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Rückschlag für die Gleichberechtigung

Wie die Corona-Pandemie Ungleichheiten zwischen Müttern und Vätern verstärkt.

Im März wurden bundesweit Schulen und Kindertagesstätten geschlossen, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verlangsamen. Zwar gibt es inzwischen eine schrittweise Wiederaufnahme von Betreuungsangeboten, aber für viele und vor allem für berufstätige Eltern stellt die Situation nach wie vor eine große Herausforderung dar.

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass Eltern ihre Situation während der Corona-Pandemie als belastender empfinden als Personen ohne Kinder. Ein Grund: Homeoffice, Homeschooling und Homekita sind nur schwer unter einen Hut zu bringen. „Außerdem wirkt sich die Corona-Pandemie ausgesprochen hart auf Frauen aus, weil sie deutlich mehr Sorgearbeit übernehmen, häufiger Arbeitszeit reduzieren und seltener eine Aufstockung der Kurzarbeit bekommen”, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung und Professorin für Bildungssoziologie an der Universität Paderborn. Mütter sind also doppelt belastet.

Ein Zustand, der nicht nur in Zeiten von Corona gegeben ist, wie ein Bericht von Dr. Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zeigt. Sie und ihr Team haben anhand von Daten, die vor der Corona-Pandemie erhoben wurden, in einem Bericht Annahmen bezüglich Gleichberechtigung während der Corona-Krise formuliert. Das Ergebnis: Bereits vor dem Corona-Ausbruch waren Kinderbetreuung und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern ungleich und auch bei Vollzeittätigkeit zu Lasten der Mütter verteilt. „Wenn vor der Corona-Pandemie in Paarbeziehungen, in denen beide Elternteile berufstätig waren, Mütter mehr Zeit mit der Kinderbetreuung verbracht haben als Väter, dann ist eher nicht davon auszugehen, dass sich diese Verhaltensmuster jetzt komplett ändern”, sagt Wrohlich.

„Wir glauben, dass Paare zurzeit nicht auf das Gehalt des Mannes, das ja meistens höher ist, verzichten können.“

 Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Universität Paderborn, Hans-Böckler-Stiftung

Als Ursachen sehen beide Wissenschaftlerinnen traditionelle Arbeitsaufteilungen und Gehaltsunterschiede zwischen Müttern und Vätern. So fallen selbst Paare, die auf Gleichberechtigung achten, während der Corona-Pandemie in traditionelle Rollenmuster zurück. „Wir haben diese Tendenz bei 60 % der Paare, die sich vor der Corona-Pandemie die Sorgearbeit fair geteilt haben, gesehen. Bei Paaren mit einem geringeren Gehalt ist diese Entwicklung noch einmal stärker ausgeprägt. Wir glauben, dass Paare zurzeit nicht auf das Gehalt des Mannes, das ja meistens höher ist, verzichten können“, sagt Kohlrausch.

Ungleichheiten zwischen Müttern und Vätern werden also durch die Corona-Pandemie forciert. Eine Situation, die auch nach der Corona-Krise Bestand haben könnte. Schließlich hängt die Aufteilung von Sorgearbeit laut Wrohlich sehr stark mit der allgemeinen Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zusammen. „Wenn Frauen derzeit in größerem Umfang Arbeitszeit reduzieren oder ihre Berufstätigkeit sogar aufgeben, dann wirkt sich das natürlich später extrem negativ auf ihre zukünftigen Einkommens- und Karriereperspektiven aus”, sagt sie.

„Eine Lohnersatzleistung, die bei Paaren – natürlich nicht bei Alleinerziehenden – unbedingt daran geknüpft sein sollte, dass beide Elternteile die Arbeitszeit reduzieren und sich die Betreuungsarbeit teilen.”

 Dr. Katharina Wrohlich, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Die Politik scheine die Nachteile, die sich aus der Kita- und Schulschließung für Mütter ergeben, nicht zu interessieren meint die Wirtschaftswissenschaftlerin, die die fehlende Unterstützung durch die Regierung erstaunt. Das könne mit dem Stand der Gleichberechtigung vor der Pandemie zusammenhängen. „Die Länder, in denen die Berufstätigkeit von Müttern und die Tatsache, dass auch kleine Kinder eine Kita besuchen, schon viel länger selbstverständlicher ist als in Deutschland, haben die Kitas und die Grundschulen auch viel eher wieder geöffnet”, sagt Wrohlich und nennt Dänemark und Norwegen als Beispiele.

Dr. Katharina Wrohlich spricht sich für ein Corona-Elterngeld aus, das berufstätige Eltern bei Arbeitszeitreduktion finanziell unterstützen soll. „Eine Lohnersatzleistung, die bei Paaren – natürlich nicht bei Alleinerziehenden – unbedingt daran geknüpft sein sollte, dass beide Elternteile die Arbeitszeit reduzieren und sich die Betreuungsarbeit teilen.” Die Bildungssoziologin Kohlrausch findet diese Idee grundsätzlich richtig, jedoch mit einer Einschränkung: „Wenn ein mögliches Corona-Elterngeld an die Bedingung geknüpft ist, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren, muss man aufpassen, dass die Frauen, deren Männer sich schlichtweg weigern das zu machen, nicht zu kurz kommen.“

„Außerdem ist eine vernünftige Entlohnung von Frauen wichtig.”

Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Universität Paderborn, Hans-Böckler-Stiftung

Temporäre staatliche Leistungen, wie ein Corona-Elterngeld, reichen allerdings nicht aus, um langfristig Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern herzustellen. „Insofern ist eine Ausweitung und qualitative Verbesserung des Betreuungsangebots nötig. Außerdem ist eine vernünftige Entlohnung von Frauen wichtig”, sagt Bettina Kohlrausch.

Auch Katharina Wrohlich fordert strukturelle Veränderungen und plädiert für eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld. Ein weiteres Problem sieht sie in der fehlenden Vielfalt in Gremien, die Entscheidungen treffen oder Empfehlungen aussprechen. Sie führt die Leopoldina-Arbeitsgruppe, die im April eine Stellungnahme zur Corona-Krise veröffentlicht hatte, als kritisches Beispiel an. „In dieser Gruppe von 26 Mitgliedern waren nur zwei Frauen, und das Durchschnittsalter war über 60 Jahre. Diese fehlende Diversität spiegelte sich darin wider, dass der Aspekt der Betreuung von Kindern unter 6 Jahren nur am Rande diskutiert wurde. Dabei betreffen Schul- und Kitaschließungen viele Millionen Familien”, sagt Wrohlich.

Hier müsse ein Umdenken stattfinden, wenn sich die durch die Corona-Krise zusätzlich verstärkten Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht als gesellschaftliches Modell durchsetzen sollen.

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