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„Von einem Dauerkonsum der E-Zigarette ist abzuraten“

Ein Gespräch mit Dr. Martina Pötschke-Langer

„Selbst unerfahrene Nutzer können mit E-Zigaretten ähnlich schnell und mit dem Tabakrauchen vergleichbare Nikotinmengen aufnehmen.“

Sie leiteten eine Arbeitsgruppe zum Thema Suchtpotenzial der E-Zigarette; was genau war die Aufgabe der Arbeitsgruppe und warum wurde sie ins Leben gerufen?

Mitglieder des Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) wurden von deren Geschäftsführung und Vorstand gebeten, den Stand der Wissenschaft zur E-Zigarette zusammenzustellen und dabei ganz besonders der Frage nach einer „Harm Reduction“, also der Verringerung von tabakbedingten Gesundheitsschäden durch E-Zigaretten, nachzugehen. Es ging dabei nicht allein um das Suchtpotenzial von E-Zigaretten, sondern auch um die Fragen, welche Gesundheitsschäden durch den Gebrauch von E-Zigaretten für deren Konsumenten zu erwarten sind und welche Auswirkungen diese neuen Produkte auf den Markt für Suchtmittel haben könnten.

Was macht E-Zigaretten als Suchtmittel potenziell gefährlich? Ist die Suchtgefahr ähnlich hoch wie bei der normalen Zigarette?

E-Zigaretten enthalten zumeist Nikotin, eine Substanz also, die schnell abhängig macht oder eine bestehende Nikotinabhängigkeit etwa bei einem vorher bestehenden Tabakkonsum aufrechterhält. Die meisten E-Zigaretten-Konsumenten in Deutschland konsumieren beide Suchtmittel im Wechsel. Wir sprechen dann von einem dualen Konsum. Das in den meisten Flüssigkeiten enthaltene Nikotin ist ein Nervengift und kann als Suchtmittel körperliche und psychische Abhängigkeit erzeugen. Selbst unerfahrene Nutzer können mit E-Zigaretten ähnlich schnell und mit dem Tabakrauchen vergleichbare Nikotinmengen aufnehmen. Da die Variationsbreite der Produkte beträchtlich ist, schwanken die aufgenommenen Nikotinmengen erheblich. Dies erschwert allgemeine Aussagen zu den Produkten, was sich auch in widersprüchlichen Untersuchungen niederschlägt. Inzwischen unterscheidet man Untersuchungen mit E-Zigaretten der ersten, zweiten und dritten Generation sowie Weiterentwicklungen. Der Verbraucher ist diesem Markt also ausgeliefert. Das wird sich mit der neuen Tabakproduktverordnung ändern, die auch E-Zigaretten einbezieht. Diese neue Verordnung dient dem Verbraucherschutz, um eine informierte Entscheidung beim Kauf der Produkte zu ermöglichen. Und um die Produkte sicherer zu machen.

„Raucher werden vom Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit mit dem Argument der geringeren Gesundheitsgefahr abgehalten.“

In einigen Ländern wird die E-Zigarette stark gefördert, in Deutschland ist man eher zurückhaltend – woher rührt diese Zurückhaltung?

Weltweit ist in den meisten Ländern eine ablehnende Haltung gegenüber der E-Zigarette zu beobachten. Im vergangenen Jahr führten die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter anderem auf einer Konferenz in New Delhi eine lebhafte Diskussion über die E-Zigaretten. Deutschland bewegt sich mit seiner Zurückhaltung zwischen einigen Staaten, die E-Zigaretten komplett verbieten und den wenigen, die die Produkte propagieren. Die Zurückhaltung, die wir in unserer Arbeitsgruppe teilen, basiert auf dem fragwürdigen Nutzen eines neuen Nikotinmarktes. Denn der Tabakmarkt ist – glücklicherweise – dank erheblicher politischer Anstrengungen wie Tabaksteuererhöhungen, Nichtraucherschutzgesetzen und Verbesserungen des Jugendschutzes sowie jüngst eingeführten bildlichen Warnhinweise auf Zigarettenpackungen rückläufig. Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene ist das Tabakrauchen nicht mehr chic. Dies könnte sich rasant ändern, wenn die Tabakkonzerne ihre wegbrechenden Zigarettenmärkte durch die Einführung neuer E-Produkte ausgleichen und neue Nikotinmärkte schaffen.

Können E-Zigaretten dabei helfen mit dem Rauchen aufzuhören?

In den von uns geprüften Studien zeigte sich ein uneinheitliches Bild. Die Datenlage ist trotz aller Bemühungen, in dieser Frage Klarheit zu gewinnen, widersprüchlich. Das ist möglicherweise auf die unterschiedlichen, verwendeten E-Zigaretten – also Untersuchungen mit verschiedenen E-Zigaretten-Typen – zurückzuführen. Wir haben eine „nicht nachgewiesene Wirksamkeit als Hilfsmittel zur Reduzierung des Tabakkonsums oder zum Rauchstopp“ konstatiert.

Welche Zielgruppen sind besonders gefährdet?

Vor allem sind Kinder und Jugendliche gefährdet, die aus Neugier die bunten, auf ihre Altersgruppe abzielenden E-Shishas und E-Zigaretten ausprobieren. Der Weg vom ersten Ausprobieren zum dauerhaften Konsum ist zwar weit, jedoch wird der neue Nikotinmarkt durch Marketing so attraktiv gemacht, dass ein Einstiegsrisiko besteht. Ferner werden Raucher vom Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit mit dem Argument der geringeren Gesundheitsgefahr abgehalten. Und schließlich verstärkt das Propagieren des gleichzeitigen Konsums von E- und Tabakzigaretten durch geschicktes Marketing eine Renormalisierung des Rauchens.

„Eine Gleichbehandlung mit Tabakprodukten ist bei den Werbeverboten und beim Nichtraucherschutz angebracht.“

Würden Sie zu ähnlichen Abschreckungsmaßnahmen wie bei normalen Zigaretten tendieren?

Unsere Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass mit Hilfe von Regulierungsmaßnahmen die E-Zigaretten für Nichtraucher und insbesondere für die sensible Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen so unattraktiv wie möglich gestaltet werden sollten. Und falls die E-Zigaretten tatsächlich dem Rauchstopp dienen sollten, dann sollte den Rauchern ein vollständiger Umstieg von der Tabak- auf die E-Zigarette empfohlen werden – allerdings mit dem Ziel, in absehbarer Zeit auch den E-Zigarettenkonsum zu beenden. Denn von einem Dauerkonsum der E-Zigaretten oder von dem üblicherweise bestehenden dualen Konsum ist abzuraten. Die Arbeitsgruppe hat sich nicht zu konkreten Fragen der Regulierung geäußert. In Frage kommen beispielsweise Maßnahmen, die bereits in der neuen Tabakrichtlinie enthalten sind, wie etwa eine für die Konsumenten wichtige Produktsicherheit und Informationspflicht über die Inhaltsstoffe. Dazu Warnhinweise zum Chemikaliengemisch und Nikotingebrauch durch E-Zigaretten und ein Verbot von Aromastoffen, welche die tiefe Inhalation und die Abhängigkeit verstärken sowie die Produkte für Kinder und Jugendliche attraktiv machen. Eine Gleichbehandlung mit Tabakprodukten ist bei den Werbeverboten und beim Nichtraucherschutz angebracht.

Zur Person

Dr. Martina Pöschtke-Langer ist Vorsitzende des Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. und Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Dort leitete sie eine Arbeitsgruppe zur Bewertung der E-Zigarette.

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