Finden Sie den Sturz von Denkmälern als Reaktion richtig?
Ich denke, dass wir in der aktuellen Debatte die historische Kontextualisierung nicht vergessen dürfen. Die Präsidenten Washington und Jefferson, von denen es in den USA zahlreiche Statuen gibt, hielten Sklaven und werden gerade deswegen angegriffen. Man muss aber bedenken, dass sie Teil von einer Sklaven haltenden Gesellschaft waren, im Kontext der Zeitgenossen also „normal“. Fast alle historischen Persönlichkeiten sind ambivalent. Lincoln, war nicht nur der große Präsident, der die Sklaverei beendet hat, er war auch ein Mensch seiner Zeit mit rassistischen Vorurteilen. Gegen seine Statuen vorzugehen, halte ich darum für überzogen. Statuen zu stürzen ist für mich etwas anderes als historische Personen kritisch zu sehen. Vor dem Abbau von Denkmälern sollte es außerdem einen Entscheidungsprozess geben. Zurzeit werden Statuen gestürzt, ohne dass eine Debatte Grundlage dafür ist. Das ist dann nicht demokratisch. Ich glaube, dass die Proteste das Bewusstsein geschärft haben und es eine gute Zeit ist, sich jetzt mit Erinnerungskultur politisch auseinander zu setzen.
Wie würden Sie denn problematische Denkmäler und Straßennamen kontextualisieren?
Natürlich gibt es immer die Möglichkeit, Statuen abzubauen oder Straßen umzubenennen. Bei Straßen denke ich, könnte eine Umbenennung so aussehen, dass man sie nicht nach Kolonialisten benennt, sondern nach Kämpfern gegen Rassismus und so auch durch diese Umwidmung für Aufmerksamkeit sorgt. Bei Denkmälern oder Statuen bin ich kein großer Freund vom Entfernen. Eine Gesellschaft hat natürlich das gute Recht sich zu entschließen, dass eine gewisse Statue entfernt werden soll, vor allem wenn es sich um ganz problematische Persönlichkeiten handelt. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, womit man eventuell ein bisschen mehr Aufmerksamkeit generieren könnte. Denn das Entfernen führt zu einer Leerstelle und möglicherweise zu Vergessen. Jürgen Zimmerer, ein Historiker aus Hamburg, hat vorgeschlagen, Statuen zu entfremden und beispielsweise auf den Kopf zu stellen. Das fand ich eigentlich eine ganz gute Idee, insbesondere wenn man diese künstlerisch weiterdenkt und mit historischer Aufklärung paart.
Sie haben angesprochen, dass auch Deutschland blinde Flecken in der Geschichte hat. Wie können wir diese aufarbeiten?
Als Historiker würde ich natürlich immer sagen, dass wir uns mehr und tiefer mit Geschichte, mit ihren Schattenseiten und den blinden Flecken beschäftigen müssen. Insofern muss man die Proteste auch als Chance begreifen, um hier nachzujustieren und sich auch der deutschen Kolonialvergangenheit zu stellen.