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Was wir über mRNA-Impfstoffe wissen

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Carlos A. Guzmán

Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe?

mRNA-Impfstoffe werden von den Zellen des Körpers aufgenommen. Die fremde mRNA, die zum Beispiel für ein Protein eines Virus kodiert ist, gelangt dabei in das Zytoplasma der Zelle. Daraufhin produzieren die Zellen das entsprechende Erreger-Protein. Gelangt dieses Protein in den Körper, ist das Immunsystem in der Lage, Antikörper gegen den Erreger zu entwickeln. Diese wiederum können einer Virusinfektion vorbeugen beziehungsweise diese hemmen. 

„Tatsache ist, dass die mRNA eines Impfstoffes kaum Einfluss auf die Änderungen im humanen Genom hat.“

Manche Menschen sind besorgt, dass mRNA-Impfstoffe das Erbgut verändern könnten. Wie fundiert ist diese Sorge?

Tatsächlich findet im Körper die sogenannte Transmobiliserung statt. Darunter versteht man einen Prozess, bei dem jedes beliebige in einer Zelle vorhandene RNA-Molekül – egal ob eigens produziert oder exogen, das heißt beispielsweise durch Coronaviren oder irgendeinen anderen Virus, dem wir regelmäßig ausgesetzt sind, oder eben von einem mRNA-Impfstoff hineingebracht – in DNA umgeschrieben werden kann. Aber dieser generelle Prozess findet nur in wenigen Zelltypen und nur unter bestimmten Bedingungen statt, beispielsweise in Keimzellen oder bei der Bildung von Tumoren oder Embryonen, und ist sehr ineffizient. In den Zellen, in die nun durch eine Impfung das mRNA-Molekül gelangt, finden diese Vorgänge hingegen in der Regel nicht statt. Sollte aber dennoch der hypothetische Fall auftreten, dass ein mRNA-Molekül des Impfstoffes in einer Zelle präsent ist, in der eine Transmobilisierung stattfinden kann, wäre die Impfstoff-mRNA nur eines von hunderttausenden zellulären mRNA-Molekülen, bei dem es theoretisch zu einer Umwandlung kommen kann. Tatsache ist, dass die mRNA eines Impfstoffes kaum Einfluss auf die Änderungen im humanen Genom hat, da die angesprochenen Mechanismen bereits in Abwesenheit des Impfstoffes stattfinden und ein mRNA-Impfstoff solche Mechanismen nicht beeinflussen kann.   

An mRNA-Impfstoffen wird schon länger geforscht. Inwieweit wurden sie bereits am Menschen getestet?

Vor einigen Jahren wurden mRNA-Impfstoffe gegen die Grippe beispielsweise schon im Rahmen von klinischen Studien an Proband*innen getestet. Außerdem gab es in der Vergangenheit bereits Studien in der Krebsforschung, bei denen eine Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen gegen Tumore getestet wurde. Die Methode wurde also durchaus bereits bei Menschen angewendet. 

„Für die beiden Corona-Impfstoffe erfolgte eine vorläufige Zulassung mit Auflagen. Aufgrund der Notsituation, erfolgte diese bereits vor dem Abschluss der Phase-3-Studie.“

Wurden die mRNA-Impfstoffe gegen Corona bereits ausreichend am Menschen getestet?

Bei der Entwicklung eines Impfstoffes ist vor allem entscheidend, was in der Phase-3-Studie passiert. In dieser Phase geht es darum, die Wirksamkeit des Impfstoffes an einer repräsentativen Gruppe von Menschen zu testen. In der Regel werden Impfstoffe in dieser Phase etwa an 5.000 bis 6.000 Proband*innen, teilweise an bis zu 8.000 Proband*innen, getestet. Bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen wurden diese von BioNTech/Pfizer und Moderna jeweils an rund 15.000 bis 20.000 Menschen getestet. Für die beiden Corona-Impfstoffe erfolgte eine sogenannte „Conditional Marketing Authorization”, also eine vorläufige Zulassung mit Auflagen. Aufgrund der Notsituation, erfolgte diese bereits vor dem Abschluss der Phase-3-Studie, aber „nur“ weil die Qualität der Impfstoffe gesichert ist und bereits ein klarer Hinweis über deren Sicherheit und Wirksamkeit vorgewiesen werden konnte – längere Studien und damit ein fundiertes Wissen über die Langzeitwirkung der Impfstoffe fehlen in dem Falle allerdings noch, ebenso wie Information über sehr seltene Nebenwirkungen (zum Beispiel eine*r in 50.000 oder 500.000), wie sie bei allen neuen Impfstoffen beobachtet werden können.  

Was unterscheidet eine vorläufige und eine reguläre Zulassung?

Zu einer regulären Zulassung kann es in der Regel nur nach Beendigung der klinischen Phase-3-Studie kommen, wenn es ausreichend verfügbare Informationen über die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit gibt. Bei einer vorläufigen Zulassung wird man durch die geringe Beobachtungszeit der Proband*innen natürlich nicht in der Lage sein, Aussagen darüber zu treffen, wie lange die Wirksamkeit und der Schutz gegen eine Erkrankung beziehungsweise eine Infektion anhalten. Außerdem lässt sich noch schwer sagen, ob und inwiefern geimpfte Menschen das Virus übertragen können oder ob der Impfstoff auch noch einen Schutz nach einem zweiten oder dritten Kontakt mit SARS-CoV-2 bietet. Auch mögliche seltene Nebenwirkungen lassen sich erst nach einer gewissen Laufzeit der Impfungen feststellen. Aber Nebenwirkungen treten für gewöhnlich innerhalb von vier bis sechs Wochen nach einer Impfung auf. Das alles sind Dinge, die wir in den kommenden Monaten herausfinden werden. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Anzahl an Proband*innen in den Phase-3-Studien wissen wir aber bei den Corona-Impfstoffen mehr, als wir bei anderen Impfungen nach vergleichbarer Zeit gewusst haben. 

„Was die mRNA-Impfstoffe gerade in der Coronapandemie so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass man sie im Vergleich zu Impfstoffen auf Basis von inaktivierten Viren oder Proteinen relativ schnell entwickeln und produzieren kann.“

Obwohl schon länger an mRNA-Technologien geforscht wird, wurde erst jetzt ein mRNA-Impfstoff zugelassen. Warum?

Für jede neue Technologie braucht man erst einmal Zeit, das war auch bei der Entwicklung und Zulassung der mRNA-Impfstoffe der Fall. Im Vergleich zu einigen etablierten Impfstoffen (zum Beispiel gegen Grippe oder Tetanus) lässt sich bei mRNA-Impfstoffen eine erhöhte Reaktogenität feststellen: Das bedeutet, dass die mRNA-Impfstoffe ein erhöhtes Risiko für weniger gravierende Nebenwirkungen mit sich bringen. Dabei reden wir allerdings nur von kleinen Unannehmlichkeiten, wie beispielsweise grippeähnlichen Symptomen (Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost) oder vorübergehenden Schmerzen an der Injektionsstelle. Was die mRNA-Impfstoffe gerade in der Coronapandemie so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass man sie im Vergleich zu Impfstoffen auf Basis von inaktivierten Viren oder Proteinen relativ schnell entwickeln und produzieren kann. So ist eine schnellstmögliche Bekämpfung des Virus und gegebenenfalls eine Adaption an neue Virusvarianten möglich. 

 

Zur Person

Prof. Dr. Carlos A. Guzmán ist Leiter der Abteilung Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und außerplanmäßiger Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover

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