Quelle: privat

„Auch die Jugend soll mehr für Wissenschaft begeistert werden“

Ein Gespräch mit Dr. Wolfgang Frenzel über sein Citizen Science Projekt

Sie haben gemeinsam mit dem rbb ein Kooperationsprojekt zum Thema Feinstaub durchgeführt, was waren die Ziele?

Grundsätzlich war es das Ziel, das Berliner Messnetz deutlich zu erweitern. Es ging also darum, zusätzliche Stickstoffdioxidmessungen neben denen des Berliner Senats durchzuführen. Zu diesem Zweck haben im Oktober und November 2017 fünf meiner Studenten an ca. 120 Stellen die Stickstoffdioxid-Belastung gemessen. Mit Hilfe von so genannten Passivsammlern konnten wir diese große Anzahl an Messstellen beproben und im Nachgang auswerten. Das war relativ einfach machbar. Solche Projekte wurden unter anderem auch von der Deutschen Umwelthilfe in Hamburg, Stuttgart und auch an vielen weiteren Orten über ganz Deutschland verteilt initiiert.

„Die wichtigste Erkenntnis war, dass das NO2-Problem flächendeckend besteht; also Überschreitungen der Grenzwerte nicht nur an den Messstellen des Berliner Senats auftreten.“

Nach welchen Kriterien wurden die Standorte für die Messungen ausgesucht?

Die ausgewählten Messsorte waren teilweise direkt an Kreuzungen und an Lokalitäten, wo sehr hohe Stickstoffdioxidwerte zu erwarten waren. Es ging nicht darum, Grenzwertüberschreitungen zu dokumentieren, sondern der Fokus lag darauf zu überprüfen, wie repräsentativ die unterschiedlichen Messstellen des Berliner Senats sind.

Gab es neue Erkenntnisse durch die zusätzlich gesammelten Daten?

Die wichtigste Erkenntnis war, dass das NO2-Problem flächendeckend besteht; also Überschreitungen der Grenzwerte nicht nur an den Messstellen des Berliner Senats auftreten. Das war zwar zu erwarten, aber in dieser Form bislang nicht dokumentiert. Zudem hat sich gezeigt, dass die Variabilität der NO2-Konzentrationen innerhalb einer Straße, und insbesondere in unmittelbarer Nachbarschaft dazu (Parallelstraßen, Hinterhöfe) sehr hoch ist. Häufig waren die an der Straße gemessenen Werte mehr als doppelt so hoch wie die in relativ geringem Abstand dazu ermittelten Daten.

Die Repräsentativität von Messstellen könnte man sicherlich noch steigern, um die Belastungssituation der Bevölkerung besser einschätzen zu können.

„Auch die Jugend soll mehr für Wissenschaft begeistert werden: Lehrer, insbesondere Naturwissenschaftler, sollen als Multiplikatoren in Schulen fungieren.“

Wie geht es in Zukunft mit diesem Projekt weiter?

Wir haben im Sommer 2018 ein Citizen Science Projekt zu diesem Thema gestartet. Die Idee, dass die breite Bevölkerung in wissenschaftliche Prozesse eingebunden wird, halte ich für äußerst sinnvoll. Ein Teilaspekt des Projekts gibt jedem Berliner Bürger die Möglichkeit, Stickstoffdioxid zu messen. Dazu sollen neben ortsgebundene Messungen erstmals auch personenbezogene Messungen mit tragbaren Passivsammlern durchgeführt werden. Wir überlegen derzeit noch, ob jeder Bürger die Auswertung der Messungen selbst im Labor vornehmen kann. Unser langfristiges Ziel ist es, dass die Auswertungen problemlos auch zu Hause erfolgen können. Wahrscheinlich wird das aber zu einer größeren Messunsicherheit führen; wie das in den Griff zu gekommen ist, beschäftigt uns zurzeit noch.

Auch die Jugend soll mehr für Wissenschaft begeistert werden: Lehrer, insbesondere Naturwissenschaftler, sollen als Multiplikatoren in Schulen fungieren. Dadurch könnte das Projekt einen pädagogischen und didaktischen Erfolg haben. Alles in allem könnte der Bürger selbst an wissenschaftlichen Projekten teilhaben. Dadurch erhöht sich innerhalb der breiten Bevölkerung das Verständnis für, oder auch die Skepsis an Messergebissen.

Zur Person

Herr Dr. Wolfgang Frenzel forscht an der TU Berlin zum Thema Umweltchemie und Luftreinhaltung. Seine Forschungsgruppe entwickelt unter anderem  umweltanalytische Verfahren und Messtechniken.

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