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Mit Biologie die Welt revolutionieren?

Was kann CRISPR bei Pflanzen bewirken und warum könnte es bedenklich sein?

Die Pflanzenzüchtung hat in der der Geschichte der Menschheit eine lange Tradition. Viele denken vermutlich zuerst an Gregor Mendel und seine Erbsen, wenn sie an Pflanzenzüchtung denken, doch bereits in der Steinzeit selektierte man besonders ertragreiche oder besonders resistente Pflanzen. Der Beginn des Wandels von Wildpflanzen hin zu unseren heutigen Kulturpflanzen.

Jetzt steht die nächste Revolution kurz bevor: Die grüne Gentechnologie und vor allem CRISPR/Cas als neueste Technologie in diesem Bereich. Aber wo besteht Verbesserungsbedarf in der Zucht? Welche Probleme kann die Pflanzenzucht mit CRISPR/Cas lösen und welche Risiken bringt die Technologie mit? Und wie weit ist überhaupt der Forschungsstand?

„Mit CRISPR/Cas erleben wir eine Revolution in der Pflanzenforschung, denn die Technik ist so einfach von der Herstellung und so überzeugend von der Präzision.“

(Dr. Götz Hensel)

Weizen, der besonders ertragreich ist, Bananenpflanzen, die nicht von Raupen aufgefressen werden, und Maispflanzen, die auch bei großer Trockenheit Früchte tragen – drei aktuelle Forschungsprojekte, die gleichzeitig die großen Zuchtziele in der Pflanzenzucht aufzeigen: Erträge erhöhen, Resistenz gegen Schädlinge und Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen. Seit Jahren, ja eher Jahrhunderten und Jahrtausenden sind die Ziele der Pflanzenzucht unverändert. Unterschiedlich hingegen sind die Techniken, mit denen diese jeweils erreicht werden sollen und dank CRISPR/Cas kommt immer mehr Bewegung in das Feld. „Mit CRISPR/Cas erleben wir eine Revolution in der Pflanzenforschung, denn die Technik ist so einfach von der Herstellung und so überzeugend von der Präzision. Wir sind begeistert, wie relativ einfach eine gezielte Veränderung eines komplexen Genoms in allen Nutzpflanzen möglich ist“, sagt Dr. Götz Hensel vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.

Infobox: konventionelle Mutationszüchtung

Neben dem klassischen Kreuzen von Pflanzen mit unterschiedlichen Merkmalen hat sich in der Pflanzenzucht die Mutationszucht als Züchtungsverfahren durchgesetzt. Dabei wird die genetische Variabilität dadurch erhöht, dass durch physikalische (Röntgen- oder Neutronenstrahlen) oder chemische Einwirkungen auf das Erbgut von Pflanzensamen gezielt Mutationen in den Genen hervorgerufen werden und mit den Pflanzen mit den gewünschten Veränderungen anschließend weitergekreuzt werden kann. Die Zucht mit physikalischer und chemischer Mutagenese unterliegt in Deutschland nicht dem Gentechnikgesetz.

Bislang braucht es für die Entwicklung einer neuen Pflanzensorte etwa acht bis neun Jahre – nicht eingerechnet sind die durchschnittlichen drei bis vier Jahre, die es zusätzlich für die Sortenprüfung in Deutschland braucht. CRISPR/Cas könnte die Zeit der Entwicklung deutlich verkürzen. Denn durch punktgenaue Änderungen im Erbgut der Pflanzen ließe sich die gewünschte Resistenz oder der gesteigerte Ertrag deutlich schneller erreichen. „Mit CRISPR/Cas können wir die Dauer der Züchtung insgesamt halbieren. Innerhalb von ein bis zwei Jahren können wir die Pflanze zielgerichtet verändern und so viel schneller auf Umweltveränderungen reagieren“, sagt Hensel, der an seinem Institut intensiv an den Grundlagen für neue Getreidesorten forscht.

