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Klimakiller Methan

Wie schädlich ist Fracking-Gas fürs Klima?

Sollten deutsche Gasvorkommen mithilfe von Fracking erschlossen werden? Schließlich brauchen wir derzeit doch alle heimischen Energiequellen, um uns vom russischen Gas unabhängig zu machen. Bei diesem Argument sehen Umweltschützer*innen und viele Energieexpert*innen rot. Sie verweisen auf die schlechte Klimabilanz des Fracking-Gases. Zu Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, passe diese Fördermethode nicht.

Eigentlich gilt Gas unter Klimaschutzaspekten als das kleinere Übel gegenüber anderen fossilen Energieträgern. Es setzt bei der Verbrennung nur rund halb soviel CO2 frei wie Kohle. Die Europäische Union hat das Geschäft mit Gas im Februar 2022 sogar zum möglichen Bestandteil grünen Investments erklärt. Es ist eine Art temporärer Öko-Stempel: Die Kommission hat in ihrer Taxonomie – das ist eine Klassifizierung nachhaltiger Geldanlagen – Gas allerdings nur dann als grün eingestuft, wenn es noch klimaschädlichere Energieformen wie die Kohle ablöst und die Betreiber bis 2035 auf klimafreundlichere Energieträger umsteigen.

Gas als Übergang in die Klimaneutralität – so lautet also die Lösung. Umweltschützer*innen und auch Energieexpert*innen warnen jedoch davor, in dieser Transformationsphase die Gasförderung in Deutschland auszuweiten, insbesondere durch Fracking. Während vor einem Jahrzehnt noch eine mögliche Grundwasserverseuchung durch Chemikalien in der Fracking-Flüssigkeit und potentielle Erdbeben als Hauptargumente gegen dieses Tiefenbohrungen aufgeführt wurden, rückte in den vergangenen Jahren die schlechte Klimabilanz von Fracking in den Fokus: Beim Aufbrechen der tiefen Gesteinsschichten entweicht Methan in die Umwelt. Dort oxidiert es zu Kohlenstoffmonoxid und schließlich zu Kohlenstoffdioxid (CO2).

 „Es gibt zwar wesentlich weniger Methan in der Luft als CO2. Aber Methan ist über einen Zeithorizont von 100 Jahren betrachtet 28 bis 34 Mal klimaschädlicher als CO2.“

Prof. Dr. John Burrows, Professor für Physik des Ozeans und der Atmosphäre, Universität Bremen

Für die Klimabilanz von Gas spielt dieser Methanausstoß eine wesentliche Rolle. „Es gibt zwar wesentlich weniger Methan in der Luft als CO2. Aber Methan ist über einen Zeithorizont von 100 Jahren betrachtet 28 bis 34 Mal klimaschädlicher als CO2“, so John Burrows, Professor für Physik des Ozeans und der Atmosphäre an der Universität Bremen. Er verweist auf Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

Der Direktor des IFE (Institut für Umweltphysik und Fernerkundung) hat mit seinem Team mithilfe von Daten aus Fernerkundungssatelliten 2014 und 2020 den Methangehalt in der Atmosphäre quantifiziert. Dazu nutzten sie Daten des Sentinel-5 Precursor Satelliten, der die Luftverschmutzung und Leckraten aus dem All überwacht. „Wir waren die ersten, die diese Messmethode in Bremen entwickelt haben“, sagt Burrows. Eine Feststellung: „Wir sehen in den USA mehr Methan in den Gegenden, in denen es Fracking gibt..“

Der Fracking-Boom in den USA habe zu einer 33 prozentigen Steigerung der globalen Methan-Emission beigetragen.

so Robert W. Howarth, Cornell Universität in Ithaca, New York

In den USA setzte 2008 ein Fracking-Boom ein, überall im Land schossen kleine Förderstationen aus dem Boden. Verlassene Bohrlöcher brannten vor sich, Leckagen wurden nicht geschlossen . Robert W. Howarth von der Cornell Universität in Ithaca, New York geht davon aus, dass der Fracking-Boom in den USA zu einer 33 prozentigen Steigerung der globalen Methan-Emissionen beigetragen hat. Drei Viertel des in den USA geförderten Erdgases stammte 2021 aus Fracking-Quellen, so eine Statistik der Energy Information Administration.

Wie viel Methan genau pro Bohrung freigesetzt wird, lässt sich schwer messen. Die Betreiber der Anlagen halten ihre Schätzungen bewusst niedrig. „In fast allen Ländern, einschließlich den USA und Europa, schickt die Industrie einfach ihre Zahlen an die Regierungen, oft basierend auf theoretischen Werten. Und diese Zahlen der Industrie sind eindeutig viel zu niedrig“, sagt Howarth gegenüber der ZEIT. „Eine unabhängige Überprüfung gibt es nicht.“

Doch eine genaue Bestimmung der Methan-Emissionen sei essentiell für die Bewertung, ob Gas als Brücke in eine CO2-freie Zukunft geeignet sei, so die Bremer Wissenschaftler*innen um John Burrows. Schließlich hängt vom entweichenden Methan maßgeblich ab, ob Gas wirklich klimafreundlicher ist als Kohle. „Je nachdem wie viel Methan (CH4) bei der Förderung des Gases freigesetzt wird übersteigt die Klimabilanz des Gases jene der Kohle.“ Bei einer Methanentweichung von zwischen zwei und drei Prozent der geförderten Gasmenge sei dieser Kompensationspunkt erreicht. Dann büßt Gas seinen Klimavorteil gegenüber der Kohle ein.

