Drei weitere Entwicklungen sind beunruhigend. So gibt es erstens einen Zusammenhang zwischen Umweltveränderungen, Lebensmittelknappheit und Konflikten. Ein Beispiel ist der seit Jahrzehnten durch Austrocknung schrumpfende Tschadsee. Weil sich dadurch die Lebensgrundlage von Millionen Menschen verschlechtert, fliehen immer wieder große Gruppen in benachbarte Länder, was dort die politische Stabilität gefährdet. 60 Prozent aller Menschen weltweit, die an Hunger und Unterernährung leiden, derzeit 815 Millionen, sind zugleich auch Opfer kriegerischer Konflikte. Andererseits ist zu beobachten, dass Klimawandel und Umweltveränderungen zunehmend als Sicherheitsproblem und nicht zuerst als Herausforderungen für eine zivile internationale Zusammenarbeit betrachtet werden.
Zweitens werden, unter anderem als Folge großer Migrationsbewegungen, die Konflikte immer stärker in Städte hineingezogen, wie das International Institute for Strategic Studies IISS in London in seinem „Armed Conflict Survey 2017“ warnt. „Während in der Vergangenheit typische Aufständische in Bergen, Wäldern oder Dschungeln kämpften, findet man sie heute eher in einer städtischen Umgebung“, sagt John Chipman, Direktor des IISS. Das stelle sowohl Hilfsorganisationen als auch reguläre Militäreinheiten, die die Aufständischen bekämpfen sollen, vor neue Probleme. Die jüngsten Anschläge in europäischen Großstädten, die der Islamische Staat für sich reklamiert hat, sind dabei nur ein kleinerer Teil dieser Verschiebung.
Drittens kommen neben den weit verfügbaren Kleinwaffen immer gefährlichere Präzisionswaffen ins Spiel. Der Drohnenkrieg, den Ex-US-Präsident Barack Obama intensivierte, mag zwar der heimischen Bevölkerung das Bild einer sauberen Intervention vorgaukeln. Tatsächlich handle es sich dabei um eine Art „Drive-by“-Intervention, so SIPRI-Direktor Smith , ähnlich den Schießereien aus Autos in Bandenkriegen. Die könnten schleichend die Bereitschaft steigern, sich auch ohne eigene Truppen aus der Ferne an Konflikten zu beteiligen. Drohnen sind dabei nur die erste Stufe hin zu neuen Waffensystemen, die mit Technologien aus Robotik und Künstliche-Intelligenz-Forschung autonom agieren sollen – und Militärs und Waffenhersteller weltweit elektrisieren. Während mit dem 2013 verabschiedeten Vertrag über den Waffenhandel, dem ATT, erstmals ein völkerrechtliches Abkommen gegen Kleinwaffen geschlossen wurde, liegt ein vergleichbares Abkommen gegen „Killer-Roboter“ noch in weiter Ferne.
Die Vorstellung, mit immer ausgeklügelteren neuen Waffensystemen schneller und „präziser“ Frieden zu schaffen können, halten Friedensforscher allerdings für abwegig. „Erst wenn es gelingt, in den Konfliktgebieten funktionierende und vor allem von der Bevölkerung als legitim angesehene Staaten zu errichten, wird der Krieg ‚austrocknen’“, sagt Jochen Hippler