Sie sind Kommunikationswissenschaftlerin, Buchautorin, Kolumnistin, Moderatorin,… woran machen Sie fest, ob ein Thema (immer noch) relevant und berichtenswert ist?
Relevanz meint Bedeutsamkeit. Im Journalismus meint Relevanz, dass ein Ereignis oder ein Aspekt oder die Entwicklung eines Ereignisses bedeutsam für die Öffentlichkeit und damit berichtenswert ist. Für die Relevanz von Forschung ist bedeutsam, dass ein so noch nicht vorhandener, analytischer Blick auf eine Thematik geworfen wird. Bedeutsamkeit kann also unterschiedliche Facetten haben, die sich nicht ausschließen müssen: Ein Thema kann z.B. berichtenswert für die Öffentlichkeit sein oder eine Forschungslücke schließen. Die Richtung ist klar, doch es ist im Einzelfall gar nicht so einfach zu entscheiden, was denn nun genau relevant ist. In einer pluralistischen Gesellschaft, in der wir leben, gibt es keine Instanz, die verbindlich festlegt, was genau Relevanz hat oder erklärt: „Das ist jetzt wichtig und bedeutsam” und „Darüber muss jetzt debattiert werden”. Es gib immer Bandbreiten, bezogen auf den, der eine Debatte anstößt, ebenso wie bezogen darauf, was ein Publikum jeweils für sich selbst als bedeutsam ansieht und definiert.
Was bedeutet das für journalistische Medien?
In der Kommunikationswissenschaft wurden zur Kategorisierung der Relevanz und auch zu deren Messung Faktoren definiert. die einen Nachrichtenwert bestimmen. Sie liefern Hinweise auf die Aspekte, denen Journalistinnen und Journalisten folgen, wenn sie Informationen den Wert zuschreiben, als Nachricht veröffentlicht zu werden und damit von öffentlicher Bedeutung zu sein. Das wird schon sehr lange untersucht. Walter Lippmann war einer der Ersten, der solche Kataloge von Auswahlkriterien erstellt hat, das liegt rund hundert Jahre zurück. Sehr systematisch und wissenschaftlich gemacht haben das dann in den 60er Jahren Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge. Es gibt sehr viele sehr unterschiedliche Faktoren, aber auch welche, die immer wieder aufgezählt werden. Auf diese Faktoren lässt sich anhand zentraler Fragen zielen: „Ist das Ereignis in der Nähe passiert?”, „Hat das Thema einen hohen Nutzen oder ein ganz hohes Schadenspotenzial für die Allgemeinheit?”, „Ist es etwas, dass sich generell recht gut über Personen erzählen lässt?“ oder „Sind bestimmte prominente Personen (Eliten) betroffen?“ Das können gesellschaftliche Eliten sein, aber auch Elite-Nationen. In Deutschland ist etwas, das in den USA passiert, rasch bedeutsam, weil die USA für Deutschland eine Elite-Nation sind, anders als wenn dasselbe z.B. in Namibia oder in Finnland oder in Usbekistan geschieht. Menschen an den Schalthebeln der Macht haben ebenfalls großen Nachrichtenwert, aber auch Kontroversen, Konflikte, total Skurriles, Überraschendes. Das ist allerdings kein fester Katalog, über den sich in Forschung und Praxis alle einig sind. Für den Journalismus geht es darum, solche Faktoren zu kennen. Denn das hilft bei der Einschätzung, warum man etwas als relevant betrachtet. Neben dieser externen Relevanz gibt es auch eine Art redaktionsinterne Relevanz, also Faktoren, die entscheidend sind beim „Themenpitch“ in der Redaktionskonferenz, wenn man „sein Thema“ durchsetzen will: Ein ungewöhnlicher Zugang, ein guter Draht zur Ressortleiterin etc.
Gibt es „typische” Anzeichen für ein absehbares bzw. baldiges Ende einer Debatte?
Zwei Hauptpunkte sind wichtig. Eine Debatte endet zum einen dann, wenn ein Thema erschöpft ist, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Argumente ausgetauscht sind und man den Eindruck hat, es sei entweder eine Einigung erzielt oder ein Sachverhalt zur Entscheidungsreife gebracht, zum Beispiel in einer Parlamentsdebatte. Dann ist die Debatte zumindest für den Moment oder eine bestimmte Phase zu Ende.
Die andere Art eines Debatten-Endes entsteht oft dann, wenn einzelne Teilnehmende oder eine Gruppe von Teilnehmenden die Regeln missachten. Infolgedessen rückt die Überlegung in den Vordergrund, inwiefern man klüger diese Debatte beendet, weil sie beispielweise Gefahr läuft in einen reinen Schlagabtausch zu kippen. Dann ringen die Beteiligten oft nicht mehr anhand von Argumenten um Positionen, sondern es entstehen vielfach zweierlei Gruppen: Die einen attackieren, greifen an – unsachlich, auf der emotionalen Ebene; wer sich so verhält, verletzt die Debattenregeln. Solches Verhalten treibt die anderen in die Enge, sie gewinnen den Eindruck, sie können sagen was sie wollen, es wird nichts als Argument akzeptiert, sondern nur mit Vorwürfen gearbeitet. Kurz gesagt: Eine Debatte endet meistens dann, wenn sie als destruktiv und nicht mehr zielführend empfunden wird oder wenn das Thema wirklich erschöpft ist und es zu einer Einigung, einer Abstimmung oder einem vorübergehenden Zwischenstand kommt.
Gibt es etwas dazwischen?
Man kann entgleitende Debatten durch eine kundige und umsichtige Moderation mitunter auf ein konstruktives Feld zurückführen. Das setzt aber voraus, dass alle Seiten dazu beitragen, dass Debatten gelingen. Zum Beispiel kann bei einer sehr starken emotionalen Betroffenheit auch helfen, auf die Metaebene zu wechseln und bei den Beteiligten nachfragen, worin eigentlich ihre Wut auf das Gegenüber begründet liegt.
Was genau ist eigentlich eine „Debatte”?
Eine Debatte zielt darauf, andere von der eigenen Position zu überzeugen; eine Diskussion hingegen kann auch nur ein Austausch sein. Eine Debatte ist ihrem Wesen nach ein Streitgespräch, das in aller Regel festen und mitunter sogar in einer Geschäftsordnung niedergelegten Regeln folgt. Sie endet teils mit einer Abstimmung oder – häufig bei Podiumsdiskussionen – mit einem momentanen Fazit, kann aber auch lange dauern. Wissenschaftliche Kontroversen sind hierfür Beispiele; man debattiert, forscht weiter, analysiert, dockt daran bei einer nächsten Konferenz eine weitere Debatte an und gelangt letztlich auf diesem Weg und über die Zeit hinweg auch zu immer wieder neuen Erkenntnissen.