Die Schließung der Schulen in der Coronakrise hat von einem Tag auf den anderen dazu geführt, dass Unterricht überwiegend digital stattfinden musste. Macht sich nun besonders negativ bemerkbar, dass die Digitalisierung an deutschen Schulen bisher nur wenig vorangeschritten ist?
Diesen Diskurs über die Digitalisierung der Schulen finde ich schwierig. Es wird zwar immer betont, dass Deutschland hinterherhinkt, aber in diesen Debatten geht es in erster Linie nur um Hardware. Je mehr Hardware da ist, umso besser hat man aufgeholt. Methodisch wird dann einfach etwas Analoges genommen und digitalisiert: Arbeitsblätter werden eingescannt, statt an der Tafel wird auf einem interaktiven Whiteboard geschrieben, Poster werden digital designt anstatt gebastelt und so weiter. Wenn der Lehrplan sich kaum ändert und die Lehrkräfte wenig Zeit eingeräumt bekommen, neue pädagogische Ziele und Aufgaben zu entwickeln, die sich nur mit digitalen Bildungsmedien umsetzen lassen, dann wird die Technologie nur als Werkzeug gesehen, und nicht als Teil eines möglichen Kulturwandels.
Was bedeutet das dann konkret für die Schulen und Lehrkräfte, gerade in der aktuellen Situation?
Technologien zu nutzen ist gerade jetzt sinnvoll und erleichtert vieles. Für wirklich digitalen Unterricht müssen aber neue Methoden eingesetzt werden. Zum Beispiel kann man Schüler Erklärvideos erstellen oder auch mal etwas programmieren lassen, damit sie verstehen, was überhaupt hinter dieser ganzen Technologie steckt. In der aktuellen Situation ist es besonders wichtig für Lehrkräfte geworden, mit den Schülern in Kontakt zu bleiben und soziale Interaktion aufrecht zu erhalten. Hier verknüpfen Lehrer das Digitale und das Soziale in neuartiger Weise. Ich habe beispielsweise von einer Aufgabe für den Politikunterricht gehört, für die die Schüler ein Thema wählen, sich Fragen überlegen und anschließend einen Diskussionsabend dazu mit der Familie veranstalten sollten. Die Diskussionsrunde haben sie per Audio oder Video aufgenommen und über die Lernplattform mit der Klasse geteilt. Mein Sohn, Schüler der zweiten Klasse, musste heute einen Krimi anhören und dazu Aufgaben lösen. Den Krimi hatten wiederum die Viertklässler gemacht, die bereits wieder in die Schule gehen. Er hat sich wirklich gefreut, bekannte Stimmen zu hören. Ich beobachte gerade, dass sich Lehrer zunehmend virtuell vernetzen, um solche Ideen für neue Aufgaben auszutauschen.