Glauben Sie, dass die aktuelle Pandemie das Potential hat, das Verhältnis von Mensch und Natur zu überdenken?
Ich wage zu bezweifeln, dass der Effekt wirklich nachhaltig ist. Denn häufig ist der Druck, etwas zu ändern, deutlich geringer, wenn die Krise erst einmal überstanden ist. Aber so schlimm die aktuelle Pandemie in all ihren Facetten auch ist, hoffe ich, dass dadurch jedem klar wird, was ein Ausbruch einer neuartigen und leicht übertragbaren Krankheit mit sich bringt und welche Folgen dies hervorrufen kann. Meine große Hoffnung ist, dass uns der Zusammenhang zwischen Zerstörung von Ökosystemen, einschließlich dem Handel mit Wildtieren und der Globalisierung, und der Entstehung von Pandemien als Gesellschaft bewusst wird und wir etwas dagegen tun, damit vergleichbare Epidemien nicht wieder passieren.
Sie forschen vor allem an Stechmücken. Haben Sie Erreger gefunden, die ein ähnlich verheerendes Potential besitzen wie der aktuelle SARS-CoV-2-Erreger?
Erreger mit vergleichbaren Potential sind generell extrem selten und hat es bisher kaum gegeben. Allenfalls sind die vier pandemischen Influenza Varianten zu nennen. Durch Stechmücken übertragenene Erreger stellen allerdings auch ein großes Problem für die weltweite Gesundheit dar. So treten jährlich ca. 100-400 Millionen Infektion mit Dengue und ca. 200 Millionen Malariainfektionen auf. Wir hatten vor einiger Zeit einen interessanten Befund, der in die jetzige Thematik sehr gut passt und zeigt, wie das Eindringen des Menschen in intakte Ökosysteme die Ausbreitung von Infektionskrankheiten bedingt. Und zwar haben wir im südlichen Mexiko ein Vorläufervirus von einem Virus gefunden, welches ab 1933 in Nordamerika auftauchte und sich über Jahre in Nordamerika ausgebreitet hat und immer wieder Ausbrüche mit Fieber und Enzephalitis verursachte. Bis zu unserem Befund, war nicht klar, woher das Virus eigentlich kam. Mittels phylogeographischen Untersuchungen konnten wir dann modellieren, wie die Ausbreitung des sogenannten St. Louis Enzephalitis Virus in den USA stattgefunden hat. Wir konnten sehen, dass sich das Virus langsam von Zentralamerika ausbreitete zu der Zeit, als erste größere Rodungen im Regenwald stattfanden. Das Virus gelangte dann als erstes nach New Orleans und von dort vermutlich über den Flussverkehr im Mississippi weiter bis nach St. Louis, wo es einige Jahre später den ersten Ausbruch gab.