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Wie gedenken?

Warum Denkmäler gestürzt werden und wie wir mit problematischer Erinnerungskultur umgehen können.

Andrew Jackson in den USA, Edward Colston in Großbritannien, König Leopold II in Belgien: Rund um den Globus kommt es nach dem gewaltsamen Tod des US-Amerikaners George Floyd zu antirassistischen Demonstrationen und infolgedessen zu Denkmalstürzen historischer Persönlichkeiten, die im Vorwurf stehen, rassistisch gewesen zu sein. Die Demonstrierenden wollen damit ein starkes Zeichen gegen Rassismus setzen. Dabei ist der Sturz von Denkmälern keineswegs ein neues Phänomen. 

Denn in der Kunstgeschichte lassen sich viele Beispiele des sogenannten “Bildersturms” oder “Ikonoklasmus” finden. Prof. Dr. Birgit Dorner, Professorin für Kunstpädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München erläutert: „Das grundlegende theoretische Prinzip hinter Ikonoklasmus ist, dass ein Bildwerk, ein ganz starkes Zeichen für etwas wird, quasi eine Ikone für dieses wird, das vernichtet werden muss.” Und diese Ikone wird dann stellvertretend für das, auf das es verweist, vernichtet. Als gängige Beispiele nennt sie  Statuen von gestürzten Herrschern wie Saddam Hussein und Lenin: „Ikonoklasmus gab und gibt es aber nicht nur nach Erfolgen einer Gruppierung über eine andere, sondern auch während Prozessen des Aushandelns, wie wir es aktuell in den USA ganz aktiv erleben”, so Dorner. 

 „Denkmäler sind Teil der Erinnerungskultur und symbolisieren diese.”

Dr. Jonas Anderson, Bundeswehr Universität München

Den Grund, weshalb Denkmäler so symbolische Zeichen sind, erläutert Dr. Jonas Anderson, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Neuere und Neueste Geschichte der Bundeswehr Universität München: „Denkmäler sind Teil der Erinnerungskultur und symbolisieren diese. Denn Denkmäler verfolgen die Intention, bestimmte Taten und Ereignisse und deren Interpretation für künftige Generationen lebendig zu halten.” Daher müssten diese allerdings auch im Kontext von Erinnerungskultur betrachtet werden. 

Eine Erinnerungskultur ist dabei nicht konstant, sondern verändert sich über die Zeit – Generationen bewerten historische Ereignisse und Persönlichkeiten nicht selten anders als ihre Vorfahren. In der aktuellen Debatte zeigt sich das ganz besonders und Anderson verweist hier auf Präsidenten wie Washington und Jefferson, die als große Persönlichkeiten der US-amerikanischen Geschichte gelten, aber dennoch Sklaven hielten. Dorner sieht darin die Komplexität der aktuellen Diskussion. Die Proteste sind hier zwar politisch nachvollziehbar, aber faktisch sehr komplex, da viele historische Biografien ambivalent sind.

Meine Position wäre eine andere, neue künstlerische Inszenierung mit den gestürzten Denkmälern zu schaffen.”

Prof. Dr. Birgit Dorner, Katholische Stiftungshochschule München

Beide Expert*innen sprechen sich in der aktuellen Diskussion für eine Kontextualisierung von problematischen Denkmälern aus. Diese muss dabei nicht zwingend in Form von einem Sturz oder einem Abbau passieren. „Meine Position wäre eine andere, neue künstlerische Inszenierung mit den gestürzten Denkmälern zu schaffen, bei denen eventuell auch Teile des Denkmals wieder aufgestellt werden könnten mit zusätzlichen Bearbeitungen”, so Birgit Dorner. In der Kunst sieht auch Jonas Anderson eine Möglichkeit, problematische Denkmäler zu kontextualisieren und gleichzeitig Aufmerksamkeit zu generieren. Das Entfernen würde laut ihm zu einer Leerstelle und so möglicherweise zum Vergessen führen.

Wichtig ist den Expert*innen, dass dieses Kontextualisieren in der Gesellschaft ausgehandelt wird. „Wir brauchen eine offene Diskussion über die gestürzten Denkmäler. Und auch der Akt des Denkmalsturzes muss Teil der Diskussion sein”, so Dorner. Laut Anderson wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für diese Diskussion, weil sich ein großer Teil der Gesellschaft zum ersten Mal tiefergehend mit Denkmälern und deren Entstehungsgeschichte beschäftigen würde. „Insofern muss man die Proteste auch als Chance begreifen, um hier nachzujustieren und sich auch der deutschen Kolonialvergangenheit zu stellen”, so der Historiker.

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