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Geoengineering in der Politik

Wie stehen die Parteien zu den Technologien?

Das Thema Klimawandel ist aufgrund seiner Dringlichkeit kaum mehr von der politischen Bühne wegzudenken. Die Frage dreht sich dabei, zumindest in Deutschland, schon lange nicht mehr darum, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt, sondern wie ihm begegnet werden muss. Einzig die AfD stellt wissenschaftliche Studien zum Klimawandel in Frage. Alle anderen Parteien im Deutschen Bundestag sind sich einig, dass vor allem Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren. Diskutiert werden dazu vor allem Erneuerbare Energien, die Verkehrswende und Maßnahmen, um den Energieverbrauch in Haushalten zu senken.

Eher selten fällt in diesem Zusammenhang der Begriff Geoengineering, also die technische Manipulation des Klimasystems. Erst der kürzlich erschienene IPCC-Sonderbericht hat Geoengineering wieder ein wenig in das politische und gesellschaftliche Bewusstsein gebracht: Der Einsatz einiger Geoengineering-Technologien wird darin als unverzichtbar dargestellt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die Nutzung dieser Technologien ist jedoch umstritten. Es bestehe derzeit „keine ausreichende Wissensgrundlage, um eine Bewertung hinsichtlich der Erprobung und Anwendung diskutierter Ansätze und Technologien beziehungsweise einer Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels vorzunehmen“, schrieb die Bundesregierung als Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen im Juli 2018.

„Wir Menschen sollten nicht Gott spielen.“

Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

Dabei stand eine der Technologien, das sogenannte „Carbon Capture and Storage“ (CCS), kurz vor einer weitreichenden Erprobung: 2011 wurde vom Bundeskabinett ein Gesetzentwurf zur unterirdischen CO2-Speicherung auf den Weg gebracht, dieser wurde aber von den Ländern gestoppt. Das aktuell gültige Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) lässt nun seit 2012 nur die Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO2-Speicherung in begrenztem Ausmaß zu.

Die Abgeordneten der Parteien im Bundestag sind nach wie vor insgesamt skeptisch gegenüber dem Geoengineering eingestellt und teilen die Meinung der Bundesregierung. „Geoengineering bietet allenfalls Potential, regional zur Linderung von Symptomen des Klimawandels beizutragen. Lösungsansätze für den Klimawandel bietet es nicht. Kurzfristige Lösungsansätze durch die Verminderung der Strahlung bzw. der Vergrößerung der Albedo ganzer Regionen können unbekannte Neben- oder Rückkopplungseffekte haben“, sagt Ralph Lenkert, Obmann im Umweltausschuss für Die Linke. Diese Meinung teilen die Grünen: „Die ökologischen und ökonomischen Risiken überwiegen hier ziemlich. Wir Menschen sollten nicht Gott spielen“, sagt Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Astrid Damerow, die für die CDU/CSU-Fraktion im Umweltausschuss sitzt, betont ebenso, dass schädigende Effekte auf die Umwelt nicht ausgeschlossen werden können und die Klimawirkung nicht belegt sei. „An erster Stelle steht für mich zur Erreichung der Klimaziele die Reduzierung und Vermeidung klimarelevanter Emissionen“, erklärt die Bundestagsabgeordnete. „Die Priorität der Forschung und vor allem unseres Handelns muss auf Einsparen, Effizienz und Nutzung Erneuerbarer Energie (EEE) liegen“, sagt auch René Röspel von der SPD. Die FDP weist dagegen auf den jüngsten IPCC-Sonderbericht und dessen Technologie-Empfehlung hin: „Verfahren, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und dieses dauerhaft zu speichern, stellen meines Erachtens sinnvolle und realistische Optionen dar“, sagt Dr. Lukas Köhler, Obmann im Umweltausschuss für die FDP.

„Forschung in diesem Bereich halte ich für richtig. Gerade aber weil es sich um große Eingriffe in die Umwelt handelt, muss die Forschung streng kontrolliert und reglementiert werden.“

Astrid Damerow, Mitglied im Umweltausschuss des Bundestags für die CDU/CSU-Fraktion

Auch wenn die tatsächliche Anwendung von Geoengineering für den Großteil der Abgeordneten noch zu unsicher erscheint, stehen sie der Forschung daran weitaus offener gegenüber. „Es wäre Wahnsinn, das enorme Potential in den Köpfen der Ingenieure und Wissenschaftler nicht zu nutzen. Deshalb muss Forschung ohne Scheuklappen möglich sein – mit dem Ziel, die Ergebnisse gegebenenfalls auch zu nutzen. Natürlich gehört zu einer verantwortungsvollen Politik immer auch, die möglichen Risiken zu bedenken“, so Köhler. Röspel fordert eine differenzierte Betrachtung der Geoengineering-Technologien: „Es gibt viele Bereiche, in denen Forschung intensiviert werden sollte, während andere – wie zum Beispiel die Meeresdüngung zur Bindung von CO2 – nicht weiter verfolgt werden müssen.“ Im Hinblick auf die Empfehlung des IPCC ist auch Ralph Lenkert der Meinung, dass zumindest die Erforschung der CO2-Speicherung weiter betrieben werden sollte. Unterirdische Lagerung hält er jedoch für zu riskant: „Es müssen Wege gefunden werden, CO2 sowohl biologisch als auch naturnah zu binden. Allerdings sind auch da riskante Nebenwirkungen wahrscheinlich. In diesem Bereich muss noch sehr viel geforscht werden.“

Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich für eine Regulierung der Forschung ein. „Forschung in diesem Bereich, vor allem in Hinblick auf die Folgen dieser Technologien, halte ich für richtig. Gerade aber weil es sich um große Eingriffe in die Umwelt handelt, muss die Forschung streng kontrolliert und reglementiert werden“, sagt Astrid Damerow. Am kritischsten sehen die Grünen eine Ausweitung der Forschung. Lisa Badum fordert: „Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass die Schwerpunkte der staatlich geförderten Klimaforschung nicht von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen hin zur Erforschung von Geoengineering verlagert werden“.

Die Standpunkte der Abgeordneten lassen erahnen, dass es in absehbarer Zeit – trotz der Empfehlungen des IPCC – vermutlich nicht zum Einsatz von Geoengineering in Deutschland kommen wird. Auch Neuwahlen würden daran nichts ändern, da sich die Parteien zum Großteil einig sind. Industrie und Wissenschaft müssen sich solange weiter mit der Erforschung der Geoengineering-Technologien begnügen.

 

Die Statements in voller Länge finden sie hier.

 

Anmerkung der Redaktion: Von der AfD-Fraktion wurde bis zum Redaktionsschluss kein Statement eingereicht.

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