Sprechen wir über die Frage der Priorisierung einer Impfung: Denn sobald ein Impfstoff verfügbar ist, wird er zunächst nur in begrenzter Zahl zu verimpfen sein. Die STIKO hat dazu gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften Rahmenkriterien definiert, die einer Priorisierungsempfehlung zugrunde liegen müssen. Etwas später folgt dann die konkrete Empfehlung der STIKO entsprechend dem Infektionsschutzgesetz wer zuerst geimpft werden sollte. Wann ist mit der Veröffentlichung dieses Papiers zu rechnen?
Die Veröffentlichung der erwähnten Rahmenbedingungen wird sehr bald erfolgen. Das konkrete Datum, sowie die Details kann ich Ihnen nicht nennen, werden aber in Kürze bekannt gemacht werden. Und ich kann festhalten, dass die Arbeit gemeinsam mit dem Ethikrat und der Leopoldina sehr wichtig und ergiebig war.
Welche Überlegungen hinsichtlich einer Priorisierung von Bevölkerungsgruppen gibt es denn?
Unser Anliegen ist es, eine evidenzbasierte Empfehlung zu erarbeiten, die Auskunft darüber gibt, welche Impfstrategie uns den meisten gesellschaftlichen Nutzen gibt. Und da gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze: Das eine ist der Individualschutz– und in diesem Falle ist die Entscheidung für die entsprechende Bevölkerungsgruppe relativ leicht. Angehörige von Risikogruppen, welche die höchste Wahrscheinlichkeit haben schwer zu erkranken, würden im Sinne des Individualschutzes priorisiert geimpft werden. Erschwerend ist hierbei allerdings, dass nicht alle Risikogruppen in den Phase-3-Studien so vertreten sind, dass mit der Veröffentlichung der Ergebnisse abschließend geklärt sein wird, wie sehr Angehörigen einer Risikogruppe den Impfstoff tatsächlich auch nützt.
Und was wäre der zweite Ansatz?
Demgegenüber steht der sog. Transmissionsansatz. Das heißt man zielt darauf ab diejenigen zu impfen, die besonders zahlreich Infektionen nachweisen, um eine Weitergabe der Infektionen zu stoppen, so dass das der indirekte Effekt der Impfungen auf die gesamte Bevölkerung wirken und das Infektionsgeschehen verringern. Dazu muss diese Gruppe allerdings bekannt sein und mit der Impfkampagne auch erreicht werden und es muss klar sein, dass die Impfstoffe nicht nur eine Erkrankung, sondern auch die Transmission verhindern.
Als weitere Gruppe wird auch immer wieder das medizinische Personal genannt, welches möglichst schnell gegen SARS-CoV-2 geimpft sein sollte. Welche Überlegungen gibt es hierzu, bzw. auch zu weiteren „systemrelevanten Menschen”?
Das sind ganz zentrale ethische Überlegungen. Das Argument ist hier, dass jemand, der sich im Sinne der Allgemeinheit einem höheren Infektions- und Erkrankungsrisiko aussetzt, auch präferenziell geimpft werden sollte – das trifft hier ganz konkret auf das medizinische Personal zu. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit anderen sogenannten systemrelevanten Gruppen ist hingegen sehr viel schwieriger. Denn keiner von uns geht aktuell davon aus, dass dieses Virus systemrelevante Funktionen, wie die Wasserversorgung, Feuerwehr oder Polizei, zum Erliegen bringen kann. In diese Gruppe würden natürlich auch Erzieher*innen und Lehrer*innen zählen. Und den gesonderten Schutz dieser Gruppe haben wir intensiv diskutiert.
Dazu kommen bei der Überlegung aber auch noch weitere ethische Kriterien, die für die Frage einer Priorisierung mitberücksichtigt werden sollten. Gerade die Zusammenführung von medizinisch-wissenschaftlichen Aspekten auf der einen Seite und ethischen Kriterien auf der anderen Seite ist entscheidend und hat auch unsere Arbeit bereichert.