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„Sowohl Dauer als auch Intensität der Dürren nehmen zu.“

Ein Gespräch mit dem Geografen Prof. Dr. Dieter Gerten

Wassermangel und Dürre sind in den Medien aktuell sehr präsent. Wird Europa nun häufiger mit Dürreperioden konfrontiert?  

Ja, das ist sehr wahrscheinlich. In den letzten zehn bis 20 Jahren hat sich bestätigt, was die Klimaforschung in Bezug auf den Klimawandel vorhergesagt hat: Speziell in Süd-, aber auch in Mitteleuropa wird es deutlich trockener. Wir haben das an den Hitzesommern von 2018 bis 2020 erlebt. Nachdem das Jahr 2021 vom anderen Extrem, dem Hochwasser, geprägt war, setzt sich die Dürre in diesem Jahr nun wieder fort. Das sind eindeutige Alarmzeichen: Bei weiterer Erderwärmung erhöht sich die Dürrewahrscheinlichkeit in großen Teilen Europas und sowohl Dauer als auch Intensität der Dürren nehmen zu.

„Unter Umständen ist durch Dürre nicht nur in produzierenden, sondern auch in importierenden Ländern die Ernährungssicherung gefährdet.“

Die Folgen sind vielfältig. Inwiefern beeinflusst Wassermangel die Landwirtschaft? 

Mit Wassermangel und Dürre hängen sichtbar sinkende Wasserpegel in Flüssen, Teichen und Seen zusammen. Aber auch im Boden wird deutlich weniger Wasser gespeichert. Letzteres ist das sogenannte „grüne Wasser“, welches die Vegetation aufrechterhält – ohne Wasser kein Pflanzenwachstum. Ob in der Landwirtschaft zusätzlich bewässert werden muss, hängt vorrangig von der Verdunstung und vom Niederschlag ab. Aufgrund von starker Hitze und wenig Niederschlag befindet sich jedoch weniger Wasser im Boden, sodass das Pflanzenwachstum und dadurch auch die Ernteerträge beeinträchtigt werden. Problematischer wird es, wenn Dürren lange anhalten und großflächig in Regionen auftreten, die Lebensmittel exportieren. Viele Regionen hängen von diesen Ernten und Exporten ab. Daher ist unter Umständen nicht nur in produzierenden, sondern auch in importierenden Ländern die Ernährungssicherung gefährdet. Einige Gebiete, beispielsweise im östlichen Afrika, haben bereits Jahrzehnte mit Hungerkrisen durch Dürre zu kämpfen.

Grundsätzlich kann das globale Handelsnetz solche Effekte ausgleichen. Wenn Dürren nun jedoch mehr Länder betreffen und ebenso in Dauer und Intensität zunehmen, dann können weltweite Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung eine Folge sein. 

Müssen in Zukunft deshalb mehr Menschen aus ihrer Heimat fliehen?

Dürren und damit zusammenhängende Lebensmittelengpässe können soziale Instabilität begünstigen. Es gibt Studien, die bestimmte Ereignisse wie den Bürgerkrieg in Syrien auf Ursachen und Auswirkungen untersuchen. Man kommt zu dem Schluss, dass Dürre ein Faktor für Migration ist. Allerdings spielen hier meistens weitere Faktoren eine Rolle, sodass sie nicht der alleinige Grund ist.

Andere Studien untersuchen statistische Zusammenhänge, also wie oft Dürren und Migrationsbewegungen oder gewalttätige Konflikte zusammen auftreten. Hierzu werden unterschiedliche Dürreereignisse herangezogen. Bei einzelnen Ereignissen wurden Zusammenhänge zwischen Dürren und Migration beobachtet. Global und strukturell gesehen, gibt es jedoch kein einheitliches Bild. Auch ließ sich nicht feststellen, dass die Migration sich auf globaler Ebene ausweitet. Die Menschen wechselten eher innerhalb kontinentaler und nationaler Grenzen ihre Standorte. Doch in der Zukunft kann das durchaus anders sein. Daher ist es wichtig, Migrationsbewegungen als Folge des Klimawandels mit Modellstudien besser zu erfassen.

„Täglicher Zugang zu sauberem Wasser ist ein essentielles Menschenrecht. So selbstverständlich es klingt, vielen Milliarden Menschen bleibt dieses Recht verwehrt.“

Welche gesundheitlichen Folgen hat Wassermangel für Menschen?

