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Welche Risiken birgt das Fracking?

Über Frack-Flüssigkeit, Methan und Erdbeben

In der aktuellen Energiekrise sucht die Politik nach Möglichkeiten, die Energieversorgung in Deutschland zu stabilisieren. Hierzu nimmt sie auch umstrittene Energiequellen wieder in den Blick: unkonventionelles Fracking von Gas. 

Fracking steht in der Kritik, sowohl Trinkwasser als auch Klima zu gefährden und Erdbeben auszulösen. Wegen mangelnder Erfahrungen und Kenntnisse über die Auswirkungen auf die Umwelt wurde diese Methode der Gasförderung 2017 in Deutschland verboten

Einsatz von Chemikalien

Beim Gas-Fracking wird eine Flüssigkeit in den Boden gepumpt, um die beim Bohren entstehenden Risse offen zu halten und das Gas freizusetzen. Diese Frack-Flüssigkeit besteht zum einen aus Stützmitteln wie Quarzsand, zum anderen aus Chemikalien. Prof. Dr. Jan Hengstler, Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, erklärt, dass über 1000 Chemikalien in dieser Flüssigkeit vorhanden sein können: „Einige dieser Substanzen können krebserregend oder reproduktionstoxisch sein. Ob und welche konkreten Auswirkungen die Chemikalien auf den Menschen haben könnten, hängt davon ab, mit wie viel dieser Flüssigkeit die Menschen in Kontakt kommen.“

Der Wissenschaftler sieht das Trinkwasser durch das Bohren und das Einpumpen der Frack-Flüssigkeit weniger gefährdet: „Fracking findet deutlich tiefer im Boden statt und kommt in der Regel nicht mit dem Trinkwasser in Berührung.“

„Beim Abpumpen der Flüssigkeit werden Substanzen aus dem Boden hochgeholt, die vorher nicht Teil der Flüssigkeit waren. So können zum Beispiel Arsen, Bromid und auch radioaktive Substanzen zurückfließen.“

Prof. Dr. Jan Hengstler, Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, TU Dortmund

Problematischer sei vielmehr der Flowback, also das Lagerstättenwasser, das in Folge der Gasförderung am Bohrloch wieder austritt. Dabei handelt es sich um sehr große Mengen an Flüssigkeit, so Hengstler. „Beim Abpumpen der Flüssigkeit werden Substanzen aus dem Boden hochgeholt, die vorher nicht Teil der Flüssigkeit waren. So können zum Beispiel Arsen, Bromid und auch radioaktive Substanzen zurückfließen.“ Weiterhin können Chemikalien der Frack-Flüssigkeit auch im Lagerstättenwasser reagieren, sodass Transformationsprodukte entstehen wie sogenannte halogenierte Kohlenwasserstoffe, die gefährlich sein könnten. Diese findet man sonst beispielsweise in chlorierten Lösungsmitteln. 

Daher ist eine sachgemäße Entsorgung des Flowbacks notwendig. „In Deutschland hat man versucht, dieses Wasser in unterirdische Versenkbrunnen zu leiten. Hierfür ist eine besondere Infrastruktur notwendig. Diese Art der Entsorgung ist teuer“, erklärt Hengstler. Von einer kostengünstigeren oberirdischen Entsorgung in Gewässer oder auf landwirtschaftlichen Flächen rät der Toxikologe allerdings ab: „Auch wenn die Konzentration toxischer Substanzen in der Frack-Flüssigkeit meist gering ist, kann es bei regelmäßiger überirdischen Entsorgung zur Anreicherung sowohl auf Flächen als auch in Oberflächengewässern kommen.“ Diese Flowback-Problematik habe man bei der konventionellen Gasförderung nicht. 

Klimakiller Fracking?

Auch die hohen Methanemissionen beim Fracking werden kritisch gesehen. Methan ist ein Gas – Hauptbestandteil von Erdgas und 25-mal klimaschädlicher als CO2. Seit 2008 hat sich der Methangehalt in der Atmosphäre deutlich erhöht. Das könnte unter anderem daran liegen, dass seitdem viel häufiger gefrackt wird. Ob unkonventionelles Fracking der Haupttreiber für einen höheren Methanausstoß ist, ist unklar. 

In einer Studie von 2019 untersucht Biogeochemiker Robert W. Howarth den Einfluss von Schiefergas auf das Methanvorkommen in der Atmosphäre. Er fasst zusammen, dass in Methan aus Schiefergas deutlich häufiger das Isotop C12 vorkomme als in konventionellem Erdgas. Nach der Untersuchung der Zusammensetzung der Atmosphäre stellt Howarth fest: C12 kommt sehr häufig vor, sodass ein großer Teil der erhöhten Methanemission auf Fracking-Gas zurückzuführen sei. 

