Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung will die SPD Mitglieder des Bundestags vor möglichen Koalitionszwängen über eine Neuregulierung Grüner Gentechnik abstimmen lassen. Die offiziellen Positionen der Bundestagsparteien sind kontrovers.
Verbieten, abwarten oder fördern? Ob CRISPR/Cas in Deutschland Realität wird, entscheidet letztendlich die Politik. Ein Blick in die Wahlprogramme und Aussagen des Science-O-Mat der sechs Parteien des Deutschen Bundestags zeigt, welchen Platz Grüne Gentechnik künftig in Deutschland einnehmen könnte und wie divers das Thema gesehen wird.
Die wesentlichen Unterschiede zeigen sich bereits im Kontext, in dem die Parteien den Einsatz neuer Technologien wie CRISPR/Cas9 verorten: Während die CDU/CSU die Chancen für Klimaschutz, Ressourceneffizienz und den Forschungsstandort Deutschland betonen, appelliert die SPD an die Verantwortung der Landwirtschaft. Die AfD spricht über nationalen Verbraucherschutz und die Freiheit alter Nutzpflanzensorten, während die FDP für die Freiheit der Forschung eintritt. Die Linke bettet das Thema in die (Un-)Gerechtigkeitsdebatte der internationalen Handelspolitik ein, während für Bündnis 90/Die Grünen Umweltschutz und Biodiversität Kern ihres Parteiprogramms ist.
Begründet werden die Positionen der Parteien mit unterschiedlichen Aspekten in der Debatte um Genchirurgie. Es geht um Einsatzgebiete, Verbraucherschutz, ethische und rechtliche Fragen sowie unterschiedliche Konzepte der Nahrungsmittelproduktion. Da nicht jede Partei all diese Aspekte explizit im Zusammenhang mit Grüner Gentechnik aufgegriffen hat, spiegelt die Übersicht nur ersichtliche Parteipositionen wider.
Freilandversuche erlauben?
In der Frage, wo die neue Pflanzenforschung stattfinden sollte, befürworten CDU/CSU den Anbau auf Ackerflächen zu Forschungszwecken. Auch für die FDP „müssen unter entsprechenden Sicherheitsauflagen auch wissenschaftliche Freilandversuche möglich sein“. Ähnlich sieht das die SPD, auch wenn sie sich aktiv für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel ausspricht. Die AfD will einen „streng kontrollierten Einsatz“ erlauben, jedoch nicht auf dem Acker – so ihre etwas vage Formulierung. „Pflanzen aus den Laboren haben auf unseren Äckern in Deutschland und Europa nichts verloren“, formulieren Bündnis 90/Die Grünen. Kritisch sehen sie auch die Förderung der Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen, die auf „Freisetzung” ausgelegt ist – also letztendlich solche Pflanzen, die von Landwirten auf Äckern angebaut werden sollen.
Verbraucherschutz ist Wählerschutz
Der Schutz des Verbrauchers vor genetisch veränderten Pflanzen und Lebensmitteln ist ein explizites Anliegen vieler Parteien. Die Sozialdemokraten sprechen sich für eine regulierte Marktzulassung durch das Vorsorgeprinzip aus und wollen eine Kennzeichnungspflicht genetisch veränderter Pflanzen – auch dann, wenn sie als Futtermittel eingesetzt werden. Und stimmen darin mit der Position der Grünen überein, die zudem eine Beweislast über die Vorteile dieser Pflanzen einfordern. Anders formuliert es die AfD: Die jüngste Partei im Deutschen Bundestag spricht sich für vermehrte Produktprüfungen, transparente Kennzeichnung von Lebensmitteln und eine Stärkung von Verbraucherorganisationen aus.
Auch ethische Fragen spielen aus Sicht der Verbraucher eine Rolle: Ist Gentechnik ein legitimer Eingriff in die Natur als Schöpfung Gottes? Darf der Mensch „Gott” spielen? In der politischen Diskussion gehen die Meinungen auseinander: Obwohl die CSU im Bayernplan „Patente[n] auf Pflanzen und Tiere […] eine klare Absage“ erteilt, bezieht die große Schwester CDU in die „Bewahrung der Schöpfung“ nur das Verbot der Klonierung von Tieren ein. SPD, die Linkspartei und die Grünen sprechen sich allgemein gegen ein Patente auf Leben aus und schließen Tier- und Pflanzenwelt gleichermaßen mit ein.
Neue Gesetze für das (Acker)Land?
Auf rechtlicher Ebene fordern die Freien Demokraten eine Neubewertung der Grünen Gentechnik, „da sich die neuen Verfahren grundlegend von denen der klassischen Grünen Gentechnik unterscheiden“. Auch Bündnis 90/Die Grünen sieht Nachholbedarf und kündigt ein Gentechnikgesetz an, das sich in der Formulierung deutlich von dem der FDP unterscheiden dürfte.
Der letzte wichtige Punkt in der politischen Debatte ist die Frage, wie die deutsche Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgt werden soll. Die FDP nimmt selbstbestimmte, „landwirtschaftliche Unternehmer“ in den Fokus, die Unionsparteien wollen eine Koexistenz von moderner bäuerlicher Landwirtschaft und Familienbetrieben. Die Grünen sprechen sich im Kampf gegen „europäische Agrarfabriken“ für „Wochenmarkt statt Massenproduktion für den Weltmarkt“ aus. Die Stärkung der regionalen Vermarktung will ebenso die SPD und DIE LINKE angehen. Auch die AfD baut auf Familienbetriebe und Genossenschaften.
Wie sehr diese Positionen in Stein gemeißelt sind, wird die politische Debatte zeigen. Das Spektrum ist jedenfalls groß: Die Forderung nach Verboten oder die ablehnende Haltung gegenüber Grüner Gentechnik von AfD, den Grünen, Die Linke und SPD sind fest verbrieft. Die FDP zeigt sich „ergebnisoffen“ in der Beurteilung weiterer Erkenntnisse und die CDU/CSU kündigte eine „Biotechnologie-Agenda“ an. Der Gesprächsbedarf ist also in den Koalitionsgesprächen vorprogrammiert. Ob in der kommenden Legislaturperiode im wahrscheinlichen „Jamaika-Deutschland” CRISPR/Cas verboten oder die Entwicklung aktiv gefördert wird, muss im zukünftigen Koalitionsvertrag nachgelesen werden. Sofern die Parteien eine Einigung darüber erzielen können.
Für aktuelle Positionen hat Wissenschaft im Dialog alle sechs Parteien des Deutschen Bundestages nochmals um Stellungnahme gebeten, mit der Frage: „Wie sollte in Deutschland mit Grüner Gentechnik umgegangen werden?“ Die Alternative für Deutschland hat sich nicht zu unserer Anfrage geäußert.