Theoretisch ließe sich der Methan-Ausstoß durch Investitionen in die Fracking-Förderanlagen und einen sorgsamen Förderprozess signifikant senken. Doch viele Unternehmen setzten in der Vergangenheit eher auf die rasche und kostengünstigere Förderung und verließen zudem nach einigen Monaten die Bohrlöcher sich selbst. Dort strömte dann weiter das schädliche Methan aus.

„Es wäre technisch möglich, die Methanausweichungen auf unter ein Prozent zu reduzieren. Dann hätte man einen klaren Vorteil gegenüber der Kohleverbrennung.“

Prof. Dr. John Burrows, Professor für Physik des Ozeans und der Atmosphäre, Universität Bremen

Burrows hält es technisch für möglich, die Methanausweichungen auf unter ein Prozent zu reduzieren. „Dann hätte man einen klaren Vorteil gegenüber der Kohleverbrennung.“ Das setzt allerdings Investitionen voraus sowie strikte gesetzliche Vorgaben und Überwachungen, wie sie es auf vielen Gasfeldern der Welt nicht gibt.

In den USA hat man das Problem erkannt und die Vorschriften zum Umgang mit Bohrlöchern verschärft. Die strengeren Vorschriften scheinen zu wirken. Bei der Bremer Auswertung von Satellitendaten im Jahr 2014 lag die Methan-Leckrate über den fünf großen US-Gasfeldern noch bei über drei Prozent. 2020 war dies nur noch im Anadarko Basin mit 3,9 Prozent Methanausstoß der Fall. „2020 überschritt kein anderes US-Gasfeld die Grenze“, sagt Burrows. 

In zwei anderen großen Gasfeldern, Galkynysh und Dauletabad in Turkmenistan, liegt die Methan-Emission laut der Bremer Studie mit 4,1 Prozent jedoch weit über dem Kompensationspunkt. Das weise darauf hin, so die Forscher*innen, dass dort wenig unternommen werde, um Methan-Emissionen zu vermeiden. Für den Import von Gas heißt das: Die Herkunft des Frackinggases spielt für dessen Klimabilanz eine große Rolle, doch sie beinhaltet weit mehr. Sie beginnt am Bohrloch und endet bei dessen Verbrennung häufig viele Tausend Kilometer entfernt: Wie wurde das Gas gewonnen? Traditionell oder durch Fracking? Wie wurde es an welchen Ort der Welt transportiert? Durch Pipelines oder umgewandelt in Flüssiggas (LNG) auf Schiffen? 

Eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts hat im Auftrag des Umweltbundesamtes die Klimabilanz von Gas aus verschiedenen Ländern und Transportsystemen verglichen. Fracking-Gas, das unter hohem Energieaufwand verflüssigt (LNG) und über lange Strecken nach Europa verschifft wird, hat die schlechteste Klimabilanz unter den Erdgasformen. Tatsächlich werden durch ein Abkommen der EU und USA in diesem Jahr zusätzliche 15 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Europa transportiert. Es stammt vorwiegend aus Fracking-Anlagen in den USA.

„Die Klimabilanz von Fracking-Gas, das bei uns gefördert wird, ist deutlich besser als die von Fracking-Gas, das wir aus anderen Staaten importieren.“

Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, Geophysiker, ehemaliger Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff (BGR)

Wäre das die Chance für Deutschland, es besser zu machen und hierzulande Gas klimafreundlicher zu fördern, als es aus dem Ausland importierte Energie sein kann? „Die Klimabilanz von Fracking-Gas, das bei uns gefördert wird, ist deutlich besser als die von Fracking-Gas, das wir aus anderen Staaten importieren“, sagt Hans-Joachim Kümpel, Geophysiker und langjähriger Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff (BGR).

Ein Argument für deutsches Fracking ist das in den Augen von Wissenschaftler*innen und Energieexpert*innen nicht. „Langfristig müssen wir die Emissionen von Kohle und Gas auf Null bringen, um unsere Klimaziele zu erreichen“, betont John Burrows. Neue Investitionen in fossile Energie, von denen Deutschland derzeit eigentlich verabschiedet, seien da völlig kontraproduktiv, sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. So würden Abhängigkeiten nur weiter zementiert. Sie plädiert dafür, den Ausbau der erneuerbaren Energien noch schneller voranzutreiben. Windräder statt Fracking-Türme, fürs Klima wäre es ohne Frage besser.

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