Welche Risiken bringt der Einsatz der Technologie mit sich und wie bewerten Sie die kritischen Stimmen?
Bei der klassischen Züchtung und Gentechnik spielt der Zufall eine große Rolle. Ein solches Risiko zufälliger oder unbeabsichtigter Veränderungen ist bei der Genschere CRISPR/Cas9 weitgehend ausgeschlossen. Die Sicherheit und Präzision, die das System schon jetzt auszeichnet, wird zudem stetig verbessert. Einige Kritiker sehen das Risiko, dass praktisch jeder Laie das System nutzen kann, ohne die kontrollierten Bedingungen, die in einem Labor herrschen. Dieses Risiko darf man aus meiner Sicht nicht unterschätzen.
Daneben gibt es ernstzunehmende ethische Fragen. Viele Kritiker befürchten, dass Eingriffe in die menschliche Keimbahn unvorhersehbare Folgen auf nachfolgende Generationen haben könnten. Wissenschaftler – darunter auch die Erfinder der Technik – haben sich deshalb 2015 auf ein Moratorium für die Anwendung von CRISPR/Cas9 bei der Veränderung von Keimbahnzellen ausgesprochen. In Deutschland schränkt das Embryonenschutzgesetz Keimbahn-Versuche ein. Andere Länder sind dabei offener, zum Beispiel die USA und China. US-Forschern ist es jüngst gelungen, mithilfe von CRISPR/Cas9 das Gen für eine Herzkrankheit in menschlichen Embryonen zu reparieren. Nach meiner Meinung sollte sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigen, solche Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu unterbinden. Die Risiken sind aus heutiger Sicht einfach zu groß.
Braucht es aus Ihrer Sicht klarere Regeln für den Einsatz der Technologie und wie könnte eine solche Regulierung aussehen, ohne den Fortschritt einzubremsen?
Wissenschaftlicher Fortschritt kann zu unserem Wohl und Wohlstand nur beitragen, wenn er von einem hohen Maß an Verantwortung getragen ist. Regelungen für neu entdeckte Technologien laufen dabei häufig auf einen Kompromiss hinaus: Dieser muss einerseits den Stand der Wissenschaft berücksichtigen, andererseits unsere ethischen Standards. Das ist natürlich keine leichte Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse nicht einmauern und ihre Entwicklung auch nicht verbieten kann. Wir brauchen eine Wissenschaft, die sich frei entfalten kann. In Deutschland werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gut darin ausgebildet, ethische Standards zu berücksichtigen. Ein entsprechender Kodex, dem sich alle unterziehen – ähnlich dem hippokratischen Eid in der Medizin – wäre auch für Forscher denkbar. Darüber habe ich vor einigen Wochen mit dem Physiker und Wissenschaftsmoderator Ranga Yogeshwar diskutiert. Angesichts der weitreichenden Wirkungen wissenschaftlicher Erkenntnisse könnte man durchaus darüber nachdenken, wie wissenschaftsethische Prinzipien in unseren Ausbildungsprogrammen künftig im hippokratischen Sinn vermittelt werden.