Und die Befragung liefert zumindest Anhaltspunkte, welche Erwartungen die Flüchtlinge mitbringen und welche Werte sie vertreten. So stellte sich in den Befragungen nach eigenen Angaben heraus, dass – auch wenn sich die Bildungsbiografien der Flüchtlinge stark unterscheiden – fast alle (und zwar Männer wie Frauen) eine sehr hohe Arbeitsmotivation und einen großen Bildungsdrang haben. Auch bei den Wertvorstellungen zeichnet sich ein klares Bild ab: „Bei fast allen, die wir befragt haben, ergibt sich eine extrem starke demokratische Grundüberzeugung“ sagt Herbert Brücker. Auch Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Trennung von Staat und Religion werden von einer großen Mehrheit ausdrücklich befürwortet.
Überraschend, so Herbert Brücker, ist auch, dass sich etwa die Hälfte der Flüchtlinge zu Beginn der Flucht bewusst für Deutschland entschieden haben. In den Befragungen stellte er außerdem fest, dass „die Menschen erstaunlich viel über Deutschland wissen, während unsere Gesellschaft recht wenig über die einzelnen Herkunftsländer weiß“. Doch nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Wissenschaft weiß bislang wenig über die konkreten Beweggründe, Umstände und Erfahrungen vor und während der Flucht. Gemeinsam mit dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und dem Forschungszentrum am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet das IAB daher an der ersten großen repräsentativen Erhebung zu Flüchtlingen in Deutschland. Mit mehr als 400 Fragen wird diese breit gefächerte Erkenntnisse zu den Einstellungen, Erwartungen und Erfahrungen der Flüchtlinge liefern.
Solange müssen die Aussagen über die Werte und Einstellungen der Flüchtlinge noch mit aller Vorsicht betrachtet werden, denn die Interpretation von subjektiven Schilderungen unterliegt vielen Fallstricken. Ganz besonders, weil „Erwartungen auf Erfahrungen reagieren und permanent neu ausgehandelt werden“ so Jochen Oltmer. Berücksichtigen müsse man laut Herbert Brücker auch, dass sich „Einstellungen und Identifikation mit der Aufenthaltsdauer verändern“. Es ist also umso wichtiger, dass die große Flüchtlingsbefragung vom IAB als Längsschnittstudie angelegt und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden wird. Um die Ergebnisse auswerten zu können, müssen gleichzeitig auch Vergleichswerte anderer Gruppen (erhoben und) herangezogen werden können – eine Menge Arbeit, die auf die Wissenschaftler zukommt.