Die Ausbreitung der Viren reguliert sich also schon allein dadurch, dass viele Arten nebeneinander existieren?
Im Grunde genommen ja. Ähnliches kennen wir beispielsweise auch aus der Landwirtschaft. In einem artenarmen System, können sich Schädlinge sehr einfach ausbreiten, weil die entsprechenden Gegenspieler fehlen. Demgegenüber gibt es in einem System, das vielfältiger ist, mehr Gegenspieler, die sich auf den Schädling stürzen und machen diese insgesamt widerstandsfähiger. Bei Infektionskrankheiten ist es vergleichbar: Denn in einem artenreichen System hat man eine ganze Reihe an potentiellen Wirten, die aber längst nicht alle geeignet sind, den Erreger auch weiterzugeben, so dass die Ausbreitung insgesamt erschwert wird.
Was wären dringend erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität?
Im vergangenen Jahr haben wir im Weltbiodiversitätsrat (IPBES) das “Global Assessment” verabschiedet – also einen umfangreichen Zustandsbericht, der auch mögliche Maßnahmen aufführt, die Optionen zum Schutz der Biodiversität darstellen. Ganz zentral ist dabei der Umgang mit der Landnutzung und die direkte Zerstörung der Lebensräumen und Artenvielfalt, wozu insbesondere die Abholzung und der illegale Wildtierhandel beitragen. Aber auch Klimawandel und Umweltverschmutzung – Stichwort Plastik in den Meeren – spielen dabei bereits heute eine wichtige Rolle als Verursacher des Rückgangs der Biodiversität. Am wichtigsten jedoch sind dann die sogenannten indirekten Treiber, wie soziale und wirtschaftliche Aspekte, die letztlich den eben genannten direkten Treiber, also Landnutzung, Klimawandel etc., zugrundeliegen. Insgesamt brauchen wir also einen verantwortlichen Wandel hin zu einer sozial nachhaltigen Wirtschaft, begleitet von entsprechenden Governance-Maßnahmen, um die Biodiversität deutlich besser schützen zu können – einen transformativen Wandel, wie wir ihn im globalen Assessment genannt und definiert haben.
Denken Sie, dass nach den Erfahrungen aus der aktuellen Pandemie dem Schutz der Biodiversität in Zukunft mehr Bedeutung zukommt?
Ich habe schon den Eindruck, dass das Bewusstsein über die Zusammenhänge wächst – und zwar auf ganz verschiedenen Ebenen. Das erlebe ich auch in den verschiedensten Diskussionen. Auch auf dem World Economic Forum in Davos wurde dieses Jahr das Thema breit diskutiert und insgesamt gibt es in der Wirtschaft ein stärkeres Umdenken. Dazu kommt natürlich jetzt noch die Aufmerksamkeit aufgrund der Corona-Pandemie. Wir müssen einfach das Risiko der Ausbreitung solcher neuartigen Infektionskrankheiten insgesamt minimieren, denn allzu oft können wir uns sowas nicht mehr leisten; und das gelingt nur, wenn wir im Umgang mit Natur – und letztlich der Art und Weise wie wir wirtschaften – umsteuern.