Deutschland und andere Länder der EU könnten zudem durch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen helfen, die Lage zu entschärfen: Jetzt direkt möglichst viel Getreide und Ölsaaten produzieren, Reserven mobilisieren, und politisch auf Länder einwirken, die derzeit Exporte von anderen Grundnahrungsmitteln einschränken. „Denn diese Länder treiben die Lebensmittelpreise insgesamt nochmals nach oben“, sagt Janine Pelikan und nennt als Beispiele den aktuellen Ausfuhrstopp von Weizen in Indien und Exportbeschränkungen für Reis durch China und Vietnam.
Mit Blick auf eine Studie des Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien IAMO, die den wettbewerblich organisierten Handel als wichtiges Instrument zur Bewältigung regionaler Produktions- und Versorgungsengpässe beschreibt, setzt Pelikan längerfristig auch auf eine Stärkung des innerafrikanischen Handels und eine Stärkung der eigenen Produktion, auch von Substituten. In dem Zusammenhang seien ein Zugang zu Bildung, zu Düngemitteln und funktionierende Bodenmärkte wichtig. Ganz auf Autarkie und Selbstversorgung zu setzen hält sie – auch angesichts der Klimakrise – für gefährlich. Insgesamt gelte: Je globalisierter der Welthandel sei, desto eher ist es aus Sicht der Agrarökonomin möglich, kurzfristig Defizite auszugleichen und Preise zu stabilisieren.
Auch Tobias Heidland warnt davor, die Globalisierung zurückzudrehen. Wichtig sei vielmehr, dass sich Länder nicht in Abhängigkeit von einzelnen Exporteuren begeben. So wie Deutschland derzeit lerne, dass es ein dramatischer Fehler war, bei Gasimporten vor allem auf Russland zu setzen, so sei auch bei Nahrungsmittelimporten Diversifikation wichtig. Länder wie Äthiopien, Somalia, Kenia und Südsudan treffe die derzeitige Lage vor allem deshalb so hart, weil sie bis zu 90 Prozent ihres Weizens aus Russland und der Ukraine importierten.