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Fracking und Energiesicherheit – Revival einer umstrittenen Technologie?

Über Vorgehen, Chancen und Risiken

Wie kann Deutschland das Gas aus Russland ersetzen? Diese Frage diskutieren Politik und Gesellschaft seit Beginn des Krieges in der Ukraine intensiv und kontrovers. In dieser Debatte ist nun eine Technologie in den Fokus gerückt, die seit 2017 in Deutschland verboten ist: das unkonventionelle Fracking.

Auf die Gesteinsart kommt es an

Der Begriff „Fracking“ fasst die englische Bezeichnung „Hydraulic Fracturing“ zusammen und meint das Aufbrechen (englisch to fracture) des Bodens mit Wasserdruck. Dazu wird beim Fracking von dem sehr niedrig durchlässigen Gestein ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien in die Zielformation gepumpt. Es entstehen Risse, durch die das im Boden vorhandene Gas entweichen kann. Die Gesteinsart des Bodens bestimmt, ob und wie Fracking angewandt wird.

Konventionelle Lagerstätten von Gas befinden sich etwa in porösem Sanstein. Das Gas kann leichter zu den Förderbohrungen strömen und weniger Bohrungen sind nötig. Bei unkonventionellen Lagerstätten ist das Gas in dichtem Gestein eingeschlossen. Damit das Gas gefördert werden kann, müssen Wegsamkeiten geschaffen werden. Diese Lagerstätten befinden sich beispielsweise in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein. Entsprechend dieser Lagerstätten heißt dieses Verfahren unkonventionelles Fracking. 

„Das sogenannte konventionelle Fracking bei der Erdgasförderung aus Sandgestein wird in Deutschland schon seit vielen Jahren angewendet und ist langjährig erprobt.“

Prof. Dr. Charlotte Krawczyk, Geophysikerin am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam und Vorsitzende der Expertenkommission Fracking

„Das sogenannte konventionelle Fracking bei der Erdgasförderung aus Sandgestein wird in Deutschland schon seit vielen Jahren angewendet und ist langjährig erprobt“, sagt Prof. Dr. Charlotte Krawczyk. Sie ist Geophysikerin am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam und Vorsitzende der Expertenkommission Fracking, die 2018 von der Bundesregierung eingesetzt wurde. Seit 1961 fördern in Deutschland Unternehmen Gas durch konventionelles Fracking. Auch wenn seit 2012 nicht mehr gebohrt wurde, lässt sich aus den Bohrungen heute noch Gas gewinnen.

Genauere Risikoabwägung nötig

Das unkonventionelle Fracking dagegen ist seit 2017 in Deutschland verboten. An diesem Verbot rütteln mit Blick auf den Herbst die ersten Politiker*innen. Laut einer Schätzung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 2016 lagern in unkonventionellen Lagerstätten wie Schiefergestein in Deutschland zwischen 320 Milliarden und 2030 Milliarden Kubikmeter Gas. Deutschland verbraucht aktuell jährlich etwa 90 Milliarden Kubikmeter Gas. „Wir könnten bestenfalls den Gasbedarf von Deutschland rein theoretisch für fast 25 Jahre decken“, sagt Prof. Dr. Moh’d M. Amro, Ingenieur an der Bergakademie Freiberg. Laut BGR liegen die größten Vorkommen von Schiefergas in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auf Rügen.

Doch das Moratorium von 2017 fußte auf vielfältigen Bedenken, was die Risiken von Fracking betrifft. Das Umweltbundesamt nennt in einem Gutachten aus dem Jahr 2014 verschiedene Gefährdungspotenziale: So könnten die beim Fracking eingesetzten Chemikalien ins Grundwasser gelangen, die Bohrungen könnten Erdbeben hervorrufen und aus den Bohrlöchern kann das besonders klimaschädliche Gas Methan entweichen. Flankiert wurde das von einer öffentlichen Bewegung gegen Fracking, deren Auslöser Unfälle beim Fracking in den USA waren. So sind dort etwa Chemikalien aus der Frackflüssigkeit ins Grundwasser gelangt. Zusätzlich sank das Interesse seitens der Industrie auch wegen der sinkenden Rohölpreise und der damit einhergehenden sinkenden Gewinnerwartungen. Durch das Moratorium – umgesetzt im Wasserhaushaltsgesetz § 13a – wurden die damals angedachten Probebohrungen gestoppt, um die Risiken ausführlicher abzuwägen. 

