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Legal, illegal – kaum einem egal

Über die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis

„Legalize it, don’t criticize it“ – mit diesem Lied besang einst der Reggaekünstler Peter Tosh die Vorteile von Marihuana. Von seiner Forderung, Cannabis vor allem für medizinische Zwecke zu legalisieren, war man damals im Jahr 1976 noch weit entfernt. So wurde Toshs gleichnamiges Album „Legalize it“ vier Jahre nach der Veröffentlichung von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert.

Wer heute in Deutschland die Legalisierung von Cannabis fordert, gilt hingegen längst nicht mehr als „Spinner“. Schließlich hat sich einiges bewegt: Cannabis ist für Schwerkranke auf Rezept vom Arzt erhältlich, seit 2005 gilt auch Toshs Lied nicht mehr offiziell als jugendgefährdend und selbst auf höchster politischer Ebene wird über eine bundesweite Legalisierung auch zum sogenannten „Freizeitkonsum“ diskutiert. Politiker der Grünen, der Linken und auch der FDP forderten bereits eine Ausweitung der Legalisierung.

„Cannabis ist heute faktisch an jeder Ecke zu kaufen und den Dealern ist es egal, wie alt die Käufer sind. In einem legalen Markt muss der Händler mit einem Entzug seiner Lizenz rechnen, wenn er an Minderjährige verkauft.“

Prof. Dr. Justus Haucap, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Dennoch gibt es nach wie vor viele Bedenken, die gegen eine Legalisierung der Droge sprechen. So warnen sowohl Politiker der Union und der SPD als auch einige Suchtmediziner vor den möglichen Auswirkungen, wenn Handel und Konsum von Cannabis legal werden würden. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie betont in einer Stellungnahme die gesundheitlichen Gefahren, denen insbesondere Jugendliche durch den Konsum von Cannabis ausgesetzt sind. Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, sieht die Gesundheit junger Menschen gefährdet: „Zahlen und Praxis belegen, dass Cannabis unter allen illegalen Drogen der Hauptgrund für ambulante und stationäre Suchtbehandlungen ist. Eine Dauerdiskussion über die Frage, wie man Erwachsenen den Zugang zu Cannabis bequemer machen kann, ist vor diesem Hintergrund völlig unangebracht. Wir müssen vielmehr die Frage beantworten, wie wir früher und effektiver an Cannabiskonsumenten herankommen, anstatt ihnen ständig den Weg zum Kiffen erleichtern zu wollen.“

Der Jugendschutz ist jedoch auch ein Anliegen derjenigen, die eine Legalisierung von Cannabis fordern. Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität sagt: „Cannabis ist heute faktisch an jeder Ecke zu kaufen und den Dealern ist es egal, wie alt die Käufer sind. In einem legalen Markt muss der Händler mit einem Entzug seiner Lizenz rechnen, wenn er an Minderjährige verkauft. Außerdem könnte man Regeln erlassen, die zum Beispiel Cannabisläden in der Nähe von Schulen verbieten. Je stärker wir versuchen, den illegalen Markt auszutrocknen, desto besser ist das für den Jugendschutz.“

„Einer der Hauptgründe des steigenden Konsums ist die Bagatellisierung von Cannabis. Die Suchtgefahr wird nicht mehr wahrgenommen.“

Prof. Dr. Gunnar Duttge, Georg-August-Universität Göttingen

Zahlen aus dem US-Bundesstaat Colorado, wo Cannabis seit 2012 legal auf dem Markt erhältlich ist, zeigten, dass der Konsum unter Teenagern rückläufig sei, so Haucap. Auch insgesamt könne man keine drastische Steigerung des Cannabiskonsums beobachten. In Kanada, wo seit vergangenem Jahr Cannabis legal erhältlich ist, ist jedoch die Zahl sowohl der jungen als auch der älteren Konsumenten über 45 seit der Legalisierung stark angestiegen. „Es wäre wichtig zu beobachten, ob das ein einmaliger Effekt oder ein dauerhafter Anstieg ist“, sagt Haucap. Ein Anstieg des Cannabiskonsums ist derzeit auch in Deutschland zu beobachten, trotz der fehlenden Legalisierung. „Einer der Hauptgründe des steigenden Konsums ist die Bagatellisierung von Cannabis. Die Suchtgefahr wird nicht mehr wahrgenommen“, sagt Prof. Dr. Gunnar Duttge von der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht an der Georg-August-Universität Göttingen. Justus Haucap sieht allein durch den Anstieg der Anzahl der Konsumenten keine Gefahr: „Wenn man sich die Statistiken anschaut, gibt es auch in Deutschland einen großen Teil von Gelegenheitskonsumenten. Gesundheitsschäden entstehen nicht bei Menschen, die das hin und wieder einmal probieren. Das Problem sind eher Dauerkonsumenten.“ „Natürlich trifft es nicht jeden, aber es handelt sich auch nicht nur um singuläre Einzelfälle“, meint wiederum Duttge. „Es gibt vergleichsweise viele Jugendliche, die den Absprung nicht schaffen. Das ist ein schleichender Prozess und irgendwann stellt man fest, dass man schon süchtig ist und dann wird es schwierig. Aber jeder glaubt daran, dass es ihm nicht passieren wird.“ Das Recht sei demnach ein geeignetes und unverzichtbares Mittel, Menschen rechtzeitig vorzuwarnen, so der Rechtswissenschaftler.

