„In der Industrie könnte Wasserstoff auf stofflicher Ebene eingesetzt werden und fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas langfristig sogar komplett ersetzen“, sagt Lübcke. „Das Problem allerdings ist, dass rein technisch gesehen Wasserstoff bei höheren Temperaturen verbrennt als zum Beispiel Erdgas, gleichzeitig aber einen deutlich niedrigeren Energiegehalt hat“, sagt Deerberg. „Das führt dazu, dass die Verfahren, um beispielsweise Glas herzustellen oder Metall zu verarbeiten angepasst werden müssen.“ Ansonsten seien die Produkte nicht mehr mit heutigen identisch.
Auch im Individualverkehr bei Autos sowie in der Wärmeversorgung wäre ein Einsatz von grünem Wasserstoff denkbar. Allerdings ist die Infrastruktur für Wasserstoff in diesen Bereichen momentan nicht gegeben und ein Ausbau wäre kostenintensiv. „Erdgasnetze sind derzeit so ausgestattet, dass sie grundsätzlich in der Lage wären, mindestens 20 Prozent Wasserstoff aufzunehmen. Die Beimischung hätte allerdings nur einen vergleichsweise geringen CO2-Einspareffekt. Für die Gebäudewärme gibt es mit Direktelektrifizierung, wie z. B. Wärmepumpen, eine effiziente Alternative. Ähnliches gilt für den motorisierten Individualverkehr, auch hier haben batterieelektrische Lösungen Vorteile“, sagt Dr. Andrea Lübcke.
Eine zentrale Herausforderung ist momentan noch der Bezug von ausreichend grünem Wasserstoff. Aktuell – und auch aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Alternativen zu russischem Erdgas – überschreitet die Nachfrage nach grünem Wasserstoff bei weitem das Angebot. Zuletzt handelte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Wasserstoffkooperationen aus. Das Ziel: Bis 2022 Wasserstofflieferungen nach Deutschland zu ermöglichen.
Dabei muss einiges beachtet werden, sagen Expert*innen. „Erstmal muss sichergestellt werden, dass es sich um grünen Wasserstoff handelt“, sagt Lübcke und nennt einen weiteren Aspekt: Die Nachhaltigkeit der Rohstoffe, die in den Elektrolyseanlagen verbaut werden. „Ein weiterer wesentlicher Nachhaltigkeitsfaktor, den man im Auge behalten muss, ist Wasser. Denn es muss sichergestellt werden, dass die Wasserversorgung für eine massenhafte Wasserstoffherstellung sowohl für die Umwelt als auch für die Menschen in der Region nachhaltig und verträglich ist“, ergänzt Deerberg. „Deshalb müssen Nachhaltigkeits- und Importkriterien definiert werden, die zu einer Zertifizierung von Wasserstoff führen“, so Lübcke.