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Chancen und Risiken von CO2-Speicherung

Stand der Forschung zu Sicherheit und ökonomischem Nutzen von Speichertechnologien

Ist Carbon Capture and Storage (CCS) ein sicherer Weg, um Deutschlands CO2-Ausstoß rasch zu senken? Oder sind die Gefahren und Kosten zu hoch? Die Chancen überwiegen, sagen Wissenschaftler*innen. Aber Risiken bleiben – wie bei vielen Technologien.

Prof. Dr. Frank Schilling ist einer der wenigen Wissenschaftler in Deutschland, der praktische Erfahrung mit einem CO2-Speicher gesammelt hat. Heute forscht der Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bis 2009 leitete Schilling das bislang einzige deutsche Pilotprojekt zur CO2-Speicherung im brandenburgischen Ketzin. Dort pumpten Wissenschaftler*innen vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in mehreren Phasen rund 67 Kilotonnen CO2 in 650 Meter Tiefe in den Boden.

Das Fazit war positiv: „Die Erkenntnisse von Ketzin sagen, dass CCS im Pilotmaßstab ohne große Risiken machbar ist“, sagt Frank Schilling. Doch der politische und gesellschaftliche Gegenwind und die vielen Bedenken gegen die Technologie bremsten deren Weiterentwicklung hierzulande aus. Nun, so kritisiert der Wissenschaftler, lote die Regierung nach dem St. Florians Prinzip Möglichkeiten aus, hier verursachte Treibhausgase im Ausland zu entsorgen. „Die entscheidende Frage ist doch, ob Deutschland bereit ist, den Müll, den es selber macht, selber zu entsorgen. Falls ja, kommen wir um CCS nicht herum“, sagt er. Ohne die Technologie werde Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. 

Dass CCS auch Risiken mit sich bringt, verschweigt der Karlsruher Forscher nicht. Kritiker*innen warnen vor unter der Erde oder dem Meeresboden austretendem CO2, einer Gefährdung des Trinkwassers oder gar der Gefahr von Erdbeben, sollte Kohlendioxid in bereits zu dichte Gesteinsschichten gepresst werden. Laut Schilling wären dann kleinere Erdstöße, vergleichbar mit einer vorbeifahrenden Straßenbahn, möglich.

Wenn man auf den Trinkwasserschutz achtet, lässt sich CCS verantwortlich und sicher betreiben. Die Gefährdungen durch die Risiken sind jedenfalls geringer als jene durch die Klimaerwärmung.“

Prof. Dr. Frank Schilling, Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie

Aus seiner Sicht überwiegen jedoch klar die Potentiale der Technologie. „Wenn man auf den Trinkwasserschutz achtet, lässt sich CCS verantwortlich und sicher betreiben. Die Gefährdungen durch die Risiken sind jedenfalls geringer als jene durch die Klimaerwärmung.“ Auch weil sich Kohlendioxid je nach Gesteinsschicht bei großem Druck und niedrigen Temperaturen mineralisiert und sich quasi selber abdichtet. Das haben Studien in Island gezeigt. „Je länger das CO2 im Boden speichert, desto geringer ist die Gefährdung von Schutzgütern“, so der Forscher.

Schilling spricht sich für eine Speicherung unter dem Meeresboden aus, so wie Norwegen es praktiziert. „Offshore könnten wir zeigen, wie es funktioniert“, sagt der Experte und nennt mehrere Gründe. Ein zentraler: „Der Untergrund an Land ist eine wertvolle Ressource. Wir sollten bei der Nutzung mit dem nötigen Respekt und der nötigen Demut herangehen.“ Sollten geringe Mengen an CO2 entweichen, könne das Meer sie problemlos aufnehmen, so Schilling. Zudem ist die gesellschaftliche Akzeptanz bei der Speicherung fernab von Siedlungen unter dem Meer vermutlich höher.

Nur: Das CO2 entsteht an Land, in großen Fabriken oder Heizkraftwerken. Dort muss es abgeschieden und zum Speicherort transportiert werden. Sobald das im großen Stil geschehen soll, reichen LKWs oder Schiffe nicht mehr aus. Man braucht ein Pipelinenetz ähnlich dem für Erdgas, eine beträchtliche teure neue Infrastruktur und ein engmaschiges Überwachungssystem. Der Wissenschaftler hält das für machbar und wirtschaftlich zugleich. Denn die Kosten für Emissionszertifikate, die Unternehmen stattdessen für das von ihnen verursachte CO2 kaufen müssten, werden voraussichtlich weiter steigen. Da amortisieren sich auch hohe Investitionen in CCS-Anlagen.

„Zur Sicherheit der Lagerstätten, ob unter dem Meeresboden oder an Land, fehlen derzeit noch langfristige Studien.“

Dr. Susanne Dröge, Leiterin der Abteilung Klimaschutz und Energie am Umweltbundesamt

