Welche Rolle spielt die örtliche Zivilgesellschaft für die Sicherung von Frieden und die Prävention von bewaffneten Konflikten?
In einem Konfliktgebiet helfen örtliche, zivilgesellschaftliche Akteure dabei, die Sicherheitsbedürfnisse und subjektiven Wahrnehmungen der Bevölkerung zu verstehen und sie zu artikulieren. Durch ihre Bürgernähe können sie realisierbare Lösungsansätze entwickeln und in politische Entscheidungsprozesse der Übergangsregierung einbringen. Zudem übernehmen sie eine wichtige Aufsichtsfunktion über Sicherheitskräfte, wenn es um Rechtsstaatlichkeit, Polizeireformen und andere Fragen des Sicherheitssektors geht. So können zivilgesellschaftliche Akteure zum Beispiel durch nationale Dialogprozesse mobilisiert werden und als Katalysator von Friedensprozessen dienen.
Sie waren selbst als zivile Expertin im Einsatz. Wo waren Sie und was konnten Sie dort für den Frieden bewirken?
In Bosnien-Herzegowina habe ich von 2002 bis 2003 als politische Beraterin gearbeitet: In der polizeilich ausgerichteten Mission habe ich mit verschiedenen Polizeikräften in Bosnien zusammengearbeitet, um das Dayton-Abkommen (Friedensvertrag zur Beendigung des Krieges in Bosnien-Herzegowina; Anm.d. Red.) weiter umzusetzen, die Polizei zu stärken und effizienter zu organisieren. Für diese Reform haben wir alle Direktoren der verschiedenen Polizeiorganisationen zusammengerufen und gemeinsam Prioritäten für die polizeiliche Arbeit und die Entwicklung der bosnischen Polizei erarbeitet.
2013 und 2014 habe ich im Rahmen einer breiteren Reform des Sicherheitssektors in Libyen libysche Agenturen zu Fragen der Grenzverwaltung beraten. Wir haben es geschafft, die Zusammenarbeit zwischen den vielen Agenturen (Küstenwache, Grenztruppen, Marine, Polizei, Zoll, usw.) anzukurbeln. Zu diesem Zweck haben wir alle in einem Workshop zusammenzugebracht, wo sie sich über ihre jeweiligen Rollen und über Herausforderungen und Konzepte der Grenzverwaltung austauschen konnten. Auch als Teil der Sicherheitssektorreform haben wir ein Dokument erarbeitet und übergeben, das darstellt wie die Rolle und Arbeitsteilung unter unterschiedlichen Sicherheitsakteuren – aber auch die demokratische Kontrolle dieser Akteure – in Verfassungen aus anderen Ländern geregelt wird.
Wie nachhaltig tragen solche Einsätze zum Frieden bei?
Im Fall von Libyen muss man sich fragen, ob das Land wirklich für einen Reformprozess bereit war. Die Sicherheitslage hat sich ja stark verschlechtert und die Mission musste aus Tripolis abgezogen werden. Generell kann man an der Länge der Missionen von bis zu zehn Jahren sehen, dass die Prozesse langfristig sind und Fortschritte beim Aufbau der Polizei, eines Gerichtswesens oder verbesserte Bedingungen im Gefängniswesen Zeit brauchen. Da sieht man vielleicht erst nach einigen Jahren eine Wirkung. Trotzdem bringt man Prozesse in Gang, die zwar später, aber dann hoffentlich dauerhaft Früchte tragen.