Foto: Lisa Kern / Fraunhofer IGB

„Wir brauchen mehr blau-grüne Infrastrukturen.“

Ein Gespräch mit dem Bauingenieur Dr.-Ing. Marius Mohr

Sie arbeiten bereits seit 18 Jahren an neuen Konzepten zum Wassermanagement. An welchen Technologien forschen Sie aktuell? 

Wir arbeiten gerade an einem Projekt zur Wasserwiederverwendung in der Landwirtschaft: HypoWave+. Wir bereiten Abwasser auf, um damit hochwertige Lebensmittel anzubauen. Die Pflanzen sind in einem hydroponischen System, dass heißt die Wurzeln der Pflanze haben keinen Kontakt mit dem Boden, sondern sind in einem Behälter, der mit dem aufbereiteten Wasser versorgt wird. Dadurch werden auch keine unerwünschten Stoffe aus der Landwirtschaft, wie Nitrate, ins Grundwasser getragen. Außerdem ist diese Methode sehr wassereffizient. Es gibt keine Versickerung, wodurch das Wasser maximal ausgenutzt werden kann.

Welche Probleme und Lösungen gibt es in deutschen Städten beim Wassermanagement?

In Deutschland stellt vor allem die Versiegelung ein Problem dar – der Boden ist bebaut und asphaltiert. Dadurch kann das Wasser nicht mehr versickern. Deshalb sollte gerade in Städten mehr grüne Infrastruktur geschaffen werden. Das bietet mehr Möglichkeiten zur Versickerung von Wasser. Dazu gibt es bereits einige Projekte und Technologien. 

„Gerade bei Hitzeperioden tragen grüne Infrastrukturen – Bäume, bepflanzte Fassaden und Dächer – zur Abkühlung bei.“

Sie arbeiten an einem solchen Projekt: Leipziger BlauGrün. Worum geht es da?

Bei der Stadtplanung ist es wichtig über Wasser nachzudenken. Deshalb brauchen wir blau-grüne Infrastrukturen. Blau steht für Wasser und grün für Pflanzen. Der Ansatz ist möglichst viele Wasserflächen und Anbaumöglichkeiten für Pflanzen zu schaffen. Das erhöht die Wasserverfügbarkeit, trägt aber auch zu einem besseren Stadtklima bei. Gerade bei Hitzeperioden tragen grüne Infrastrukturen – Bäume, bepflanzte Fassaden und Dächer – zur Abkühlung bei. Und Hitzeperioden werden wir in Zukunft häufiger erleben. Die Pflanzen verdunsten Wasser, durch die Verdunstung entsteht Kälte, die zu einem allgemein kühlen Stadtklima beiträgt. Das funktioniert aber nur, wenn auch genügend Wasser für die Pflanzen zur Verfügung steht. Manchmal gibt es aber auch zu viel Wasser auf einmal: Starkregen und urbane Sturzfluten sorgen für Überschwemmungen, da unsere bestehende Infrastruktur in Städten, auch aufgrund der Versiegelung, das Wasser nicht auffangen kann. Gründächer helfen dabei als natürliche Speicher: Sie halten das Wasser zurück. Aber auch der Boden ist wichtig: Wenn Regenwasser durchsickern kann, kann es sich im Grundwasser sammeln. Dort wird es gespeichert bis man es wieder benötigt. 

Welche Herausforderungen gibt es, Städte mit solchen neuen Infrastrukturen anzupassen?

Die gesamte Bau- und Wasserwirtschaft ist relativ konservativ. Erstmal braucht es sehr lange bis sich neue Ideen und Konzepte durchsetzen, falls sie sich überhaupt durchsetzen. Infrastrukturen sind unglaublich langlebig, weshalb sich bestehende Systeme nur schwer ändern lassen. Vor allem kreislauforientierte Projekte – Abwasser aufbereiten und wiederverwenden – gibt es deshalb aktuell nur sehr punktuell, obwohl schon seit über 20 Jahren an solchen Konzepten geforscht wurde. Außerdem ist eine Veränderung immer mit hohen Kosten verbunden. Normalerweise sind bestehende Infrastrukturen die kostengünstigere Variante. Neue Systeme sind anfangs oft nicht so kosteneffektiv, sie müssen in der Anwendung erst durch Erfahrungswerte optimiert werden.

Welche Vorteile bieten blau-grüne Infrastrukturen im Gegensatz zu anderen Technologien des Wassermanagements?

