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„Eine Kommunikationsstrategie reicht nicht, um Unterstützung vor Ort zu gewinnen“

Psychologin Dr. Elisabeth Dütschke über Einstellungen der Deutschen gegenüber Technologien zur CO2-Speicherung und zu CO2-Abscheidung und -Weiterverwendung

Die Diskussion um Technologien zur Speicherung oder Weiternutzung von CO2, beispielsweise aus Abgasen bei der Stahlproduktion, gewinnt an Fahrt. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass der Klimawandel ohne diese so genannten CCS- und CCU-Techniken nicht mehr zu stoppen ist. Wie steht es um die Einstellung der deutschen Bevölkerung zu diesen Technologien?

Genau wissen wir das nicht. Klar ist aber: Es gibt Unterschiede zwischen den Einstellungen zur Speicherung und jenen zur Weiterverwertung. CCU-Techniken – also die Weiterverwendung von CO2 – werden positiver gesehen, weil es nützlicher scheint. CO2-Speicherung wird kritischer gesehen.

Inwiefern?

Die meisten Studien zu dieser Frage sind rund zehn Jahre alt. Damals waren die Deutschen auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr skeptisch. Gefragt wurde beispielsweise: Ist die Speicherung sicher? Kann sie Erdbeben auslösen? Ist sie eine Gefahr für das Grundwasser? Außerdem wurde die Technologie damals im Zusammenhang mit der Kohleverstromung diskutiert – und die wurde insgesamt kritisch gesehen, weil man sich auch vor zehn, fünfzehn Jahren gefragt hat, ob Kohlekraftwerke noch der richtige Weg sind.

„So wird die Weiternutzung von CO2 im Zusammenhang mit einer Dekarbonisierung der Industrie positiver wahrgenommen als im Zusammenhang mit Kohlekraftwerken.“

Wovon hängt die Einstellung von Menschen gegenüber einer neuen Technologie ab?

Je näher, größer, auffälliger ein Projekt oder eine entsprechende Industrieanlage ist, desto skeptischer sind Menschen. Zudem spielen persönliche Eigenschaften eine Rolle: Wie technologieaffin ist jemand? Wie groß ist das Vertrauen in Technik allgemein? Wie groß ist das Vertrauen in die Personen, die diese Technologie vorantreiben? Und nicht zuletzt ist der größere Kontext von Bedeutung: So wird die Weiternutzung von CO2 im Zusammenhang mit einer Dekarbonisierung der Industrie positiver wahrgenommen als im Zusammenhang mit Kohlekraftwerken.

Lässt sich das Maß an Vertrauen beeinflussen?

Positive Auswirkungen hat in jedem Fall eine gewisse Vertrautheit mit einem Thema. Nicht jede*r Bürger*in muss sich detailliert mit CCS-Technologien auskennen. Wichtig ist, dass man schonmal davon gehört hat und weiß, dass es Pilotprojekte gibt und daran geforscht wird. Außerdem ist eine gesellschaftliche Debatte zentral, in der Umweltverbände genauso zu Wort kommen wie die Industrie, die Politik oder die Wissenschaft. Wer möchte, sollte sich ein Bild machen und mitreden können, wo wir hinwollen. Zum Beispiel: Wollen wir in Deutschland speichern? Oder wollen wir nur CO2 abscheiden und es dann ins Ausland transportieren? Wie sollen CCS und CCU eingebunden werden in weitere Klimaschutzstrategien?

„Die Debatte muss auf unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ebenen geführt werden und mit offenem Ausgang.“

Wie sollten Politik und Forschung mit Unsicherheiten umgehen? 

An die Politik gerichtet: Es wäre gut, CCS- und CCU-Pilotprojekte in Deutschland zu haben. Auch, um hier vor Ort Forschung zu betreiben, die dann wiederum diskutiert wird. Momentan ist es ja eine rein theoretische Diskussion. Außerdem: Die Debatte muss auf unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ebenen geführt werden und mit offenem Ausgang.

Und was wünschen Sie sich von Forschenden?

Wissenschaftler*innen sollten erklären, wie sie zu ihren Folgerungen kommen und auch, was sie noch nicht wissen. Das erwarten die Menschen von ihnen. Um glaubwürdig zu sein, ist es immer wichtig, dass die eigenen Argumente zu den jeweiligen Akteuren passen. Das ist auch für die Industrie wichtig. Es macht eher stutzig, wenn Industrievertreter*innen vor allem argumentieren, sie wollten die Umwelt schützen. Jede*r weiß ja, dass Unternehmen Geld verdienen wollen.

Brauchen wir mehr Bürgerbeteiligungsprozesse, um die Gesellschaft für neue Technologien zu gewinnen?

Vor Ort, wenn Projekte umgesetzt werden, ist es wichtig, Bürger*innen einzubinden. Zum Beispiel, wenn man einen Pilotspeicher plant. Im brandenburgischen Ketzin ist das vor Jahren gut gelungen: Die federführenden Wissenschaftler*innen vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) haben von Beginn an eng mit örtlichen Institutionen wie der Feuerwehr oder dem Bürgermeister zusammengearbeitet, Tage der offenen Tür und Infoveranstaltungen für Bürger*innen organisiert.

„Eine Kommunikationsstrategie reicht nicht, um die Unterstützung vor Ort zu gewinnen.“

Andere Pilotprojekte in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind zu der Zeit gescheitert…

Vattenfall wollte östlich von Berlin eine Region geologisch erkunden, um zu prüfen, ob dort eine CO2-Speicherung möglich wäre, in Schleswig-Holstein hat RWE das gleiche versucht und in Sachsen-Anhalt wollte das Unternehmen Gaz de France einen ehemaligen Erdgasspeicher als Pilotspeicher betreiben. Alle drei Projekte sind wegen massiven Widerstands aus der Bevölkerung gestoppt worden. Seither gab es keine Anläufe mehr für neue CCS- oder CCU-Projekte.

Woran lag’s?

Die Kommunikationskampagne beispielsweise von Vattenfall war im Grunde gut: Es gab ein Informationsbüro, eine Telefonnummer, wo man anrufen konnte. Eine Rolle spielte sicherlich, dass es sich hier – wie bei RWE und Gaz de France – um einen Akteur handelt, dem die Menschen nicht das gleiche Vertrauen entgegengebracht haben, wie Wissenschaftler*innen einer Forschungsorganisation. Eine super Kommunikationsstrategie reicht dann einfach nicht, um die Unterstützung vor Ort zu gewinnen.

Zur Person

Dr. Elisabeth Dütschke ist Leiterin des Geschäftsfelds Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Sie forscht unter anderem zur gesellschaftlichen Einstellung zu CCS.

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