Dr. Susanne Dröge leitet die Abteilung Klimaschutz und Energie beim Umweltbundesamt in Dessau (UBA). Die Ökonomin gießt etwas Wasser in den Wein der CCS-Begeisterung. Das UBA weist unter anderem auf Risiken für das Grundwasser durch Leckagen von CO2 hin. Es sei eben nicht komplett auszuschließen, dass CO2 aus unterirdischen Speichern in das Grundwasser gelangt oder dafür sorgt, dass durch chemische Reaktionen im Untergrund andere unerwünschte Stoffe freigesetzt werden. „Zur Sicherheit der Lagerstätten, ob unter dem Meeresboden oder an Land, fehlen derzeit noch langfristige Studien.“ Die langfristigen Prozesse in den Speicherstätten müssten auch zum Schutz der Böden, des Trinkwassers und der Meere weiter beobachtet werden. Auch, so Dröge, um die Haftung für langfristige Auswirkungen zu klären. Derzeit geht die Haftung laut einer EU-Richtlinie nach 40 Jahren vom Betreiber des Speichers auf den Staat über. Noch aber fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse über einen so langen Zeithorizont. Das Pilotprojekt in Ketzin beispielsweise wurde nur vier Jahre lang nach seinem Abschluss auf Leckagen überwacht und danach für sicher befunden. „Was passiert, wenn Schäden im 41. Jahr auftreten?“ gibt Susanne Dröge zu bedenken.

Frank Schilling hält den Zeithorizont für mit Bedacht gewählt. Nach 40 Jahren wisse man genauer, wie groß die verbleibenden Risiken seien, sie nähmen bei gespeichertem CO2 mit den Jahren ab. Zudem müsse der Betreiber der Speicher Rückstellungen für potentielle Auswirkungen bilden.

„Der zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung des CO2 in Industrieanlagen, den Transport und die Speicherung ist problematisch.“

Dr. Susanne Dröge, Leiterin der Abteilung Klimaschutz und Energie am Umweltbundesamt

Neben Umweltrisiken geht es auch um die Frage, wie viel Energie und finanzielle Mittel die CCS-Anlagen verschlingen. „Der zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung des CO2 in Industrieanlagen, den Transport und die Speicherung ist problematisch“, so Susanne Dröge. Derzeit kostet es zwischen 40 und 300 Euro pro Tonne, CO2 direkt an den Quellen abzufangen. Diese Methode ist damit immerhin weit günstiger, als das Gas mittels Direct Air Capture (DAC) fernab von der Quelle aus der Atmosphäre zu saugen. Dafür nennen Expert*innen Kosten von rund 600 US-Dollar pro Tonne CO2,  auch weil die CO2-Konzentration in der Luft bei nur etwa 0,04 Prozent liegt. Im großen Maßstab ist diese Technik also noch nicht einsetzbar. „Um ein Prozent der globalen Emissionen rauszuholen, bräuchten wir 250.000 Anlagen“, erklärt Christoph Gebald, Geschäftsführer bei Climeworks, einem der Vorreiter der Luftfiltersysteme.

Die deutschen Unternehmen der Zement- und Chemieindustrie stehen nun für die Zukunft also vor der Entscheidung, in Abscheidungsanlagen und Speicher zu investieren oder ihre Emissionen mit Zertifikaten, wie sie Climeworks verkauft, auszugleichen. „Ob sich die Investitionen für die Industrie rechnen, hängt von den regulatorischen Kosten, der Transportinfrastruktur, den Speichern und dem CO2-Preis ab“, erklärt Susanne Dröge. Wenn die Preise weiter steigen, könnten sich teure CCS-Anlagen für die Unternehmen durchaus rentieren. Soweit die rein ökonomische Betrachtung. Aber: „Sie investieren in eine technische Lösung, nicht in eine Reduzierung ihrer Emission.“ Die aber ist das langfristige Ziel der Energiewende. „CCS ist keine dauerhafte Klimalösung“, betont Susanne Dröge. Die erfordert vielmehr eine Abkehr von fossilen Brennstoffen. Die Priorität sollte also sein, das CO2 wo immer möglich erst gar nicht entstehen zu lassen. Dröge fürchtet, dass hier der Ehrgeiz der Unternehmen nachlassen könnte, denn wenn Unternehmen teure Anlagen zur CO2-Abscheidung bauen, sollen sich diese langfristig amortisieren. Daher verlangen sie vom Staat Planungssicherheit. „Die Gefahr besteht, dass Investitionen in CCS die energieintensiven Unternehmen der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie aus der Pflicht nehmen, sich neu aufzustellen“, sagt die Ökonomin.

„Wir sollten sofort daran gehen, Schritt für Schritt große Demonstrationsvorhaben in Deutschland umzusetzen.”

Prof. Dr. Frank Schilling, Professor für Technische Petrophysik am Karlsruher Institut für Technologie

Doch die Zeit drängt. „Wir brauchen neue Ansätze, um die Probleme zu lösen“, sagt Frank Schilling. Er denkt bereits an Synergien der CCS-Technik. Warum sollte man nicht die Prinzipien der Geothermie für die CCS-Speicherung nutzen? Die Zukunft liegt darin, das CO2 nicht nur loszuwerden, sondern weiter zu nutzen wie warmes Wasser aus der Tiefe zum Heizen. Sein Vorschlag: Man könnte unterirdische Hohlräume in der Tiefe mit dem Kohlendioxid füllen, das sich dort erwärmt und wieder nach oben gepumpt wird, so wie heute warmes Wasser. Im Vergleich zu Wasser sei CO2 sogar der bessere Trägerstoff.  Aufgewärmt treibt das Gas quasi von selbst wieder an die Oberfläche und braucht dazu kaum Pumpleistung.

Die neue Debatte um CCS hat der Forschung Auftrieb gegeben. Schilling plädiert dafür, die Potentiale für Deutschland nun rasch auszuloten: „Wir sollten sofort daran gehen, Schritt für Schritt große Demonstrationsvorhaben in Deutschland umzusetzen.”

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