Wie lange würde eine Transformation unseres Ernährungssystems dauern?
Wir sollten uns eher fragen: Wie lange darf sie dauern? Die Transformation des Ernährungssystems muss angesichts steigender Preise und des Klimawandels bald passieren. Einkommensschwache Gruppen leiden darunter, wenn diese Transformation zu lange dauert. Es ist wichtig, dass die Politik proaktiv handelt, um den nötigen Wandel voranzutreiben, und nicht nur reagiert. Das sehen wir gerade beim Thema Umweltlabel: Da überholt der Einzelhandel die Politik, der nun selbst solche Label testet, weil Verbraucher*innen diese nachfragen.
Wo erwarten Sie Schwierigkeiten in der Umsetzung?
Wir erwarten vor allem beim Fleischkonsum Schwierigkeiten, da dieses Thema polarisiert. Während die einen immer weniger Fleisch essen, essen andere immer mehr: Der Gesamtkonsum in Deutschland bleibt konstant, während sich die Gesellschaft auseinander entwickelt. Wir hätten jetzt die Chance, Fleisch aus der vergünstigten Mehrwertsteuer von sieben Prozent zu bekommen: Höhere Preise könnten die Kosten, die bei der Produktion entstehen, besser abbilden. Auf der anderen Seite wird dann aber Bio-Fleisch stärker verteuert als konventionelles Fleisch, was nicht den bei der Produktion entstehenden Umweltkosten entspricht.
Wie bewerten Sie die aktuelle öffentliche Debatte zum Thema Ernährungssicherung? Gibt es Aspekte, die Ihnen darin zu kurz kommen?
Den Menschen scheint bewusst zu sein, dass die Produktion und der Konsum von Fleisch ressourcenintensiv sind, aber die tatsächliche Dimension ist nicht immer deutlich. Es wäre wichtig zu zeigen, dass pflanzliche Produkte gegenüber tierischen ein Vielfaches an Ressourcen einsparen: Mit zehn Quadratmetern Ackerfläche in Deutschland kann man entweder zehn Kilogramm Brot herstellen oder ein Kilogramm Schweinefleisch. Weiterhin ist die Entwicklungszusammenarbeit wichtig. Wir wollen die Produktion im globalen Süden steigern, denn dort gibt es flächendeckend geringere Erträge. Man kann die Ernährungssicherung dort zum Beispiel mit Dünger, Technik, neuem Saatgut oder finanziellen Mitteln unterstützen. Die Hilfe dort hätte auch Einfluss auf heimische Preise.