Doch CRISPR/Cas bietet neben der einfachen und schnellen Nutzbarkeit noch einen zweiten zentralen Vorteil: Es ist sehr präzise. „Das bei CRISPR/Cas eingesetzte biologische Mutagen macht im Prinzip nichts anderes als die Strahlung oder die Chemikalie, wobei bei Strahlung und Chemikalien bis zu 1000 Veränderungen in einem Erbgut gemacht werden, deren Position man nicht kennt. Mit CRISPR/Cas macht man hingegen eine einzige Veränderung, die man dazu auch noch exakt kennt“, sagt Hensel.

„Das Argument ‘Natürlichkeit’ krankt daran, dass wir damit zumeist ‘sicher’ und ‘gesund’ verstehen. Blickt man auf die Biologie der Pflanze, ist dies nicht immer der Fall.“

(Dr. Stephan Schleissing)

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Was ist natürlich?

Denn tatsächlich kann die Veränderung eines einzelnen Nukleotids, einem Bausteins der DNA, die auch Punktmutation genannt wird, große Auswirkungen auf einen Organismus haben. Dabei ist die Veränderung im Nachhinein gar nicht als künstlicher Eingriff im Labor feststellbar und könnte auch zufällig in der Natur vorkommen. Aber ist die Veränderung deshalb ebenso „natürlich“? In der Diskussion um Genchirurgie in der Pflanzenzucht steht eben dieser Naturbegriff dabei im Mittelpunkt: Während Befürworter der Technologie vorbringen, dass die Veränderung nicht mehr nachvollziehbar ist und auch in der Natur möglich wäre, wenden Kritiker ein, dass nicht das Ergebnis, sondern der Prozess der Herstellung eben nicht natürlich ist. Für die rechtliche Einordnung, ob solche mit CRISPR/Cas veränderte Pflanzen als gentechnisch verändert eingestuft werden, ist dieser feine Unterschied entscheidend.

Dr. Stephan Schleissing, Leiter des Programmbereichs „Ethik in Technik und Naturwissenschaften“ des Instituts Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München deutet die Diskussion um die Natürlichkeit so: „Meiner Beobachtung nach verwenden wir den Begriff nicht im biologischen, sondern im sozialen Sinne. Natürlichkeit ist wichtig, weil sie uns Vertrautheit kommuniziert. Da Vertrautheit aber kein Naturphänomen ist, hilft uns die Unterscheidung von ‘natürlich’ und ‘künstlich’ hier nicht weiter“.

 

„Ich verstehe in der Diskussion nicht, woher ein höheres Risiko als aus den bislang zugelassenen Züchtungsmethoden mit Mutagenen herrühren soll.“

(Dr. Götz Hensel)

Dazu monieren Kritiker, dass selbst „natürliche“ Mutationen negative Auswirkungen entfalten können. Schleissing sagt: „Das Argument ‘Natürlichkeit’ krankt daran, dass wir damit zumeist ‘sicher’ und ‘gesund’ verstehen. Blickt man auf die Biologie der Pflanze, ist dies nicht immer der Fall.“ Und auch das Bundesamt für Naturschutz schreibt in ihrem Hintergrundpapier zu den Neuen Techniken „Der Vergleich mit der Natürlichkeit ist dabei irreführend, da eine höhere Naturnähe nicht per se ein geringeres Risiko darstellt.“ Tatsächlich besteht hinsichtlich der Auswirkungen von mit CRISPR/Cas veränderten Pflanzen auf die Umwelt und das Ökosystem bislang noch viel Unwissenheit.

Befürchtet wird von Seiten der Kritiker zudem, dass die neu gezüchteten, besonders stressresistenten Pflanzen sich in der Natur besonders stark ausbreiten und ursprünglich vorkommende Arten verdrängen. Eine Sorge, die Götz Hensel nicht teilt: „Ich verstehe in der Diskussion nicht, woher ein höheres Risiko als aus den bislang zugelassenen Züchtungsmethoden mit Mutagenen herrühren soll. Wir sagen dennoch nicht, dass kein Risiko besteht, aber wir sagen es gibt kein erhöhtes Risiko durch die Wahl des biologischen Mutagens“.

