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Experimente mit dem Klima: Wie weit darf Forschung gehen?

Ethische Bedenken und Fragen rund um neue Technologien

Geoengineering könnte eine zusätzliche Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel darstellen. Doch die Anwendung ist bei weitem nicht nur eine Frage technischer Machbarkeit, sondern vor allem auch eine ethische Frage. „Geoengineering tangiert viele ethische Dimensionen in besonderem Maße, weil der Einsatz von Geoengineering-Technologien letztlich den ganzen Planeten betreffen kann“, sagt der Politökonom Dr. Gernot Wagner von der Harvard University. Ethische Aspekte sind daher fester Bestandteil jeder Debatte über Geoengineering, „unabhängig davon, ob man sie ausgehend von technologischen, ökonomischen oder politischen Gesichtspunkten führt”, sagt Prof. Dr. Konrad Ott, Umweltethiker von der Universität Kiel.

„Für eine ethische Diskussion ist es elementar zwischen den beiden Technologiesträngen Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Management (SRM) zu unterscheiden.“

Prof. Dr. Konrad Ott, Umweltethiker an der Universität Kiel

So vielfältig, wie die Technologien sind, die sich hinter dem Begriff Geoengineering verbergen, so unterschiedlich können auch die ethischen Dilemmata sein, mit denen sich Forschung und Gesellschaft auseinandersetzen müssen. „Für eine ethische Diskussion ist es elementar zwischen den beiden Technologiesträngen Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Management (SRM) zu unterscheiden”, sagt Ott. Denn es sei ausschlaggebend, zwischen dem Grad des Risikos zu differenzieren.

„Viele der Technologien, die unter der Überschrift CDR laufen, gehen mit einer unglaublich intensiven Ressourcennutzung einher, sodass sie bestehende Landrechte, Menschenrechte und auch die Nahrungsmittelproduktion gefährden könnten“, sagt Lili Fuhr, Referentin für internationale Umweltpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Weitaus umstrittener im ethischen Diskurs sind jedoch mögliche SRM-Ansätze, welche größere mögliche Risiken von globalem Ausmaß mit sich bringen könnten.

Die ethische Diskussion über Geoengineering kreist vor allem um die Fragen, ob und in welcher Form daran überhaupt geforscht werden sollte. Befürworter der Forschung zu Geoengineering plädieren etwa unter dem Stichwort „Arming the Future” dafür, alle Möglichkeiten der Wissenschaft auszuschöpfen. „Es könnte eine moralische Pflicht sein, Folgegenerationen in bestmöglichem Maße für den Kampf gegen den Klimawandel zu wappnen. Und dazu gehört es auch, Geoengineering weiter zu erforschen”, sagt Wagner und folgt dabei der Logik derjenigen, die Geoengineering als eine mögliche Option im Kampf gegen die Erderwärmung erachten.

“Forschungsethisch halte ich dieses Experiment nicht unbedingt für bedenklich.”

Dr. Gernot Wagner, Politökonom an der Harvard University

Kritiker setzen sich hingegen mit der Frage auseinander, inwiefern Menschen überhaupt dazu berechtigt sind, die Rolle eines „Weltingenieurs” einzunehmen. „Eine ziemlich kleine Elite müsste die Kontrolle über das globale Thermostat übernehmen, mit einer massiven, gegebenenfalls auch militärischen Infrastruktur dahinter, die dann auch verteidigt werden müsste“, sagt Fuhr. „Ich weiß nicht, wie eine solche Verantwortung gerecht übertragen werden könnte, ohne, dass große Teile der Weltbevölkerung benachteiligt würden.”

Ethisch besonders umstritten ist die Planung des SCoPEx-Experiments an der Harvard University. Denn mit seiner Durchführung würde die Geoengineeringforschung im Bereich des SRM das Feld der rein virtuellen Modellsimulation und Messungen im Labor verlassen und ins Freiland wechseln. Mithilfe eines von Propellern gesteuerten Ballons soll eine kontrollierte Menge an Sulfatpartikeln in die Stratosphäre eingebracht werden, um in einem der ersten Feldexperimente Reaktionen in der Atmosphäre selbst zu testen. „Forschungsethisch halte ich dieses Experiment nicht unbedingt für bedenklich”, sagt Wagner. Die Menge an Sulfatpartikeln, die dabei in die Stratosphäre eingebracht würde, wäre geringer als die eines normalen Linienfluges innerhalb einer Minute eines Fluges. Die Risiken seien somit nur von geringem Ausmaß. Fuhr sieht das kritischer: „Es geht bei diesem Experiment ja nicht um die Umweltauswirkungen, sondern um politische Grenzen, die dabei überschritten werden und um Fragen von größerer Governance.” Auch die internationale Gemeinschaft hat mit der Biodiversitätskonvention der UN der Geoengineering-Felderforschung einen vorläufigen Riegel vorgeschoben, falls diese die Biodiversität gefährden würde, und ein Moratorium über Methoden des Geoengineerings verhängt.

„Forschungsgelder für Technologieentwicklungen aufzuwenden, die uns auf den fossilen Pfad festnageln könnten, halte ich für ein massives Risiko.”

Lili Fuhr, Referentin für internationale Umweltpolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung

Ein besonderes Problem wird zudem in dem moralischen Risiko, das von Geoengineering ausgeht, gesehen – in Fachkreisen „Moral Hazard” genannt. Die Befürchtung: Geoengineering könnte dazu führen, dass klassische Klimaschutzstrategien nicht weiter verfolgt werden. „Eine solche Dynamik hätte verheerende Folgen. Denn auf diese Weise könnte Geoengineering als Ausrede dafür fungieren, klimaschädliche Mechanismen weiter auszubauen”, sagt Konrad Ott. Und das obwohl Geoengineering nur eine zusätzliche Strategie zum nachhaltigen Klimaschutz sein kann. Fuhr stellt diese Befürchtung auch mit der Verwendung öffentlicher Mittel in Zusammenhang: „Forschungsgelder für Technologieentwicklungen aufzuwenden, die uns auf den fossilen Pfad festnageln könnten, halte ich für ein massives Risiko.” Gernot Wagner untersucht das Moral-Hazard-Phänomen zusammen mit Dr. Christine Merk vom Kiel Institute für Weltwirtschaft hingegen von einem fundamentalen Standpunkt. Sie fragen, welche Auswirkungen selbst eine bloße Erwähnung von SRM haben könnte: „Wenn Solar Geoengineering erwähnt wird, klingt es oft so utopisch und furchterregend, dass es im Gegenteil Leute auch dazu motivieren könnte, sich mehr für den nachhaltigen Klimaschutz einzusetzen.”

Die Suche nach klaren Antworten und Auswegen aus den ethischen Dilemmata gestaltet sich schwierig und Bedarf laut Ott einer Debatte auch außerhalb der Wissenschaft: „Es ist wichtig, diese Fragen zuerst in die Öffentlichkeit zu tragen, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen und die Entscheidung, wie mit Geoengineering umgegangen werden soll, in einem transparenten, partizipativen Prozess auszuhandeln.”

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