Man muss zwischen zwei grundsätzlichen Zuständen unterscheiden: Menschen ohne Zugang zu Wasser und Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser. Wasser ist essentiell für den menschlichen Körper. Ganz drastisch hat Wassermangel sehr schnell tödliche Folgen, wenn eine Wasserzufuhr gar nicht möglich ist. 

Milliarden Menschen sind vor allem von einem Mangel an sauberem Trinkwasser betroffen. Es gibt ausreichend Wasser, um zu überleben, aber dieses Wasser ist verschmutzt, sodass es Krankheiten wie Cholera auslösen kann. Täglicher Zugang zu sauberem Wasser ist ein essentielles Menschenrecht, das die Vereinten Nationen erst 2010 als solches anerkannt haben. So selbstverständlich es klingt, vielen Milliarden Menschen bleibt dieses Recht verwehrt.   

In einer Publikation von 2021 schreiben Sie, die globalen Kosten von Dürren beliefen sich von 1998 bis 2017 auf mind. 124 Milliarden US-Dollar. Ist davon auszugehen, dass die Kosten steigen werden? 

Dürren werden weiter zunehmen. Daher ist davon auszugehen, dass auch die Kosten steigen. Dürren sind ein Kostenfaktor, der nicht sofort augenscheinlich ist. Anders als Hochwasser oder Stürme hinterlässt Dürre nur schleichend Spuren. Über Wochen und Monate hinweg entstehen Schäden in unterschiedlichen Sektoren: Besonders die Industrie, Landwirtschaft sowie Wasser- und Landökosysteme leiden darunter. Eine Bezifferung dieser Schäden ist möglich, aber schwierig, da Dürre über lange Zeiträume wirkt. 

Welche Folgen von Dürre gibt es, die vielleicht nur indirekt sichtbar werden? 

Veränderungen im Flusssystem und Bodenwasserhaushalt haben neben ökologischen auch gesellschaftliche sowie ökonomische Folgen. Ein niedriger Wasserstand in Flüssen kann dazu führen, dass weniger Schiffe fahren können. Dadurch werden weniger Güter geliefert und die Preise steigen.

Aber nicht nur die Handelsinfrastruktur, sondern auch die Produktion ist betroffen. Besonders stark trifft es die Lebensmittelproduktion, da die Landwirtschaft stark von hydrologischen Gegebenheiten abhängt. Weiterhin werden Güter, die wir konsumieren, häufig in anderen Teilen der Welt mit einem hohen Wasserverbrauch hergestellt und verarbeitet wie zum Beispiel Kleidungsstücke oder Fleisch. Findet dieser Prozess in wasserarmen Regionen statt, ist das problematisch. 

„In den letzten Jahren wurde ein gewisses Bewusstsein für die Vielfalt an Wasserproblemen entwickelt. Ich denke jedoch, dass der Fokus immer noch zu stark auf Hochwasser liegt.“

Gibt es Aspekte in der öffentlichen Debatte, die Ihnen zu kurz kommen oder auf die Sie aufmerksam machen möchten?

In den letzten Jahren wurde ein gewisses Bewusstsein für die Vielfalt an Wasserproblemen entwickelt. Ich denke jedoch, dass der Fokus immer noch zu stark auf Hochwasser liegt. Das ist insbesondere bezüglich der Katastrophenvorsorge sehr wichtig, wie wir 2021 wieder gelernt haben. Aber wir müssen auf alle Extreme, sowohl Hochwasser als auch Dürre, vorbereitet sein. Die nationale Wasserstrategie berücksichtigt beispielsweise auch Dürrepläne. Es ist also erstens notwendig, auf all diese Klimaextreme vorbereitet zu sein und noch wichtiger ist es zweitens den Klimawandel und weitere Folgeschäden zu minimieren.

 

Zur Person

Prof. Dr. Dieter Gerten ist Leiter der Arbeitsgruppe „Sicherer Handlungsraum Landbiosphäream Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie Professor für „Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zu globalen Wasserressourcen, Ökosystemen im Klimawandel sowie dem Einfluss von Menschen auf Wasser und Biosphäre.

Foto: Iona Dutz

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