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) führt jedoch Studien auf, die Fracking maximal einen leicht erhöhten oder sogar geringeren Methanausstoß zuschreiben als konventioneller Gasförderung. Daher könne ein Zusammenhang zwischen Höhe des Methanverlustes und der Förderungsmethode nicht eindeutig abgeleitet werden.  

Die reine Risserzeugung beim Fracking ist in der Regel nicht verantwortlich für eine erhöhte Methanemission. Ein Grund könnte, laut BGR, der Flowback sein. Da Fracking in Deutschland verboten ist, können hier nur Beispiele aus den USA und Kanada herangezogen werden: Hier war es in der Vergangenheit üblich, einen Großteil des Flowbacks in Auffangbecken zu leiten. Dabei entwichen große Mengen an Methan in die Atmosphäre. Weiterhin sind Lecks in solchen Gasanlagen, zum Beispiel in Pipelines, verantwortlich für einen vermehrten Methanaustritt. 

Sorgt Fracking für Erdbeben?

Eine ähnlich große Aufmerksamkeit kamen Erdbeben zu, die durch Fracking entstehen sollen. Prof. Dr. Manfred Joswig, ehemaliger Leiter des Instituts für Geophysik der Universität Stuttgart erklärt, dass durch Fracking ausgelöste Erdbeben nicht unüblich sind: „Die Druckerhöhung verringert lokal die Festigkeit des Gesteins. Je nach Zustand des natürlichen Spannungsfeldes kann dadurch das Auslösen von Erdbeben begünstigt werden. Das nennen wir induzierte Seismizität.“ 

„Die Stärke des Bebens ergibt sich aus der Größe seiner Bruchfläche. Fracking wirkt in 100 Meter Intervallen, konventionelle Gasförderung aus porösen Sandsteinformationen reicht kilometerweit. Daher hat die unkonventionelle Gasförderung auch eine geringere Gefährdung als die konventionelle.“

Prof. Dr. Manfred Joswig, ehemaliger Leiter des Instituts für Geophysik der Universität Stuttgart

Der Geophysiker erklärt, welche Faktoren bei der Gasförderung entscheidend für Erdbeben sein können: „Je näher das Erdbeben an der Oberfläche ist und je stärker es ist, desto höher ist die seismische Gefährdung. Die Stärke des Bebens ergibt sich aus der Größe seiner Bruchfläche. Fracking wirkt in 100 Meter Intervallen, konventionelle Gasförderung aus porösen Sandsteinformationen reicht kilometerweit. Daher hat die unkonventionelle Gasförderung auch eine geringere Gefährdung als die konventionelle.“ Auch die Dauer des Frackings habe keine Auswirkungen auf Erdbebenaktivität, da an anderer Stelle weiter gebohrt würde, wenn ein Gebiet vollständig ausgefördert worden sei. 

„Für die Beurteilung der seismischen Gefährdung ist außerdem immer relevant, wie viel Wasser in die Erde gepresst wird und wie viel Erdgas gefördert werden soll“, so Joswig. „Denn hiervon hängt die Größe des betroffenen Gebiets ab und damit die potenzielle Bruchfläche. Beim Fracking werden relativ kleine Mengen verpresst, sodass die seismische Gefährdung gering ist.“ 

Prof. Dr. Rebecca Harrington von der Ruhr-Uni Bochum fand bei Untersuchungen jedoch heraus, dass Erdbeben in Westkanada trotz geringer verpresster Mengen an Frack-Flüssigkeit deutlich spürbar waren. Aber auch sie spricht davon, dass Fracking lediglich natürliche Spannungen anstoße, die dann zu Erdbeben führen könnten. 

Wie können Risiken minimiert werden?

„Eingriffe in den Untergrund sind erprobte bergmännische Praxis“, erklärt Jowsig. Und auch Hengstler hält es für möglich, Risiken beim Fracking deutlich zu minimieren. Beide Wissenschaftler betonen aber, dass es hierfür notwendig sei, Vorkehrungen zu treffen, um Vorgänge und Bestandteile der Technik zu optimieren. Prozesse müssten optimiert und Bohrlöcher bei gestoppter Gasförderung geschlossen werden, um weiteren Methanausstoß zu vermeiden. Auch müsse die Erdbebenaktivität ständig überwacht werden, um auch hier die Risiken zu minimieren, so Joswig. Und auch die Zusammensetzung der Frack-Flüssigkeit müsse überarbeitet werden, sodass weniger Chemikalien eingesetzt werden, sagt Hengstler. Das Problem hierbei und auch bei anderen Kontrollmechanismen ist, erklärt der Toxikologe: „Das kann mehr kosten und macht ordnungsgemäßes Fracking finanziell weniger rentabel.“

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