Geoengineering – Klimamanipulation als letzte Chance?!

Was verbirgt sich hinter der Technologie und was sind die Potentiale?

Erneuerbare Energien, klimafreundlichere Fahrzeuge und Verhaltensänderungen in der Bevölkerung gelten als klassische Maßnahmen gegen den Klimawandel. Um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5-Grad zu senken, werden sie allerdings nicht ausreichen. Zwar sagt der am 6. Oktober 2018 veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC), dass dieses Ziel prinzipiell noch erreichbar ist. Jedoch nicht allein mit den bisher angedachten und eingeleiteten Maßnahmen. Ein möglicher Plan B könnte auch dem IPCC zufolge das Geoengineering sein.

Unter Geo- beziehungsweise Climateengineering, versteht man die aktive Manipulation des Klimas durch technologische Interventionen. Derzeit werden dabei zwei unterschiedliche Ansätze der Technologien verfolgt: das Carbon Dioxide Removal und das Solar Radiation Management. Während es bei Carbon Dioxide Removal darum geht, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, soll mit Solar Radiation Management, die Solarstrahlung reduziert werden, die den Erdboden erreicht, um eine Erwärmung zu vermindern.

„Technologien beider Bereiche könnten höchstens eine Intervention für bisher vernachlässigte Maßnahmen sein oder im Notfall zum Einsatz kommen.“

Dr. Oliver Geden, Stiftung Wissenschaft und Politik

„Eine Lösung für den Klimawandel stellen beide Ansätze allerdings nicht dar. Sie bekämpfen in erster Linie die Symptome und sind deshalb allerhöchstens eine Ergänzung zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen”, sagt Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Dr. Oliver Geden, Experte für Klimapolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht dies ähnlich: „Technologien beider Bereiche könnten höchstens eine Intervention für bisher vernachlässigte Maßnahmen sein oder im Notfall zum Einsatz kommen. Als Ersatz für herkömmliche Reduktionsmaßnahmen werden sie in der Wissenschaft allerdings nicht gesehen.“

Als eine solche Notfalloption, wenn alle anderen Maßnahmen scheitern, hatte der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen Geoengineering einst ins Spiel gebracht und dadurch auch die Diskussion in Wissenschaft und Politik vorangetrieben. „Diese Art des Vorsorgedenkens finde ich zumindest interessant und ich denke, man sollte sich darüber auch weiterhin Gedanken machen”, sagt Grunwald. „Trotz aller Vorsicht, die man dabei walten lassen sollte.”

Vorsicht ist aus Sicht der Experten gleich aus mehreren Gründen geboten. Zum einen wegen der unvorhersehbaren Nebenwirkungen, denn bei vielen Technologien ist bisher noch unbekannt, welche langfristigen Risiken und Folgen sie für die Umwelt haben könnten. Um diese wirklich zuverlässig abzuschätzen, ist das Klimasystem zu komplex und die Entwicklung der Technologien noch nicht weit genug, so die Einschätzung vieler Experten. Zum anderen besteht die Sorge, die Technologien könnten von Regierungen missbraucht werden, um beispielsweise politischen Druck auszuüben. Darüber hinaus befürchten sowohl Armin Grunwald als auch Oliver Geden die Gefahr, dass man die Technologien als Begründung dafür nehmen könnte, andere Maßnahmen gegen den Klimawandel herunterzufahren. „Das wäre fatal und darf auf keinen Fall passieren. Deshalb müssen wir sehr aufpassen, wie wir über die neuen Möglichkeiten diskutieren und nicht zu viel versprechen”, sagt Geden.

„Die Technologien, die wirklich schnell wirken würden, also als Notfalloption in Frage kämen, sind noch nicht so weit, dass sie in den nächsten zehn bis 15 Jahren einsatzfähig wären.“

Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag

Eine Meinung, die sich zumindest derzeit in Deutschland auch politisch durchgesetzt hat. Daran wird nach Einschätzung der meisten Experten auch der IPCC-Bericht und die neue Zusammensetzung des Bundestages erst einmal nichts ändern. Vor allem auch, weil die neuen Technologien noch lange nicht an einem Punkt in der Entwicklung sind, an dem sie unmittelbar helfen könnten. Bisher gab es beispielsweise noch keine Feldexperimente, sondern lediglich Computersimulationen. „Hier gibt es eine Art Dilemma. Die Technologien, die wirklich schnell wirken würden, also als Notfalloption in Frage kämen, sind noch nicht so weit, dass sie in den nächsten zehn bis 15 Jahren einsatzfähig wären”, sagt Grunwald. Da außerdem die Nebenwirkungen von Solar Radiation Management relativ schlecht abschätzbar sind, gehe die Forschung derzeit eher in Richtung Carbon Dioxide Removal, so der Physiker. „Die Forschungen in diesem Bereich sind auf einem guten Weg, allerdings sind das langfristige Prozesse, die einem im Notfall nicht viel bringen.”

Trotz aller Probleme und Risiken fordert Geden, die Debatte um das Thema zu intensivieren: „Der Klimawandel und Geoengineering als Lösungsansatz lassen sich nicht mehr wegdiskutieren und es wird immer deutlicher, dass wir die Klimaziele verfehlen, wenn wir ausschließlich auf den klassischen Klimaschutz setzen. Deshalb muss es auch politisch wieder auf die Agenda und weiter in die Forschung investiert werden.”