Dazu setzte die Bundesregierung eine Expertenkommission Fracking ein. Sie veröffentlicht seitdem jährlich einen Bericht zum Stand der Technik und neuen Studien zu Risiken. „Außerdem war es Sinn und Zweck der Fracking-Gesetzesnovelle 2017, vier Erprobungsmaßnahmen zu ermöglichen. Davon wurde jedoch bis heute kein Gebrauch gemacht“, so die Vorsitzende Krawczyk. Diese vier sogenannten Probebohrungen sollten „mehr Erkenntnisse zu den Risiken erzielen“. Bereits bekannt sind laut Krawczyk drei Risikobereiche, die sich mit denen aus dem Gutachten des Umweltbundesamts decken: Methanemissionen, induzierte Seismizität (Erdbebengefahr) sowie eine Gefährdung von Grundwasser und Oberflächengewässern. Der Ingenieur Amro findet: „Es fehlt an Informationen. Die Industrie braucht Zusicherungen, um starten zu können. Dafür sind Forschungsbohrungen nötig.“ 

„Wenn man diese Methode [Fracking] gut vorbereitet, werden Unfälle, wie in den USA, nicht passieren. Es gibt wissenschaftlich festgelegte Standards, die eingehalten sein müssen, bevor gefrackt werden darf.“

Prof. Dr. Moh’d M. Amro, Ingenieur an der Bergakademie Freiberg

Er ist sich aber sicher: „Wenn man diese Methode gut vorbereitet, werden solche Unfälle, wie in den USA, nicht passieren. Es gibt wissenschaftlich festgelegte Standards, die eingehalten sein müssen, bevor gefrackt werden darf.“ Genau solche „Handlungsempfehlungen zur Risikominderung“ habe die Expertenkommission in den vergangenen Jahren erarbeitet, so Krawczyk. Trotzdem sagt sie: „Ein Restrisiko wird allerdings immer bestehen. Den Abwägungs- und Entscheidungsprozess muss die Politik führen.“ In den vergangenen Jahren schien kein Interesse seitens der Politik oder der Industrie zu bestehen – Forschungsbohrungen wurden nicht beantragt.

Erstes Gas in wenigen Monaten oder mehreren Jahren?

Doch selbst wenn die Politik sich unter den aktuellen Umständen dafür entscheiden würde: Könnten uns die Schiefergasvorkommen schon in diesem Winter helfen? Charlotte Krawczyk schätzt, dass für die erforderlichen „Prüf-, Beteiligungs- und Genehmigungsschritte“ wahrscheinlich „mehrere Jahre“ anzusetzen sind. Moh’d Amro beschreibt die nächsten Schritte so: Nach ersten geophysikalischen Berechnungen könnten innerhalb von sechs Monaten Probebohrungen vorgenommen werden, die bereits erstes Gas liefern könnten – mit einer Förderung im „großen Umfang“ würde er in etwa fünf Jahren rechnen, wenn jetzt der Startschuss gegeben würde.

Auch „klimapolitische“ Aspekte sollten in einer Abwägung eine Rolle spielen, so die Vorsitzende der Expertenkommission. Laut einer Studie des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung liegen die Emissionen bei der Förderung von Schiefergas um bis zu 35 Prozent höher als bei konventioneller Gasförderung. Die Emissionen entstehen vor allem durch das sehr klimaschädliche Gas Methan, was aus Lecks unkontrolliert entweichen kann. Kritiker*innen – wie etwa die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert – fordern, alternativ einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und mehr Effizienz – und damit den Gasverbrauch zu senken.

„Die Gasvorkommen in Deutschland reichen nicht aus, um von Gasimporten unabhängig zu werden.“

Prof. Dr. Charlotte Krawczyk, Geophysikerin am Deutschen Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam und Vorsitzende der Expertenkommission Fracking

Davon unabhängig betont die Geowissenschaftlerin Krawczyk: „Die Gasvorkommen in Deutschland reichen nicht aus, um von Gasimporten unabhängig zu werden.“ Der Gasbedarf Deutschlands steigt in den kommenden Jahren laut Schätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. „Ich betrachte das Schiefergas als eine vorübergehende Lösung“, sagt Moh’d Amro. Bisher liegt der Schwerpunkt der deutschen Gasversorgung auf Importen via Pipelines. Ab Ende des Jahres sollen zwei sogenannte Flüssiggasterminals ans Netz gehen. Dadurch kann verflüssigtes Gas etwa aus den USA importiert werden – was dort häufig mit Fracking gewonnen wurde. Amro sagt dazu: „Ich bevorzuge einheimisches Gas, denn das ist umweltschützend und günstig.“ Das sorge sowohl für eine wetterunabhängige und auch von der politischen Lage unabhängige Versorgung und sei kostengünstiger. Er findet: „Es muss in der aktuellen Debatte zu Fracking nicht um das ‘ob’ gehen, sondern vielmehr um das ‘wie’.“

 

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