Die erleichterte Anwendung in der Medizin könnte auch Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Betrachtung von Cannabis als Rauschmittel haben. „Vielleicht ändert sich der Diskurs über Cannabis durch ein immer stärker werdendes medizinisches Framing”, vermutet Knill. „Denn die Anwendungen in der Medizin könnten auch Akteure hervorbringen, die ein stärkeres ökonomisches Interesse vertreten und damit auch zu einer stärker wertneutralen Diskussion von Cannabis beitragen.”
Auch aktuelle Entwicklungen in anderen Ländern könnten den Diskurs in Deutschland beeinflussen. Denn international hat zuletzt ein merklicher Liberalisierungstrend von Cannabis eingesetzt. War 2014 Uruguay der weltweit erste Staat, in dem Cannabis legalisiert wurde, folgte Kanada im vergangenen Jahr. Und auch in anderen Staaten wird aktiv über eine Legalisierung diskutiert. So kündigte Neuseeland kürzlich an, 2020 ein Referendum über die Legalisierung abzuhalten und auch Luxemburg hat vor, den Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabis zu erlauben, auch wenn es noch nicht umgesetzt ist. „Aus der Diffusionsforschung wissen wir: Je mehr Staaten eine liberale Regelung übernehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Staaten mit verhältnismäßig restriktiven Regelungen nachziehen und auf die Liberalisierungsprozesse aufspringen”, sagt Knill.
Die Diskussion um eine mögliche Legalisierung von Cannabis bleibt weiterhin aktuell. Eine Debatte, die aus Sicht der Experten noch zu ideologisch und zu wenig wissenschaftlich geführt wird. „Momentan fehlt es insgesamt an einer differenzierten Berichterstattung zu Cannabis. Von der Politik würde ich mir eine weniger ideologisierte Debatte wünschen, aus der auch klare Vorgaben kommen, wie wir als Gesellschaft tatsächlich mit Cannabis umgehen wollen”, sagt Häuser.