„Die finanziellen Vorteile für den Staat können nicht auf die Kosten der Gesundheit der Menschen gehen.“

Prof. Dr. Gunnar Duttge, Georg-August-Universität Göttingen

Eine weitere wichtige Rolle in der Legalisierungsdebatte spielen neben Jugend- und Gesundheitsschutz oft auch wirtschaftliche Argumente. Haucaps Institut hat Ende vergangenen Jahres im Auftrag des Deutschen Hanfverbandes in einer Studie den ökonomischen Nutzen einer Legalisierung von Cannabis errechnet. Mehr als zweieinhalb Milliarden Euro jährlichen Gewinns für den Staat erwarten die Wissenschaftler allein durch verschiedene Steuereinnahmen, das Sozialversicherungsaufkommen und eingesparte Polizeikosten. Dazu kommen eingesparte Kosten im Bereich der Justiz, die sich laut der Studie jedoch nicht zuverlässig erfassen lassen und nicht in die Rechnung eingeflossen sind. „Einer der wesentlichen ökonomischen Vorteile, die man sich von der Legalisierung erhofft, ist das Austrocknen des Schwarzmarkts. Die Steuereinnahmen sind eher ein angenehmer Nebeneffekt. Aktuell fließt mit dem Kauf von Cannabis viel Geld in die Hände von kriminellen Banden, die damit wiederum andere illegale Aktivitäten finanzieren. Das kann man schwer quantifizieren, aber es ist ein großes Problem”, sagt Haucap.

Während Haucap also durchaus Vorteile für die Legalisierung sieht, warnt Gunnar Duttge vor einer falschen Prioritätensetzung: „Die finanziellen Vorteile für den Staat können nicht auf die Kosten der Gesundheit der Menschen gehen. In unserer Rechtsordnung gibt es eine klare Priorisierung des Gesundheitsschutzes. Und natürlich gibt es massive Probleme durch den Schwarzmarkt, aber man muss das Übel da packen, wo es sich befindet, indem man polizeiliche Maßnahmen intensiviert und die internationale Zusammenarbeit in dem Bereich verstärkt.“ Er ist überzeugt, dass sich selbst bei einer Legalisierung ein Schwarzmarkt für Cannabisprodukte nicht beseitigen lasse, eben für solche Produkte, die nach wie vor nicht den legalen Richtlinien entsprächen oder stärker seien als erlaubt. „Natürlich wird es immer Schwarzmärkte geben“, sagt auch Haucap. „Aber die wären ein viel kleineres Problem als jetzt. Denn der Verbraucher zieht in der Regel ein Produkt vor, welches eine Qualitätskontrolle unterlaufen hat und keine gesundheitsgefährdenden Streckmittel enthalten könnte.“

„Wir sollten das nicht einfach weitere zehn Jahre so laufen lassen, sondern anfangen, den Markt vernünftig zu regulieren.“

Prof. Dr. Justus Haucap, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

In der allgemeinen Bevölkerung in Deutschland steigt die Akzeptanz von Cannabis in den vergangenen Jahren. Während bei einer Umfrage von Forsa von 2017 noch rund zwei Drittel gegen eine Legalisierung von Cannabis waren, kam eine Umfrage von infratest dimap aus dem Jahr 2018 zu dem Ergebnis, dass sich 46 Prozent für eine Legalisierung aussprechen. Das Institut stellte zudem eine Steigerung von sieben Prozent an Legalisierungsbefürwortern innerhalb eines Jahres fest. Diese Ergebnisse zeigen aber auch: Mit 52 Prozent ist mehr als die Hälfte der Deutschen nach wie vor gegen eine Legalisierung von Cannabis. Kaum einer enthielt sich in dieser Umfrage. „Die Politik sollte den Mut besitzen, dennoch möglichst schnell eine Legalisierung in die Wege zu leiten“, sagt Justus Haucap. „Das Verbot hat keine günstige Entwicklung geschaffen, insbesondere beim Jugendschutz haben wir momentan ein Problem. Wir sollten das nicht einfach weitere zehn Jahre so laufen lassen, sondern anfangen, den Markt vernünftig zu regulieren.“

Gunnar Duttge widerspricht dem: „Dieses gesamtgesellschaftliche Experiment sollten wir vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes nicht ausprobieren. Wir sollten den Menschen dagegen deutlicher vor Augen führen, was durch Cannabiskonsum passieren kann. Das Strafrecht sollte zudem mehr auf das Ziel ausgerichtet sein, eine therapeutische Intervention bei Cannabiskonsumenten zu erwirken.“ Dass es notwendige Regeln für den Cannabiskonsum braucht und auch eine weitere Erforschung der Droge notwendig ist, darin sind sich beide Wissenschaftler einig. Welches Recht dabei in Deutschland gelten soll, wird vorerst sowohl unter ihnen als auch gesamtgesellschaftlich weiter Gegenstand einer durchaus hitzig geführten und von vielen Faktoren bedingten Debatte bleiben.

 

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