Blau-grüne Infrastrukturen sind einfacher und kostengünstiger umzusetzen. Außerdem hängen sie eng mit einer besseren Stadtqualität zusammen. Sie sorgen zum einen für ein angenehmeres und kühleres Klima bei Hitzeperioden, zum anderen tragen Grünflächen zur Lebensqualität in der Stadt bei. 

„Es gibt eine große Lücke zwischen Technologieentwicklung und der Anwendung – diese zu überbrücken, ist eine große Herausforderung.“

Gibt es weitere Technologien, die großes Potenzial versprechen?

Es gibt viele Forschungsprojekte zu Wasser, das Problem: Oft werden Technologien nur bis zu den Prototypen entwickelt. Die weitere Umsetzung braucht viel Aufwand und viel Geld, das häufig nicht zur Verfügung steht. Zudem dauert es viel Zeit bis sich eine neue Technologie am Markt durchsetzt. Es gibt eine große Lücke zwischen Technologieentwicklung und der Anwendung – diese zu überbrücken, ist eine große Herausforderung. Ein Beispiel: In Hamburg gibt es ein Projekt zur Abwasserwiederverwendung. Toilettenabwasser wird von sonstigem Abwasser separiert und gereinigt, dabei kann aus den organischen Stoffen Energie gewonnen werden. Das restliche Abwasser aus Küche oder Waschmaschine wird nach der Reinigung teilweise zur Flächenbewässerung verwendet. Das hat großes Potenzial. Aber auch hier ist die Umsetzung noch nicht so weit, wie es vorher in den Forschungsprojekten angedacht wurde. Sowohl finanzielle wie auch rechtliche Hemmnisse verlangsamen die Umsetzung.

„Wichtig ist, dass man immer Systeme betrachtet, nicht nur einzelne Bereiche. Beispielsweise beschäftige ich mich zwar mit Wasser, habe aber viele Schnittstellen mit andere Bereichen, wie Energie und Ernährung.“

Wie sollte Wassermanagement in Zukunft aussehen?

Wichtig ist, dass man immer Systeme betrachtet, nicht nur einzelne Bereiche. Beispielsweise beschäftige ich mich zwar mit Wasser, habe aber viele Schnittstellen mit andere Bereichen, wie Energie und Ernährung: Ich brauche Energie um Wasser zu reinigen. Durch Staudämme kann ich Energie gewinnen und/oder Wasser speichern. Kühlwasser wird benötigt, um Kraftwerke zu betreiben. Wasser wird für die Herstellung zahlreicher Lebensmittel und Bewässerung von Pflanzen benötigt. Deshalb wird es zukünftig essentiell, Wasser nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang zu betrachten. Wenn die Vernetzung von Bereichen fehlt, besteht die Gefahr, dass wichtige Aspekte nicht berücksichtigt werden und Entscheidungen nur im eigenen engen Segment getroffen werden. 

Wie kann eine bessere Vernetzung verschiedener Sektoren umgesetzt werden?

Zum einen durch Stabstellen, die sich allgemein mit Nachhaltigkeit beschäftigen und dadurch eine Vernetzung zwischen verschiedenen Bereichen, wie Wasser und Energie herstellen. In Indien arbeiten wir mit einer solchen Organisation, die quer über alle Bereiche die Planungsprozesse in der Stadt (Kochi) im Blick behält. Zum anderen muss der Austausch zwischen Disziplinen stärker gefördert werden: Bereits in der Ausbildungsphase und dann auch später im Beruf. Dafür fehlt im Arbeitsalltag häufig die Zeit. Man ist vertieft in sein spezifisches Thema und bekommt nicht mit was rechts und links neben einem passiert. Ein Austausch mit anderen Disziplinen müsste institutionalisiert werden und stattfinden bevor Entscheidungen getroffen werden. Die Vernetzung von Systemen wird immer wichtiger, es braucht ein Wirtschaftssystem das ganzheitlich funktioniert, um letztlich auch nachhaltiger zu funktionieren. Das bringt Herausforderungen, auch für Wassersysteme, eröffnet aber viele Möglichkeiten, vor allem für die Nachhaltigkeit.

 

Zur Person

Dr.-Ing. Marius Mohr ist Leiter des Innovationsfeldes „Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung“ am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik. 

Foto: Lisa Kern / Fraunhofer IGB

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