Prävention die Gesamtbevölkerung ansprechen soll, werden bei der selektiven Prävention gezielt Risikogruppen adressiert. Die indikative Prävention wird dann eingesetzt, wenn es erste Indizien einer problematischen Entwicklung gibt. „Bei delphi erarbeiten wir unter anderem webbasierte Programme, die sowohl Angehörige als auch Patienten unterstützen und strukturierte Interventionen anbieten. Dabei handelt es sich nicht um einmalige Chat-Angebote, sondern um ein Programm, bei dem die Jugendlichen beispielsweise Aufgaben erledigen und Tagebuch führen müssen”, berichtet Peter Tossmann. „Es macht keinen Sinn, Prävention so zu organisieren, dass alle das gleiche bekommen. Präventionsarbeit muss auf die Zielgruppe zugeschnitten werden.”

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