Und nicht nur die Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch potentielle, noch unbekannte Folgen für die menschliche Gesundheit wollen Kritiker der Technologie nicht ausschließen. Ein Grund, weshalb die Bedeutung des Vorsorgeprinzips immer wieder betont wird. „Das Vorsorgeprinzip ist wichtig, weil es uns auch rechtlich dazu anhält über mögliche Risiken neuer Technologien nachzudenken, auch wenn wir das Ausmaß heute noch nicht bestimmen können. Die entscheidende Frage ist jedoch, was man wissenschaftsbasiert über die jeweilige Risikobewertung sagen kann.“

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„Der Verbraucher will wissen, was er isst.“

(Dr. Stephan Schleissing)

Wo kann man das kaufen?

Nichtsdestotrotz sind die Ideen, welche Pflanzen mit Genchirurgie verändern werden könnten zahlreich: Wassermelonen, die keine Kerne haben, Erdnüsse, die auch Allergiker essen können, oder Gemüsesorten, die für den Anbau im Garten deutlich weniger Wasser brauchen, sind nur einige Beispiele der Supermarktpalette von morgen.

Ein Produkt hat es  – wenn auch außerhalb Deutschlands – bereits in den Supermarkt geschafft. 2016 wurde in den USA ein mittels Genchirurgie veränderter Champignon zugelassen, der auch nach längerem Liegen nicht braun wird. So soll verhindert werden, dass dieser – obwohl noch gut – wegen der unansehnlichen Farbe weggeschmissen wird. Die Kritik: Für den potentiellen Käufer vergehe dadurch die Chance, schnell das Alter und die Frische eines Pilzes abzuschätzen.

Auch wenn die Entwicklung momentan eher in den Laboren stattfindet und die Diskussionen vor allem in Fachkreisen und unter Wissenschaftlern geführt wird, zeigt der Champignon, dass nicht nur über die ethische Bewertung, die rechtliche Einordnung, sondern auch die freiwillige oder verpflichtende Kennzeichnung der Produkte diskutiert werden muss. „Die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen ist wichtig, weil Hersteller damit Transparenz kommunizieren. Der Verbraucher will wissen, was er isst“, sagt Schleissing.

Allerdings widerspricht er einer verpflichtenden Kennzeichnung, denn „die Unbedenklichkeitserklärung wird durch die Pflicht zur Kennzeichnung doch wieder zurückgenommen. Irgendetwas muss ja an solchen Produkten ‚faul‘ sein, wenn es dazu einer gesonderten Kennzeichnung bedarf. Noch wichtiger aber erscheint es mir, dass dem Verbraucher Wahlfreiheit gewährt wird. Die hat er dann, wenn es auf dem Markt Anbieter gibt, die damit werben können, dass Genome Editing nicht zum Einsatz gekommen ist.“ Auch Hensel befürwortet eine Kennzeichnung der Produkte: „Ich würde überall draufschreiben, dass es mit CRISPR/Cas hergestellt ist. Das könnte dann sogar als Werbung genutzt werden, wenn die Grüne Gentechnik nicht so ein schlechtes Image hätte. Denn es ist keine Strahlung, keine Chemie – es ist biologisch!“

Aktualisierung

Am 25.07.2018 hat der EuGH entschieden, dass es sich bei der Methode um Gentechnik handele. Produkte, bei deren Herstellung die Technik zum Einsatz kommt, fallen dadurch unter das europäische Gentechnikrecht und müssen innerhalb der EU als „gentechnisch veränderte Organismen“ (GVO) gekennzeichnet sein. Bewertungen des Urteils sowie Hintergrundinformationen finden sich dazu unter anderem beim Science Media Center.

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