Trotz der angespannten Lage hat die Bundesregierung sehr schnell ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschieden können. Sind wir also insgesamt doch gut gegen Krisen gerüstet?
Das hängt stark von der Art der Krise ab. Die aktuelle Lage ist etwas Besonderes und ziemlich einzigartiges zumindest in der näheren Vergangenheit. Wenn wir in unseren Modellen Krisenszenarien simulieren, handelt es sich dabei meistens um das Szenario eines Nachfrageschocks. Wenn wir uns beispielsweise die Pandemie als Epidemie, die es nur in China gibt vorstellen, dann wären Teile unserer Außenhandelsverpflichtungen mit China unter Druck geraten und in diesem Zuge wäre ein Nachfrageschock entstanden. In der aktuellen Situation gibt es sowohl einen Angebots- als auch einen Nachfrageschock. Das ist ziemlich einmalig und neu. Deshalb sind die Prognosen für die Wachstumsraten auch so negativ und man erwartet mehr als nur eine kleine Delle.
Inwiefern unterscheidet sich die aktuelle Situation noch von früheren Wirtschafts- und Finanzkrisen?
Wir haben es hier nicht mit einer strukturellen Krise zu tun. Denn das ist keine Krise, die auf einem Problem in unserem Wirtschaftssystem beruht. Das ist ein großer Unterschied, beispielsweise im Vergleich zum Platzen einer Immobilienblase. Die aktuelle Situation hingegen ähnelt eher der Lage bei einer Naturkatastrophe, wo plötzlich nichts mehr produziert werden kann. Nach einem ersten Schock erholt sich die Wirtschaft davon relativ gut. Im Gegensatz zu einer Naturkatastrophe geht aktuell jedoch der Kapitalstock nicht kaputt. Das ist ein riesiger Vorteil.
Was bedeutet das genau?
Bei einer Naturkatastrophe werden Straßen, Brücken, Fabriken oder andere wirtschaftliche Infrastrukturen zerstört. Dieses Phänomen haben wir bei Corona nicht. Wir können im Prinzip nach der Krise sofort wieder weitermachen. Deshalb störe ich mich auch an der Kriegsrhetorik, die vielfach in den Medien benutzt wird, um die Situation zu beschreiben. Dabei ist die Situation, eben weil kein Kapitalstock kaputt geht, wirtschaftlich vollkommen anderes. Wir brauchen also keinen Wiederaufbau im Sinne eines Nachkriegsszenarios. Ich persönlich glaube sogar, dass der Umbruch nach der Wiedervereinigung größer und belastender für die Gesellschaft und die Wirtschaft war, als die Auswirkungen aus der aktuellen Krise. Denn das waren gigantische strukturelle Umbrüche und die haben wir derzeit so einfach nicht.
Ich möchte die Probleme, die für einzelne Sektoren und Menschen entstehen nicht herunterspielen, aber sie sind gesamtgesellschaftlich eher kurzfristiger Natur und die Hilfspakete werden dazu beitragen, dass es selbst bei einem schrittweisen Ausstieg ein relativ kurzfristiger Schaden sein wird.